Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 4: Cayhin bekommt Reitunterricht
Dramatis Personae:
Ra'oul von Brendiltal, Baronett von Brendiltal
Lyn ni Niamad von Brendiltal, Gemahlin des Baronetts von Brendiltal
Perricum, Baronie Brendiltal, Gut Besh'hassal Ammay'shar
Anfang Praios 1034 BF
Es war ein wolkenloser Tag im Praios als Lyn ni Niamad von Brendiltal auf Besh hassal Amay shar zusah wie ihr Gemahl Ra'oul ihrem Sohn Reitunterricht gab. Sie stand ein wenig abseits und im Schatten, war sie doch eher zufällig vorbeigekommen und einem spontanen Impuls folgend stehengeblieben. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht als sie sah wie gut der noch keine sechs Götterläufe zählende Caihyn sein Pony beherrschte. Noch waren seine Bewegungen wild und stürmisch, doch konnte man schon die Kraft und Anmut erahnen, die er einst ausstrahlen würde. Ra'oul war zwar ein strenger, aber auch ein guter Lehrer und es bereitete ihr Freude zu sehen, wie ihre beiden ‚Männer` gemeinsam Spaß hatten. So stand sie eine Zeit lang einfach nur schweigend dabei und genoss den Augenblick.
Schließlich bemerkte Caihyn seine Mutter jedoch und winkte ihr eifrig zu, was ihm eine sofortige Ermahnung seines Vaters einbrachte. „Im Kampf kannst Du auch nicht ainfach ainem Freundt zuwinkän! Konzentriere Dich wiedär!"
Doch als Ra'oul einem Gehilfen das Zeichen gab, den Unterricht fortzuführen und er sich zu Lyn umdrehte, sah sie sein stolzes Lächeln, was auch sie strahlen ließ. „Är macht gutä Fortschrittä! Man märkt welch Blut in ihm fliest!" Meinte er selbstbewusst, als er bei seiner Gemahlin angekommen war und ihr einen zärtlichen Kuss gab.
Bei seinen Worten schmunzelte sie, waren ihre eigenen Reitkünste doch auch als sehr gut zu bezeichnen. Und so kommentierte sie seine Worte auch nur mit einem scherzhaften „In der Tat, das sieht man."
Ra'oul trug ein einfaches, weites Hemd, was halb offen an ihm hing und einen großzügigen Blick auf seinen schweißüberzogenen, aber korgefälligen Oberkörper gewährte. Lyn trug, wie so oft wenn sie in Besh hassal Amay shar war, ein langes, aber bequem geschnittenes Kleid. Langsam aber nicht widerwillig hatte sie sich den Farben des Hauses angenähert und so zierte das weinrote Kleid eine schwarze Miederweste welche mit Goldfäden bestickt war. Diese war ein wenig locker geschnürt, so dass ein aufmerksamer Betrachter die leichte Wölbung ihres Leibes erkennen konnte und auf die Ra'oul fast vorsichtig seine Hand legte. Sie blickte erneut zu Caihyn und dann wieder zu Ra'oul. „Er fühlt sich sehr wohl hier."
Der Nebachote folgte ihrem Blick und stimmte ihr mit einem Nicken zu. „Ja, äs ist schen, duass ihr hier said! Wie gäht es däm Baby?"
Sie legte ihre Hand auf die seine und lehnte sich leicht gegen ihn. „Es geht ihm gut. Die Bewegungen sind noch zu schwach als dass Du sie fühlen kannst, aber ich spüre schon, wie es sich bewegt." Für den Moment genoss sie seine Nähe und das Gefühl zu Hause zu sein. Der Schrei eines Raubvogel der über das Anwesen flog zerschnitt die Stille und ließ Lyn erschaudern. Ihr fiel wieder ein, worüber sie mit Ra'oul bei Gelegenheit reden wollte und mit einem leisen Seufzer richtete sie sich wieder auf und stellte sich gerade hin. „Sag, die Geschichten die erzählt werden… Darüber dass das Untier von Darpat wieder aufgetaucht ist. Was meinst Du – wieviel Wahrheit steckt in ihnen?"
Ra'ouls Miene wurde bei dieser Frage wieder ernst. Er nahm die Hand von ihrem Bauch und drehte sich in Richtung des Platzes um, auf dem sein Sohn die Reitstunden genoss. „Lockär! Haltä die Ziegäl lockär!" Rief er zu Caihyn und drehte sich nachdenklich wieder zu seiner Gemahlin um.
„Ich firchtä ja. Vatär bekuommt immär mehr Berichtä vuon nebachotischän Familiän, die jämenden vermissän. Är ist besorgt, weil das Vuolk angst hat. Manchä glaubän schuon, dass där Ar'Shymruh wiedär zurick ist. Andäre firchtän aine Verschwerung, dass Raulsche das Untier gezielt auf Näbachoten hetzän. Simold bestätigt zwuar, dass auch Raulsche dem Untier zum Opfär gefallän sind, aber duas wuollen die wänigsten heren. Sie haben ainfach angst." Die Miene des Nebachoten zeigte dessen Besorgnis. „Auch Kor'win kuonnte noch nichts wirklischäs herausfindän. Die Spuren nach där guoßen Unbäkannten hat sich im Sandä verlaufän."
Sie sah ihren Gemahl nachdenklich an „Das klingt irgendwie gar nicht gut. Und es gibt gar keine Spuren oder Hinweise? Schickt Dein Vater Krieger aus, die sich darum kümmern?" Neben Besorgnis mischte sich auch Neugier und Tatendrang in Lyns Stimme.
„Hm? Wir habän die Gränzraiter verstärkt. Cemal, Du kännst ihn, är hatte Dich auf Deinem Rickweg vom Sturrmfels beglaitet, hat dabei vor allem die Kistä versärkt be'wacht. Saitdem habän wir bai uns auch keine wirklichen Vorfälle gehabt. Doch schaint es sowieso, als sai das Vieh dän Darpat hinauf gezog'n. Mähr Ammayins (Krieger) will Vatär nicht aussendän, da Simold mainte, dies kennte die Ängste eher noch schirän, taucht das Untier sowieso immär dort auf wo keine Bewaffnäten sich aufhaltän. Die Lage ist bese, wuenn Kor'win äs nicht bald fängt, kennte die Angst im Volk zu groß wärden und Vatär zu greßeren Handlungen zwingen, als er will."
Lyn warf erneut einen Blick in Richtung ihres Sohnes, doch da sie ihn hier in guten Händen wusste, beeinflusste das was sie sah ihre nächsten Worte nicht wirklich. „Ich habe mit Malina noch nicht darüber gesprochen – weißt Du ob die Reshminianer sich an der Jagd beteiligen werden? Ich habe in meiner Heimat…" sie stockte fürs um sich dann mit einem Lächeln zu verbessern „… in Albernia schon viele Geschichten über Ungeheuer gehört und war selbst an dem Kampf gegen das ein oder andere beteiligt. Vielleicht kann ja auch mein Schwertarm etwas dagegen ausrichten?"
Ra'oul musterte seine Gemahlin nachdenklich, bevor er ihr antwortete. „Dain Schwärtarm wäre sicherlich nitzlich…. Wuenn wir nurr wisten wo das Vieh sain Nest hat, dann kennten wir die Reshminianr ainsetzen, um es auszuhäben. Abär so…" Der Nebachote schüttelte den Kopf und hob einen Strohhalm vom Boden auf, den er gedankenverloren zwischen seine Finger gehen ließ. „Du kenntest dennuoch mit Malina räden. Viellaicht kuann sie die Ibungen där Reshminianer zumindest in där Nähe das Flussäs värlegen. Feldibungen sozusagen. Vielleicht habän sie dann Glick und erfahrän zumindest mehr ibär das Ding."
Sie schaute ihn ebenfalls nachdenklich an. „Ja, das werde ich tun. Ich wollte mich eh mit ihr treffen. Und dann…" Ihr Blick sagte, dass sie auf Verständnis seinerseits hoffte „… werde ich mich in Richtung Darpat aufmachen. War bei der letzten Suche nach dem Unwesen nicht auch Leomara von Isenbrunn beteiligt? Ich werde sie aufsuchen und ihr meine Hilfe anbieten. Selbst wenn wir es nicht zur Strecke bringen können, ist es doch sicher auch für Eslam wichtig, Informationen nicht nur über Umwege zu erfahren."
Erneut musterte Ra'oul Lyn. Sollte sie ihr Vorhaben wirklich umsetzen, könnte es gefährlich werden. Gefährlich für sie und das ungeborene Kind. Andererseits war das Schicksal eines jeden sowieso von den Göttern vorbestimmt und ganz gleich, was die Menschen tun würden um dieses abzuwenden, es würde dennoch eintreten. Mal ganz davon abgesehen, dass der Baronett seine Gemahlin und ihren Dickkopf gut genug kannte, um zu wissen, dass sie sich nur schwer ein einmal vorgenommenes Vorhaben aus dem Kopf schlagen würde. Von daher zuckte er nur mit den Schultern.
„Sichär! Tuä aber nichts, wuas ich nicht… Nein, lassän wir das, gib ainfach auf Dich acht!"
Ra'oul hatte den Strohhalm wieder fallen lassen uns die Hände Lyns ergriffen, auf deren Handrücken er nun einen Kuß hauchte.
„Das habe ich vor." Sie blickte zu Caihyn und dann wieder zu Ra'oul „Und Du passt gut auf Caihyn auf. Bring ihm nichts bei, was ich ihm nicht auch beibringen würde." Schelmisch blickte sie ihn an, wissend, dass er diese Bitte sicher ignorieren würde. Sie wollte sich langsam von ihm lösen und fügte noch hinzu „Ich werde dann alles für eine Abreise am morgigen Tag vorbereiten."
Ra'oul hielt sie jedoch sanft zurück und zog sie näher an sich. Langsam näherte sich sein Gesicht dem ihren. „Duas haißt wir habän noch ainä ganzä Nacht fir uns. Das sollten wir nutzän." Die Erwiderung Lyns ging in dem folgenden Kuss unter, bevor sie ihn wieder sanft wegdrückte und kess erwiederte.
„Richtig Ra'oul, eine ganze Nacht! Jetzt muß ich meine Abreise vorbereiten." Damit gab sie ihrem Gemahl noch einen Kuss auf die Wange und ließ ihn dann stehen. Schmunzelnd sah dieser ihr noch eine Zeit nach, bevor er sich wieder seinem Sohn zu wand. Dieser sprang gerade mit seinem Pony über mehrere Hindernisse, ohne dabei ins Wanken zu geraten. „Ja gudt Caihyn!!"