Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 43: Im Bluthai III

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Dramatis personae:


Markgräflich Perrinmarsch, Perricum-Stadt, Hafen, Spelunke Zum Bluthai, Praios 1034 BF, Spät Abends


...
Die Reshminianerin schüttelte derweilen bedächtig den Kopf und schnurrte mit genüsslicher aber lauterer Stimme: „Nein, mein Schöner...! ICH ... sitze IMMER oben!“ Alle Anwesenden sollte das Kommende hören. Sachte trat sie näher, fuhr mit dem Zeigefinger über seine Schulter und Brust, wobei sie selbst sich etwas um ihn herum bewegte. Wollte er ihr weiterhin gegenüber stehen, musste er ihrer Bewegung folgen. Was er auch tat. Nun hatte ihr schwankender Freund den Tisch im Rücken. Dabei blickte Nedarna ihm fest in die Augen: „Hat dir eine Frau schon einmal gezeigt was sie will? Na?“ Die Hand auf seiner Brust bedeutete sie ihm mit etwas Druck sich auf den Tisch zu legen. “Vielleicht sollte ich deine Kumpanen fragen?” Sich nach ihnen umblickend fragte sie so laut, dass ein jeder sie verstehen konnte, in die allgemeine Runde: „Was meint ihr? Ist unser guter Freund schon einmal richtig von einer Frau genossen worden?“

Die Kerle grölten nur laut und prosteten Nedarna zu, als sie einige Schritte näher kamen, so dass sich der Kreis um Gerion und Nedarna enger schloss. Der Matrose der jetzt halb auf dem Tisch lag, konnte sich vor sichtliche Erregung kaum noch zurückhalten und grabschte daher jetzt ungestüm nach der Reshminianerin, um diese zu sich auf den Tisch zu ziehen. „Dann zeigs mir.“ Hechelte er nur sabbernd.

Diese wich geschickt seiner Hand aus. „Leg dich hin!“ forderte Nedarna ihn auf. Die Augen auf Gerion gerichtet, meinte sie: „Nun Liebster, genügt er unseren Ansprüchen oder möchtest du mehr sehen?“

Zu Gerions Besorgnis wuchs die Traube um ihn, Nedarna und den betrunkenen Matrosen, der nun vor ihm auf dem Tisch lag. Sie sollten die Leute zwar ablenken - was ihnen offensichtlich gut gelungen war -, aber so leicht würden sie hier nicht mehr herauskommen. Gerion bemerkte wie die Nebachoten hinter der Meute gerade den Raum verlassen wollten, die Frau zwischen ihnen. Jetzt war es Zeit zu verschwinden. Er sprang auf. "Ardena, du kennst unsere Regeln", sagte er und hob schulmeisterlich den Zeigefinger. "Nie ohne unser besonderes ..." Gerion sah die Menge um sie herum an, die ihn nun fragend anblickte und wählte ein horasisches Wort, das für die meisten sehr nobel klingen musste. "... Ambiente." Gerion ging nun sogar einen Schritt weiter. Wenn sie sich hier schon lächerlich machten, dann könnten sie es zumindest richtig machen. Er schritt auf die Menge zu und ging die einzelnen Leute ab. "Jeder der seine innigsten und geheimsten Sehnsüchte erfüllt sehen möchte - oder besser: fühlen", er tippte auf die Brust eines Mannes "ob Mann", er zwinkerte einer runzligen Frau zu "oder Weib", beunruhigt blickte er einen Matrosen mit einer Augenklappe an, der mit einem Dolch spielte "oder Zyklop", er wandte sich wieder der gesamten Meute zu. "Der komme in den 'Krummsäbel'. Dort wird ein jeder so verwöhnt, wie es Rahja selbst nicht besser kann. Jeder ... und alles nach seinem Geschmack.“ Da Gerion während seiner Rede um die Meute herumgewandert war, hätte nun Nedara die Gelegenheit unbemerkt zu verschwinden - alle blickten ihn an, sogar der Matrose der noch immer auf dem Tisch lag.

Alle Umstehenden waren sichtlich verwirrt oder auch angetan von Gerions Rede. Der Magier hatte es wirklich geschafft, allein durch sein Auftreten – und durch Nedarnas ‚Vorarbeit‘ die Aufmerksamkeit aller in der Schänke auf sich zu ziehen. Gerion wollte Nedarna gerade eine Zeichen geben, dass sie verschwinden sollte, als von der Tür her ein unüberhörbarer Schmerzensschrei ertönte…

Al’arik griff gerade mit seiner rechten Hand zur Tür, um diese zu öffnen, während er mit der linken Seite Kor’win half die bewusstlose Frau zu stützen, als Ri’djeto schmerzerfüllt aufschrie und hinter der kleinen Gruppe in die Knie ging. Alle in der Taverne drehten sich mit einem Mal herum und schauten in Richtung Tür oder zu dem knienden Nebachoten. Hinter diesem stand das kleine Schankmädchen, mit zusammengepressten Lippen und böse dreinblickenden Augen. In diesem Moment zog Ri’djeto einen blutenden Langdolch aus seiner Seite und funkelte das Mädchen finster an, bevor er mit der flachen Rückhand über ihr Gesicht schlug. Als das geschah, brach das Chaos aus.

Die Traube um Nedarna und Gerion herum löste sich mit einem mal auf. Einige finstere Gesellen zogen ihre Dolche und Messer und gingen auf den Nebachoten los, andere versuchten sich geradewegs in die andere Richtung zu drängen und wieder andere versuchten sich auf Nedarna und Gerion zu stürzen.

Kor’wins Miene verriet keine Emotionen. Er stieß die Tür, die Al’arik halb hielt gänzlich auf und trat hinaus auf die Straße, die Frau mit sich halb tragend, halb schleifend. Der wie ein Schwein blutende Ri’djeto versuchte sich mit letzter Kraft, denn die Wunde saß tief und in der Nähe der Nieren, hinter Kor’win auf die Straße, raus aus der Taverne, zu schleppen. Das Einzige was ihm dazu fehlte war Zeit.

Die ihm, der boshaft-verzückt lächelnde und lauthals nebachotisch bellende, Al’Arik verschaffen wollte, in dem er jetzt seinen imposanten Säbel zog und die Heranstürmenden mit gezielten Hieben, die mit der Enge des Raumes spielten, auf Abstand hielt, bis sich Ri’djeto hinaus geschleppt hatte und Al‘Arik ihm mit dem Rücken zur Tür folgte. Draußen brach Al’Ariks Gefolgsmann nach einigen Schritt in einer Lache aus Blut und Staub zusammen und Al’Arik musste sich nun entscheiden ob er den aus der Taverne herausdrängenden weiter Gegenwehr leisten oder Ri’djeto zur Hilfe eilen wollte. Als ihm plötzlich die Entscheidung abgenommen wurde als die ersten Pfeile in das Türholz der Spelunke einschlugen und die verdutzten Schläger innehalten ließen.

Ri’djeto schaffte es mit Hilfe Al’ariks aus der Taverne. Die Nebachoten sahen gerade noch, wie Kor’win – der sich die bewusstlose Frau über die Schulter gelegt hatte – in einer der dunklen Gassen verschwand. Viel Zeit blieb ihnen nicht und der Verwundete nahm dankend die Hilfe seines Edlen an und ließ sich von diesem ebenfalls in die dunkle Gasse ziehen, eine Hand fest auf die Wunde gepresst.

In dem nun ausbrechenden Getümmel suchte Nedarna Gerions Blickkontakt und schob sich an seine Seite. Mit einer Kopfbewegung in Richtung Fenster bedeutete sie ihm, dass sie dies wohl der am nächsten stehende Fluchtweg wäre. Die Augen auf die näherkommenden Gestalten gerichtet, zog sie ihr Schwert und meinte in ihrer trockenen Art: „Nun wäre es an der Zeit für eine gute Ablenkung, es sei denn wir wollen uns eine blutige Schneise zum Ausgang schlagen wollen.“

„Auf alle Fälle ist Zeit zu gehen“, war Gerions knappe Antwort. Er hatte sein Schwert gezogen und hielt wie Nedarna damit die Meute auf Abstand. Diese Kerle waren betrunken und als Einzelpersonen stellten sie ihnen in keinster Weise eine Gefahr dar (und viele wichen erschrocken zurück, als er plötzlich ein Schwert unter seinem Mantel hervorzog) – doch bei dieser Anzahl an Gegnern sah die Sache schon anders aus …

Der erste wagte nun einen Angriff und sprang auf Gerion, einen Stuhlbein schwingend. Gerion tänzelte zur Seite und gab ihm einen Tritt in die Kniekehle. Auch Nedarna erwehrte sich des Ersten. Sie mussten hier weg! Gerion hob seinen linken Arm und deutete mit Zeige- und Mittelfinger auf die Menge und brüllte dabei ein Zauberwort.

Sofort ließen viele ihre Knüppel, Krüge und sonstige Gegenstände los, mit denen sie vorhatten, damit jemandem den Schädel einzuschlagen und griffen sich an ihre Augen. „Ich kann nichts mehr sehen!“ „Ich bin blind!“, riefen sie. Das verschaffte ihnen den notwendigen Raum zum Handeln.

„Raus aus dem Fenster!“, befahl Gerion der Ritterin. „Der Zauber wird nicht lange halten.“

Diese hatte sich bereits dem Fenster zugewandt und es mit einem heftigen Ruck aufgerissen. „Schon dabei!“ war die knappe Antwort der Ritterin während sie geschmeidig durch die Öffnung in die dunkle Gasse glitt. Der Edle von Keres folgte ihr stehenden Fußes. Außen wendeten sie sich leise, aber zügig in Richtung Vordereingang um zu den Anderen aufzuschließen. Kain sorgte – mit einigen Pfeilen in die Fensterläden - dafür, dass ihnen so schnell niemand folgte.

„Är verliert zu viel Blut!“ Kor’win, der in der Seitengasse gewartet und Al’arik geholfen hatte, den nun schon fast bewusstlosen Krieger abzulegen untersuchte diesen nun. „Und wird äs so nicht schaffen.“

Entschlossen blickte er Al’arik an. „Findäst Du dän Weg zur altän Melva zurick? Wenn ja, aile Dich! Sie wird sich um Ri’djeto kimmern.“

Al’Arik nickte nur kurz entschlossen und machte sich dann auf. „Wir treffen uns beim Versteck.“, sprach er noch auf Nebachotisch ehe er sich seinen blutenden Gefolgsmann über die Schulter warf und in der Dunkelheit der Gasse verschwand.




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Texte der Hauptreihe:
K99. Politik
Pra 1034 BF
Im Bluthai III
Im Bluthai II


Kapitel 48

Rede wider Willen I