Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 30: Planung auf Burg Friedburg I
Dramatis personae:
- Roderick von Isenbrunn, Vogt Gnitzenkuhls
- Leomara von Keilholtz, Ritterin Gnitzenkuhls
- Lyn ni Niamad von Brendiltal, Baroness von Brendiltal
- Rash'ijd han Rab'a Enock (Rashid von Rabenstock), Krieger der Feshavener Blutgarde
- Hakon von Sturmfels, Kapitän der Admiral Dozman
- Alfred Beradje von Schwertwacht, Leutnant des Zornesordens
- Unswin von Keilholtz, Krieger des Zornesordens
- Chaantrea, Novizin im Zornesorden
- Bruder Thurbold, Golgarit aus Brendiltal
Baronie Gnitzenkuhl, Burg Friedburg, Wappensaal, Praios 1034 BF
Kalte Speisen waren aufgetischt worden, man hatte nicht damit gerechnet, dass so viele Gäste kommen würden. Nach der Hitze des Tages war dies jedoch eher eine Wohltat, denn ein Verzicht. Brot, Käse, Wurst und Braten ergänzt um die zu dieser Zeit reichlichen Gaben aus Peraines Garten reichten aus, um den Hunger der Adligen zu stillen. Der leichte Weißwein aus der Region wurde angeboten, sowie ein Bier. Die Abwesenheit des Magus quittierte der Vogt mit einem grüblerischen Blick und nahm sich vor die beiden Waffenknechte des Magus darüber zu verständigen. Sequims Fernbleiben registrierte er lediglich mit einem Nicken, dass darauf schließen ließ, dass ihn das nicht verwunderte. Ein Schnauben von Seiten Leomaras kündete zumindest davon, dass sie darüber nicht sonderlich begeistert war. Mit einem Flüstern gab sie Unswin zu verstehen, dass die Familie Alxertis von der neuen Baronin ungefähr so viel hielt wie sie selbst von Nebachoten. So war sie aber froh, dass dieser Al’Arik, von dem Lyn erzählt hatte, nicht zugegen war, es reichte schon der andere nebachotische Krieger.
Leomaras Knappe war bemüht allen zu Diensten zu sein, und auch einige Mägde wuselten geschäftig umher. Die Ritterin indes hatte sich an die Seite ihres Mannes Unswin gesetzt.
Roderick von Isenbrunn hatte sich von den Ankömmlingen ins Bild setzen lassen, was in Gaulsfurt in Erfahrung gebracht worden war, auch die Funde der Leichen wurden erwähnt. Dann berichtete er seinerseits von den Neuigkeiten, die er von Salva von Bleichenwang erfahren hatte. Die junge Ritterin war noch nicht lange wieder auf dem elterlichen Junkertum, sodass die meisten Anwesenden mit dem Namen wenig anzufangen wussten. Leomara ergänzte nur, dass die Familie von Bleichenwang das Junkertum Ochsweid inne hatte und die Rinderfunde auf ihrem Land gewesen waren.
Er konnte ihnen erzählen, dass die junge Ritterin gemeinsam mit Mitgliedern der Familie Bergstamm Spuren gefolgt war, die sie bis in die Nachbarbaronien Gerbenwald und Dürsten-Darrenfurt geführt haben. Diese Spuren waren dergestalt, dass man auch hier nächtliche Sichtungen dieser Trauerzüge oder ‚Totenzüge‘ festgestellt hatte, über die man sich schon im Fischerdorf kurz unterhalten hatte. Bendan von Zillingen, der Reichsvogt, hatte seiner Nichte Salva versichert, dass er, sollten ihm jetzt da man wusste worauf es zu achten galt, erneut Sichtungen vermeldet werden, einen Boten schicken würde. Bedeutungsvoll blickte der hagere Mann in die Runde. Thurbold folgte den Gesprächen wie immer eher unbeteiligt. Gedanklich war er sowieso bei anderen Dingen. Auch die reichhaltige Tafel verschmähte er und gab sich mit einfachem Brot und etwas verdünntem Wein zufrieden.
Der Golgarit war sich nicht sicher, was er denken sollte, bei dem was hier vorgetragen wurde! Als die Berichte die Totenzüge streiften erwachte der alte Ritter jedoch aus seinen Gedanken.
„Gemeinsam mit den euren Schilderungen ergibt sich das Bild, als ob des nächtens häufiger solche als Totenzüge umschriebene Wagen unterwegs seien, die die Angst der Bevölkerung nutzten, um unkontrolliert durch die Lande zu ziehen. Damals schon mutmaßte Korwin, dass die Besatzung des Turmes hatte sterben müssen damit, doch die Spuren verliefen wortwörtlich im Sande.“ Er musterte dabei Leomara, die ihn unverhohlen zurück anstierte und dann ihrerseits weiter sprach.
Da erhob Thurbold seine sonore Stimme: „Der Tod schürt keine Angst und wenn er zum Mittel des Zwecks degradiert wird, ist dies nichts anderes als ein Frevel am Ewigen!“, nur um sich dann wieder in sich selbst zurück zu ziehen.
„Was wir haben ist also die Vermutung, dass ein Magus seine Finger mit im Spiel haben muss und dass diese Leute nachts unterwegs sind um gewisse Dinge zu transportieren. Die Frage ist aber wo und wie kann man sie stellen? Die Routen sind so weitläufig, dass man diese Kunde an sich in alle Baronien geben muss, und jeder selbst dafür Sorge zu tragen hat, dass solche… Züge nicht mehr ungehindert passieren können, oder?“
Hakon hielt sich bewusst zurück. Ähnliche Schlüsse hatte er schon vor einiger Zeit geäußert. Eines stand für ihn jedoch schon jetzt fest. Für einigen Götterläufen, wäre es nicht so einfach gewesen. Damals herrschte noch eine straffere Ordnung vor, die so etwas nicht ermöglicht hätte. Sei’s drum, er konnte es nicht ändern. Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher und musterte die Anwesenden. Wohin es sich wohl noch entwickeln würde?
Rash’ijd flüsterte der Baroness verstohlen (auf Nebachotisch) ins Ohr, und sah dabei leicht gereizt hinüber zu Hakon von Sturmfels. „Wir sollten, solange wir keine weiteren Informationen haben, vielleicht erst noch 2-3 Tage warten, ob wir Nachricht von meinem Herren und den Anderen bekommen, ehre wir voreilig eine Entscheidung treffen…“
Lyn nickte Rash’ijd kurz zu, doch ehe sie das Wort ergreifen konnte, tat dies schon Unswin.
Unswin bekam von dem Getuschel nichts mit. Er nickte zu Leomaras Worten und stellte sein Weinglas zurück auf den Tisch, bevor er sich nach vorne lehnte um beim Sprechen alle ansehen zu können. „Ich stimme dem insoweit zu, dass es ohnehin eines jeden Lehnsherren Pflicht ist seine Grenzen und Wege zu sichern oder sichern zu lassen, um damit den Schutz seiner Untertanen gewährleisten zu können. Es kann also nicht schaden, wenn ein jeder in den Grenzbaronien die Augen etwas weiter auftut als sonst.“ Leomara nickte nur kurz dazu, sie waren einer Meinung.
„Die Frage die sich mir stellt wäre aber eher, ob es sich denn um typische Schmugglerwege handelt? Diese Wagen nehmen ganz offensichtlich Wege auf denen sie von der Bevölkerung gesehen werden und geben sich zudem ein unheimliches Aussehen. Das klingt mir ganz und gar nicht nach Leuten die unentdeckt Waren über die Grenze transportieren wollen. Je mehr Gerede es gibt, desto größer ist doch die Gefahr für diese Leute entdeckt zu werden.“
Sein Blick ging zu Lyn, die auf der anderen Seite Leomaras saß und die Arme über den Bauch verschränkt hielt. „Euer Hochgeboren, gibt es vielleicht eine Möglichkeit von den Nebachoten mehr zu erfahren? Soweit ich weiß sind ihre Stammesgemeinschaften sehr weitläufig und richten sich nicht nach den Grenzen des Reiches. Wenn diese Totenzüge praioswärts der perricumschen Grenzen ihren Ursprung haben, dann könnten doch die dortigen Stämme der Nebachoten etwas wissen. Euer Gemahl und Euer Schwiegervater könnten doch sicherlich solche Informationen beschaffen, oder?“
Den Blick seines eigenen Schwiegervaters, Roderick, spürte er zwar förmlich auf seiner Wange brennen, doch verspürte er kein Bedürfnis diesem jetzt zu begegnen. Immerhin hatten Unswin und Leomara den Vogt mit ihrer spontanen Hochzeit vor wenigen Wochen höchst unsanft vor vollendete Tatsachen gestellt.
Sehr wohl sah er jedoch das aufflackern von Unverständnis in Leomaras Zügen. ‚Ist er jetzt von allen Zwölfen verlassen? Ich versuche hier die Nebachoten aus der Baronie zu treiben, und er bittet um ihre Hilfe?‘ fluchte Leomara im Geiste. Hatte ihn jemand in den vergangenen Tagen einer Hirnwäsche unterzogen? Sie musterte ihn ungehalten, wartete aber auf die Antwort Lyns, die ja nichts dafür konnte einen Nebachoten zum Mann zu haben. Kurz wallte eine Erinnerung an Marnion hoch die sie jedoch sofort unterdrückte und statt dessen dem anwesenden nebachotischen Krieger herausfordernde Blicke zu warf.
Gänzlich andere Blicke trafen ihn kurz von Alfred. Dessen kurzes Nicken verriet Unswin, dass der Leutnant genau die gleichen Gedanken hegte – es würde den Völkern nicht schaden, wenn sie ihre Gemeinsamkeiten beim dem Bündnis gegen das Ungeheuer vom Darpat entdecken würden.
Die Angesprochene nickte ihm zu und antwortete dann: „Kor‘win und Kain sind zusammen mit Al'Arik han Kur'barun, Nedarna von Trollsteige und Gerion von Keres gen Perricum Stadt aufgebrochen, um dort Erkundigungen einzuholen. Kor’win und Kain erwähnten ebenfalls die lebenden Toten und wollten versuchen, mehr darüber zu erfahren. Sie wissen, dass wir hier bei Euch sind und werden entweder mit weiteren Informationen selbst hier erscheinen, oder einen Boten schicken. Bevor wir jetzt hier in blinden Aktionismus verfallen, ist es zumindest ratsam, auf diese Nachricht zu warten. Aber ich werde auf jeden Fall noch heute eine Nachricht an Ra’oul schicken. Falls es in Brendiltal und Umgebung dazu Gerüchte gibt, werden wir so zügig davon erfahren.“ Sie blickte von einem zum anderen und eine innere Ungeduld befiel sie. Das das Kind in ihrem Leibe sich wie immer diesen ruhigen Moment ausgesucht hatte, um wach zu sein und sich lebhaft zu bewegen, trug nicht wirklich zur Verbesserung ihrer Stimmung bei. Ihr Blick war fast hoffnungsvoll auf Leomara gerichtet als sie hinzufügte „Oder habt ihr irgendwelche akuten Anhaltpunkte die man jetzt von hier aus verfolgen kann? Weitere Vorfälle noch nach dem mit dem Fischer?“
Bevor die angesprochene reagieren konnte erhob noch einmal Rash’ijd das Wort und er bemühte sich dies auf Garethi zu tun: „Myth Vär’Laoubh wärdä aouch ych’h ainä Narch’rischt gähn Fez’hava schykkän, äsz liggt dyrägd ahn diä Gränzä szu Aranjia.
Leomara löste ihren Blick wiederwillig vom Nebachoten, gab aber mit einem Nicken zu verstehen, dass sie seinen Wunsch verstand und antwortete der Baroness wie es die Etikette verlangte.
„Hochgeboren ich muss verneinen. Ich gehe stark davon aus, dass unsere Aktivitäten ihren Zweck erfüllen und das Pack sich in seine Löcher verkriecht und andere Wege sucht. Aber Unswin, um auf deine Anmerkung zu den Schmugglerwegen einzugehen…“ sie warf ihm einen betont gleichmütigen Blick zu „…wir wissen nicht was hier von... von Brendiltal…über Perrinmarsch…bis zu uns hier gebracht wird. Aber ich finde, dass Leichen im Darpat eine deutliche Sprache sprechen und wenn ich unsere Bauern und Fischer hier recht einschätze, ihnen das Gerede über das Ungeheuer und diese unheimlichen Züge als Grund ausreichen, um des nächtens ihre Häuser nicht zu verlassen. Auf den Straßen kommt man wesentlich schneller und bequemer mit Wägen voran. Vielleicht sind ja wir- oder besser Kapitän Hakon die Ursache dafür, dass man sich darauf verlegt hat nachts mit Wägen auf den kleinen Straßen die Dinge zu transportieren, statt wie noch zuvor nur auf dem Fluss.“
„Dann sollten auch die kleinen Straßen überwacht werden.“ entgegnete Lyn. „Aber am effektivsten dürfte es sein, diese nicht offen zu patrouillieren, sondern die einzelnen Streckenabschnitte aus Verstecken heraus zu beobachten. Es bringt nichts, wenn die Aktivitäten auf andere Routen umgelenkt werden, sondern wir müssen versuchen, sie zu beobachten um gegensteuern zu können.“
„Dann sollten wir Späher aussenden, die sich aufs Verstecken und Schleichen verstehen und die mutmaßlichen Routen überwachen lassen. Bis wir Ergebnisse haben, sei es von unseren Spähern oder jenen die in Perricum nachforschen, kann es nicht schaden entlang des Darpat Präsens zu zeigen.“ Unswin blickte kurz zu seiner Frau und dann zurück in die Runde. „Wie du sagtest Leomara, die Bauern und Fischer haben zu Recht Angst und es ist unsere göttergegebene Aufgabe sie, die Schutzlosen, zu schützen. Dafür gab Praios uns die Gnade der Hohen Geburt und die Herrin Rondra das Schwert. Ich schlage also vor, dass jene von uns die sich auf solche Heimlichkeiten nicht verstehen oder in dieser Gegend...“ Hier stockte der Zornesritter kurz und strich sich mit einem leichten Lächeln über die vernarbte Wange. „...anderweitig zu bekannt und auffällig sind, all jene Straßen und Wege abreiten, auf denen bisher keine dieser Totenzüge gesehen wurden. Das mindert zumindest die Angst der Bauern. Vielleicht landen wir damit auch einen Glückstreffer und erwischen diese Schmuggler auf einem Weg den sie bisher für sicher hielten.“
„Außerdem, auch wenn unsere Gegner beobachten, wie wir offen patrouillieren, so kann uns dies zum Vorteil gereichen, wenn sie dann auf Routen ausweichen, welche unsere Späher überwachen. So oder so, das Netz wird engmaschiger und ein hindurchschlüpfen schwieriger. Ich stimme daher zu, dass wir vom Orden des Zorns uns an der Überwachung der Wege beteiligen werden.“
Lyn blickte die Ordensritter an und entgegnete „Dann werde ich mich einer der Gruppen anschließen, welche die Straßen im Verborgenen im Auge behält.“ Sie blickte zu Rash’ijd und auch wenn sie die Antwort auf ihre Frage bereits kannte, gebot es ihr die Höfflichkeit, sie zu stellen. Denn obwohl Al’Arik Rash’ijd mehr oder weniger befohlen hatte, an ihrer Seite zu bleiben, war es nicht an ihr, ihm Befehle zu erteilen. „Werdet ihr mich begleiten?“
Rash’ijd nickte nur pflichtbewusst und stolz.
...
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