Geschichten:Thronfolger des Horasreiches hingerichtet
Kaiserin Rohaja tötet das Friedenskind von Weidleth
Rohaja von Gareth verurteilt Sigman Therengar von Gareth-Firdayon zum Tod durch das Schwert
von Gerilian von Torrem
Gareth/Vinsalt. Ein Aufschrei geht durch Vinsalts Salons und Logen. Was zunächst nur als Gerücht hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde, scheint sich nun zu bestätigen und sich als immer lauterer Aufschrei der Empörung Gehör zu verschaffen. Kaiserin Rohaja von Gareth hat den Neffen des Comto Marschalls und ehemaligen Comto Protektors Ralman von Firdayon-Bethana hinrichten lassen. Damit hat die Kaiserin nicht nur heiliges kaiserliches Blut vergossen, sondern auch das Kind des Friedens getötet, denn Sigman Therengar von Gareth-Firdayon ist der älteste Sohn von Prinzessin Lorindya Amene Usvina von Firdayon-Bethana zu Horasia und Alarichs Ruhmrath von Gareth-Sighelmsmark, dem Vetter der Kaiserin und Reichserzkanzler des Mittelreichs. Die Ehe der beiden Hochadligen war als Besiegelung des Weidlether Friedens geschlossen worden und sollte Garant für die Freundschaft der beiden Großreiche sein. Mit dem gewaltsamen Tod Sigman Therengars von Gareth-Firdayon hat diese Freundschaft Risse bekommen.
Aus gut unterrichteten Quellen des Sangreals heißt es, dass der Botschafter der Mittelreichs einbestellt worden sei, um die Hintergründe für ein derartig ungewöhnliches Handeln der Kaiserin zu erfahren. Zumal aus mittelreichischen Kreisen zu hören ist, dass die Verurteilung Sigmans zu 12 Jahren Verbannung von der Kaiserin höchstselbst aufgehoben und in das Urteil Tod durch das Schwert abgehändert worden ist. Nicht nur dass die Kaiserin des Mittelreichs sich damit über die von ihr eingesetzten Richter hinwegsetzt und mit der Tradition bricht, wonach Herrscher eher Gnade zeigen, als sich strafend einzumischen, nein, sie vergießt damit eigenes und horasisches Kaiserblut, denn Sigmar Therengar von Gareth-Firdayon war nicht nur ein Verwandter des Horaskaisers, sondern auch ein Vetter der Kaiserin selbst.
Doch was war geschehen: Sigman Therengar von Gareth-Firdayon galt als Aushängeschild der Großfürstlichen Fuchsrudelbewegung, die sich zum Ziel gemacht hatte, ritterliche Tugenden hochzuhalten und den Stolz des garetischen Rittertums wiederherzustellen. Unter dem Einfluss des garetischen Herrschaftsideals „eins mit dem Land zu sein“ zog das Fuchsrudel von Ort zu Ort und bewies sich in Turnier, Lanzengang, Duell, aber auch Schutz der Witwen und Waisen, herrschaftlicher Jagd, höfischem Spiel und ehrenhaftem Handeln ganz allgemein. Tugenden, die im Einklang mit den Göttern stehen und daher auch mit kirchlichen Segenwünschen begleitet wurden. Dem jungen Prinzen flogen die Herzen nur so zu und er wähnte sich von Praios‘ und Phex auserwählt, dem Land einen neuen Führer unter der Kaiserin zu geben. Bestärkt durch die Liebe des Volkes und die Unterstützung der jungen Ritter trat der junge Prinz voller Enthusiasmus vor die auf dem Turnierfeld zu Eslamsgrund versammelten mehreren hundert Ritter, Kämpfer und Gefolgsleute, um sich offiziell und unter Praios‘ Antlitz und dem Segen Rondras und der anderen Zwölfgötter zum Großfürsten Garetiens zu erklären. Ein Amt, das wie in Almada eher dem eines Vogts gleicht, der im Namen der Kaiserin die alltäglichen Aufgaben der Provinz ausführt. Da es jedoch nicht Sache eines jeden Prinzen selbst ist, sich Kronen aufs Haupt zu setzen, sah die Kaiserin in dieser Ernennung nichts anderes als Hochverrat und ließ den selbsternannten Großfürsten vor einem Gericht anklagen, was zu dem besagten Urteil kam, der Prinz solle wegen seiner Verfehlung 12 Jahre verbannt werden. Die Richter sahen in dem jugendlichen Heißsporn keinen frevelhaften Verschwörer, sondern einen irregeleiteten Tunichtgut, ohne böse Absichten. Kaiserin Rohaja indes hatte eine andere Sicht der Dinge und hob das Urteil dem Vernehmen nach auf und wandelte die Strafe in ein Todesurteil um und gewährte lediglich den Tod durch das Schwert, das Sigmar von Gareth-Firdayon als Mitglied des Hochadels des Mittelreichs grundsätzlich zusteht. So endete der Traum von einem ritterlichen Großfürsten von Garetien und Perricum blutig unter dem Schwert des Henkers.
Die Thronfolge im Horasreich
1 Ralman Firdayon-Bethana (996 BF)
2 Folnor (*1019)
3 Alborn (*1024)
4 Amene (*1030)
5 Aifingla (*984)
6 Gylduria (*990)
7 Perainhilf (*994)
8 Lorindya (*998)
(9) Sigman Therengar (1026-1045)
Nun ist es sicherlich das Recht einer jeden Herrscherin ihre Untertanen nach eigenem Willen zu maßregeln, erst Recht, wenn sie von eigenem Blute sind. Dieses absolute Recht endet allerdings dort, wo die Interessensphären eines anderen Herrschers, sei es durch Vertrag, aber erst Recht durch Blutsbande berührt sind. Mit dem Tod Sigmar Therengars von Gareth-Firdayon hat Kaiserin Rohaja nicht nur gröblichst gegen den Geist des Friedens von Weidleth gehandelt, sondern zudem einen Thronfolger des Horasreichs hinrichten lassen. Denn Sigmar Therengar stand nach seiner Mutter Lorindya von Firdayon-Bethana, der Schwester Fürst Ralmans von Vinsalt und Enkelin König Therengars auf dem neunten Platz der horasischen Thronfolge und trug als solcher unzweifelhaft das heilige Blut der Horaskaiser, namentlich des Silem-Horas und damit auch des Heiligen Horas höchstselbst in seinen Adern. Hier wäre das Walten von Gnade nicht nur im Sinne der gütigen Travia angezeigt, sondern sogar in den Augen des Hohen Herrn Praios geboten gewesen, der selbst in den Augen der Praioskirche des Mittelreichs der Großvater des Heiligen Horas und damit Stammvater auch Sigmars von Gareth-Firdayon gewesen ist.
So ist es wenig verwunderlich, dass nicht nur die Mitglieder des Horaskaiserlichen Hausordens vom Heiligen Blute entsetzt sind und nach Buße rufen, sondern auch gemäßigtere Mitglieder des Horaskaiserlichen Hofstaats fordern, dass wenigstens eine Entschuldigung Kaiserin Rohajas für ihr unabgestimmtes Tun gegenüber ihrem kaiserlichen Vetter abzugeben ist. So war es für die Murakiden – die längst und wie immer nach Krieg rufen – ein Leichtes, eine Debatte im Haus der Edlen über die Vorgänge zum Tod Sigmar Therengars von Gareth-Firdayon anzusetzen. Die Stimmen dafür kamen diesmal selbst aus den Reihen der Loyalisten, was zeigt wie groß der Ärger selbst unter den Königstreuen über den Tode eines fernen Prinzen aus Garetien ist. Es bleibt zu hoffen, dass aus der unbedachten Tat eines Heißsporns und des dann ebenfalls unbedachten Richtspruchs einer gekränkten Kaiserin kein weiteres weitaus unbedachteres Handeln entspringt. Auf die kommenden Entwicklungen darf man getrost gespannt sein.
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