Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 35: Schleichpatrouille in Gnitzenkuhl
Dramatis personae:
- Lyn ni Niamad von Brendiltal, Baroness von Brendiltal
- Rash'ijd han Rab'a Enock (Rashid von Rabenstock), Krieger der Feshavener Blutgarde
- Bruder Thurbold, Golgarit aus Brendiltal
Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF
Direkt im Anschluss an die Besprechung verabredeten Thurbold, Lyn und Rhah’ijd, dass sie am nächsten Abend dann gemeinsam auf Patrouille gehen würden. Der Plan war, zur späten Dämmerung aufzubrechen.
Noch am Abend zog sich Lyn zurück, um eine Nachricht an Ra’ul zu schicken. Zügig kratze die Feder über das Pergament und mit wenigen Worten setzte sie ihn über die Ereignisse in Kenntnis. Weiterhin bat sie ihn, die Ohren nach Gerüchten über Schmuggler offen zu halten und auch gezielt Nachforschungen anzustellen.
Dann machte sie sich auf den Weg zum Majordomus der Burg, damit umgehend ein Bursche damit beauftragt werden konnte, den Brief zu überbringen.
Wenn Thurbold schon nicht persönlich in Krähenwacht Bericht erstatten konnte, so musste er dem Abt zumindest schriftlich Mitteilen was er bereits Erfahren hatte.
Dazu hatte er sich in sein Provisorium zurückgezogen und mit aller Mühe ein recht kurz gehaltenes Schriftstück verfasst in dem er kurz seine Situation beschrieb und wenige kleinere Bitten äußerte.
Als er mit dem Brief in der Hand durch die Burganlage ging, erblickte er die brendiltaler Baroness, die sich auf den Weg zum Majordomus machte: „Werte Lyn, gehe ich Recht wenn dieses Schriftstück in eurer Hand gen Brendiltal geht?“, Thurbold blickte kurz auf sein Schriftstück ehe er weitersprach, „Wenn ja, wäre es dann Möglich das auch mein Bericht auf diese Reise geht?“
„Natürlich“ entgegnete die Baroness und nahm das Schriftstück an sich.
Rash’ijd tat es ganz ähnlich nur sendete er ein Schreiben gen Feshaven an Kur’hamma han Kur’barun, Kor-Geweihter und Al’Ariks Bruder. Auch er ließ das Schreiben anschließend von einem Boten abschicken.
Am nächsten Tag, am Abend:
Es war selten geworden, das Thurbold seinen Wappenrock ablegte, wenn er es früher auch oft getan hatte und seine vom Schreiben schmerzenden Finger erschwerten auch das Lösen der Verschnürungen ein wenig. Behutsam faltete er den Rock fünfmal und legte ihn zusammen mit seinem kleinen Bündel an Habseligkeiten auf seine Pritsche und sprach kurz zum ewigen Herrn, ehe er seine Stube verließ.
Rhash’ijd machte sich, nachdem er sich für das nächtliche Unterfangen gerüstet hatte, auf die Suche nach Lyn. Als er sie fand sprach er (auf nebachotisch): "Meine hochgeborene Mar’olum, ich wäre soweit, wir können aufbrechen."
Sie hingegen schaute nur nachdenklich auf Rash’ijds stark verzierte, schwarze Rüstung.
Ihr Blick wurde leicht kritisch und auf Garethi, aber sehr langsam sagte sie „Eure Rüstung… Seid ihr sicher, dass diese leise genug ist und kein Teil im Mondlicht aufblinken wird?“ Jetzt wo sie ihn darauf ansprach, stellte er fest, dass die Schnallen ihrer Rüstung nicht blank poliert, sondern aus einem geschwärzten Metal gefertigt waren. „Hm… „ sprach sie fast zu sich selbst „… das Aufblitzen von verräterischen Teilen wird durch einen dunklen Umhang vermieden, aber falls wir uns durch Gebüsch anschleichen müssen, ist ein Umhang mehr als hinderlich.“ Sie sah Rash’ijd an „Könnt ihr Teile davon abnehmen? Sonst sollten wir klimpernde oder glänzende Teile durch schwarze Tücher abdecken und festbinden. Die Pferde werden wir eh verbergen müssen. Und wenn wir ein geeignetes Versteck gefunden haben, sollten wir auch unsere Gesichter schwärzen.“
Rash’ijd sah verlegen an sich hinab, lächelte dann und sagte: “Nuän, ain paahr Sa’chän kuann ych sychärliesch abnähmän, äs würdä nuhr ain ätwaas dauärn, dän Rässt uamwikkäln wyrr.“ Entschlossen nickte er dabei.
Lyn nickte ihm aufmunternd zu „Ich kann Euch dabei gerne helfen. Sagt, habt ihr Erfahrung damit, Euch lautlos und unbemerkt zu bewegen?“ Ihr Blick war dabei offen und freundlich und es schien nicht so, als wolle sie ihn verhören.
Er nickte. „Ouch wänn ych ger’rad dän Ain’Drukk hyntäließ, duas däm niecht szo sai. Duann la’sst uans äbän mainä Aramala (neb.: Rüstung) vär’stäkkän, szo dasz wyrr szügiig vor’an kommän.“
Sie nickte ebenso und lächelte „Dann lasst uns zu den Stallungen gehen. In einer meiner Satteltaschen müsste ein dunkles Tuch sein, dass wir dafür verwenden können.“
Bei den Stallungen trafen sie auf den Golgariten. Dieser trug schlichte Kleidung, wie sie im Süden Perricums von vielen getragen wurde. Die halblangen, ergrauten aber noch vollen Haare vielen über ein eher scharfkantiges Gesicht, welches aber klar als garethisch zu erkennen war. Eine braune Schärpe, diente als Gürtel über einer leicht pludrigen schwarzen Hose. Allein am Hemd waren die Insignien des Ordens – das geflügelte Boronsrad – als dunkelgraue Stickerein auf noch dunklerem Hintergrund zu erkennen.
In der anderen Hand trug Thurbold ein einfaches Gehänge in dem ein verzierter Rabenschnabel hing.
Er konnte feststellen, dass Lyn über einer schwarzen Tunika eine braune Lederrüstung sowie Ober- und Unterarmschienen trug. Die Ornamente auf der Rüstung bestanden ebenfalls aus Leder, die mit matten Messingnieten befestigt waren. Die Schnallen der Rüstung waren geschwärzt, so dass diese ebenfalls kein Licht reflektierten. Dazu trug sie eine dunkle, braune Lederhose und lederne Beinschienen. Die Ziernieten auf den Beinschienen waren aus Messing und dadurch recht matt.
Ihre langen roten Haare waren zu einem Zopf geflochten und über ihren Schultern lag ein schwarzes Tuch, welches wohl dazu gedacht war, später ihre Haare ganz zu verbergen. An ihrer Seite trug sie wie schon zuvor einen Anderthalbhänder. Im Knauf eingearbeitet konnte Thurbold den Hals und Kopf einer thorwalschen Otta erkennen.
Thurbold war erstaunt, das Lyn durchaus leicht gerüstet war – ganz im Gegensatz zu ihm, konnte er doch kaum seine geschwärzten Kettenteile tragen bei diesem Unterfangen.
Zielstrebig ging Lyn zu ihrem Ross Barán’irean, das ein Stallknecht bereits gesattelt hatte. In den Satteltaschen suchte sie kurz nach dem bereits erwähnten schwarzen Stoff, der sich tatsächlich ganz unten in der Tasche befand. Von diesem riss sie einige Streifen ab und schaute fragend zu Rash’ijd. Nachdem dieser die Teile, die er gut abnehmen konnte abgenommen hatte, begann sie mit geschickten Fingern alle anderen verräterischen Teile zu verbergen. Es schien, als würde sie so etwas nicht zum ersten Male tun und als sie fertig war, gab es kein blitzendes oder funkelndes Teil mehr an der Rüstung.
Auch der Ordensmann begutachtete das Pferd genauer, welches man ihm zur Verfügung gestellt hatte, da er sein eigenes zurücklassen musste, als die Flussreise begann.
Was aber im Endeffekt egal war, denn auch sein Ordensrappe stand ihm nicht unbedingt näher als dieses nebachotische Ross vor ihm. Er wollte sich in seinem Alter an kein Tier mehr binden, das ihn wohl ab jetzt überleben würde.
Fachkundig prüfte er die Besattelung des Tieres und kontrollierte kurz den allgemeinen Zustand des Pferdes, ehe er sich kurz, mit einer eher unerwarteten Eleganz – für eine alten Mann – auf das Tier schwang. Als er den Rabenschnabel am Sattel festgemacht hatte, blickte er erwartungsvoll seine Begleiter an.
Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, schwang sich auch Lyn auf ihr Ross. Kaum dass sie saß, verzog sie leicht irritiert ihr Gesicht, da es ihr schien, als würde sich das Kind in ihrem Leib wesentlich stärker und häufiger bewegen, als es bei seinem Bruder zu dem Zeitpunkt der Schwangerschaft der Fall gewesen war. Doch versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen.
Rash’ijd überprüfte noch ein letztes mal den Halt der Stoffbahnen, es klimperte nichts mehr bei seinen Schritten. Er nickte zufrieden und ging hinüber zu seinem Pferd, legte seine Stirn kurz an die des Pferdes flüsterte ein paar Worte und schwang sich dann mit bedächtiger Ruhe und Gelassenheit auf den Rücken des Pferdes. Dann nickte er der Baroness und dem Golgariten zu.
Ein knappes halbes Stundenglas später waren sie ca. 1 Meile südlich der Stadt Gnitzenkuhl. Sie hatten sich vorher einen groben Plan gesteckt und anhand von Kartenwerk eine Route entlang von kleineren Wegen gesteckt, die sie auch einmal die Reichsstraße kreuzen lassen würde. Allenthalben hatte man sich strategische Verstecke auserkoren und verharrte in diesen, um es nach einer Weile gegen das nächste zu tauschen. So war es ihnen zwar nur möglich bloß ein recht kleines Gebiet zu überwachen, da man sich auch gänzlich ohne Beleuchtung und abseits der Pfade bewegte, aber irgendwo musste man ja anfangen. Zudem ja auch noch offizielle Trupps die Gegend abliefen. Und dies schien auch verdammt nötig um den Bürgern wieder etwas (zweifelhafte) Sicherheit geben zu können, denn diese, so stellten Thurbold, Lyn und Rash’ijd fest, verrammelten des Nachts ihre Häuser so dass die Ansiedlungen, die die Gruppe beobachtete, wie ausgestorben wirkten.
Das einzige Leben das die drei ausmachen konnten war ein kleiner, markgräflicher Bautrupp an der Reichsstraße, als sie diese im Schutz des Schattens überquerten, so dass der Trupp sie nicht bemerkte. Dieser wollte aber ob der vielen Gerüchte auch nichts dem Zufall überlassen und so hatten sie Wachen aufgestellt und nur niedriges Feuer brennen. Aus ihrem Versteck heraus in sicherer Entfernung beobachteten die Baroness und ihre Begleiter den Trupp eine Weile bis Lyn leise die Stimme hob.
„Ich denke, wir sollten diesen Trupp ein wenig länger beobachten. Nach all den Gerüchten wundert es mich, dass sie hier lagern. Ich an ihrer Stelle hätte versucht, für die Nacht in der Scheune eines Bauern unterzukommen.“ Sie starrte noch einmal zu dem Trupp eh sie ebenso leise wie zuvor hinzufügte „Nicht dass sie mit den Schmugglern unter einer Decke stecken.“
Rash’ijd hob kurz eine Augenbraue nickte dann aber. „Viällaychd soalltän wyr nouch ain wänig häran…“, flüsterte er dann.
Die anderen stimmten ihm stumm zu und so schlichen sie auf leisen Sohlen noch ein paar wenige Schritte auf das Lager zu um dann ihre Ohren zu spitzen und die Augen auf das Lager zu richten.
Leise und beinahe lautlos bewegte sich die Baroness und ihre Bewegungen verrieten einiges an Erfahrung. Auch der Golgarit machte seinem Gott alle Ehren und kein Geräusch durchbrach die nächtliche Stille.
So bemerkten die Wachen des Lagers sie nicht und sie konnten dieses einige Zeit unbehelligt beobachten. Doch konnte man hier nichts Unauffälliges feststellen, es schien sich tatsächlich um einen Bautrupp zu handeln. Langsam trieb die ganze Geschichte schon paranoide Ideen in ihre Köpfe dachte sich Rash’ijd und schlug den anderen vor weiter ihrer Route zu folgen, so hatten sie doch hier schon genug Zeit verloren.
Gesagt, getan. Die drei entfernten sich langsam und ruhig wieder vom Lager und machten sich wieder auf den Weg. An den nächsten zwei Verstecken passierte auch nichts und langsam machte sich etwas Ernüchterung bei ihnen breit als sie sich im darauffolgenden Versteck niederließen und warteten. Als sich plötzlich etwas nahe dem kleinen Weg rührte. Wie eingeübt führten alle drei gleichzeitig ihre ihren gestreckten Zeigefinger an den zugespitzten Mund, eigentlich ein Schmunzeln wert.
„Äsz szin’d szwei.“, sagte Rash’ijd, „Ound sye koammän dy’räkt aouf uonsz szu.“
Lyn schaute ebenso in die Richtung und entgegnete leise „Sie sehen nicht aus wie Schmuggler, aber wir sollten sie kurz beobachten.“
Die Drei verhielten sich so ruhig wie möglich, doch als sich das Pärchen auf der Wiese direkt hinter dem Gebüsch, was als Versteck diente, niederließ um Rhaja zu opfern, gab Lyn ihren beiden Begleitern ein Zeichen, sich zurück zu ziehen. Als sie außerhalb der Hördistanz waren, was lange dauerte da das Paar anscheinend mit ihrer Lautstärke wohl sicher gehen wollte, dass die Göttin das Opfer auch ganz bestimmt mitbekam, meinte sie mit einem Schmunzeln „Nein, keine Schmuggler. Wir sollten sehen, dass wir eine andere Stelle finden.
Der Rest ihres phexgefälligen Rundgangs verlief weitestgehend ruhig und nichts Erwähnenswertes geschah. Es wäre auch zu einfach gewesen, schalten sich die drei.
Und so machten sich die Drei bei anfangender Dämmerung zurück zu der Stelle an der sie ihre Pferde zurückgelassen hatten und ritten müde gen Gnitzenkuhl-Stadt um sich zur Ruhe zu begeben. In der nächsten Nacht war eine andere Route geplant. Unterwegs wurden sie nur von einigen Patrouillen der örtlichen Adligen aufgehalten, die – jetzt nachdem es wieder hell war – die gängigsten Wege überwachten und die sie umgehen mußten, wollten sie nicht unbequeme Fragen ob ihres Erscheinungsbildes beantworten müssen.
Nachdem sie die erste Patrouille umgangen hatten, hielt Lyn entnervt an. Sie war müde und auch wenn ihr so eine Nacht normalerweise nichts ausmachte, so merkte sie nun doch, dass die Schwangerschaft ihren Tribut forderte. Ihre Augen blitzten leicht kampflustig auf als sie sagte: „Ich werde mich nicht wie ein Vagabund vor den Patrouillen verstecken. Sollen sie doch fragen, was wir hier suchen. Von mir werden sie schon die passende Antwort erhalten.“ Dann nahm sie das Tuch ab, das ihre Haare bedeckte und benetzte es mit Wasser aus ihrem Wasserschlauch. Dann begann sie den Ruß der ihr Gesicht bedeckte abzuwischen.
Rashi’ijd, immer seinem Auftrag entsprechend, tat es der Baroness gleich und auch Thurbold wollte sich schließlich nicht alleine durch das Dickicht schlagen. Dies führte natürlich beim erneuten Aufeinandertreffen mit einer Patrouille zu einigen lästigen Fragen die die Baroness übermüdet und genervt aufklärte. Sie war dabei recht unbeherrscht, so dass die Gardisten beschlossen, ihr Glauben zu schenken und sich nicht mit der augenscheinlich zu allem bereiten Albernierin anzulegen. So wurden sie nur von zwei Patrouillengängern auf den Weg gen Gnitzenkuhl zu begleitet und konnten währendessen beobachten wie das Land und dessen Bewohner langsam erwachten als es hell wurde. Vögel zwitschern, Pferde und Kühe weideten, Bauern gingen in Richtung ihre Felder, Fein paar wenige Fischer kehrten zurück, Kinder spielten in schwarzen Mänteln, die ihnen viel zu groß waren Räuber und Gardist, Fuhrwerke fingen an über das Land zu rollen und soweiter. Am Ende kam man erschöpft in Gnitzenkuhl-Stadt an, holte noch neuste Informationen ein und ging schließlich zur Ruh.