Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 49: Der Tod kommt Nachts II
Dramatis personae:
- Kor’win von Brendiltal, Jäger
- Kain aus Brendiltal, Ziehsohn Korwins
- Al'Arik han Kur'barun, Edler zu Feshaven
- Nedarna von Trollsteige, Reshminianerin
- Gerion von Keres, Magier aus Garetien
Markgrafschaft Perricum, Ein Hain, Praios 1034 BF
...
Mit einem Mal begriff Al’Arik. Natürlich es waren gar nicht die Verfolger gewesen. Sonst wären sie vermutlich alle tot. Es war diese Trollsteige. Aber wieso? Steckte sie gar mit den Schmugglern unter einer Decke? Hatte sie ihr Werk nur noch nicht vollendet? Wie dem auch war. Der Edle wendete sich nun auch gegen die Ritterin und richtete sein Säbel auf sie, ließ aber dem jungen Jäger in seiner Wut gewähren, er sollte seine Rache haben, er würde nur einschreiten, wenn die Ritterin dem blindlinksschlagenden Kain über sein sollte.
Gerion sprang auf. Jetzt wurde es ernst. War Nedarna die Mörderin? Kain schien es ohne Zweifel zu glauben. Auch Al’Arik sah danach aus. Er konnte es sich allerdings nicht wirklich vorstellen.
„Kain! Warte!“, rief er ihn im vergeblichen Versuch an ihn aufzuhalten Nedarna anzuspringen. Doch die Ritterin behielt kühlen Kopf und konnte auf die Angriffe des Nebachoten reagieren. Gerion hielt sich vorerst heraus. Sollte er sie überwältigen, würde er einschreiten. Ob sie nun eine Mörderin war oder nicht – in beiden Fällen bräuchten sie sie lebend. Al’Arik behielt er ebenso im Auge.
Nedarna wollte etwas erwidern und Kain klar machen, welchen Unsinn er da sprach, doch ließ er es dazu einfach nicht kommen. Überrascht von der Heftigkeit Kains Angriffs war die Reshminianerin zunächst völlig damit beschäftigt keinen körperlichen Schaden davon zutragen. Immer wieder und völlig außer sich schlug Kain, ohne Rücksicht auf die eigene Person auf sie ein. Dabei konnte sie kaum verhindern, dass er sie mehrmals erwischte. Versuchte sie zunächst noch seinen Angriffen auszuweichen und ihm keinen Schaden zuzufügen, musste sie schließlich einsehen, dass dies nicht fruchten würde. Ihre Worte erreichten ihn nicht. Die Ritterin erkannte seinen Kummer, hatte sie ihn doch selbst durchlebt. Und so überließ sie sich ihrer Erfahrung, reagierte bisweilen rein intuitiv auf seine Attacken, wobei die Überraschung, die sich ihrer bemächtigt hatte vollends verdrängt wurde. Verzweiflung wich nun der kühlen Konzentration des Kampfes, so dass es ihr schließlich gelang den eigenen Ellenbogen gegen Kains Schläfe krachen zu lassen, woraufhin dieser etwas benommen zu Boden ging.
Schwer atmend stand die Ritterin über ihm. Stoßweise kam ihr Atem, während sie abstritt auch nur das Geringste mit Kor’wins Tod zu tun zu haben. Ihren Worten war der Stolz auf die Rittertugenden, die sie hochhielt und die Feigheit eines solchen Angriffes zu entnehmen. Auch deutete sie an, dass sie Kor’win durchaus zu schätzen gewusst hatte und die Chance verwertbare Spuren aufzufinden durch Kains unüberlegte Handlung unwiederbringlich verloren war.
Kain jedoch schüttelte nur den Kopf um die Benommenheit abzustreifen und blickte die Trollsteigerin voller Hass vom Boden aus an. Ihre Worte drangen überhaupt nicht bis zu ihm durch. Knurrend sprang er auf, zögerte dann jedoch. Wie ein gehetztes Tier blickte er sich um, drehte sich abrupt um und sprang in den Sattel seines Pferdes. Brutal stieß er diesem die Fersen in die Seite und preschte mit einem lauten Schrei davon. „ISCH SCHWERE DIR RACHÄ!!!“
Traurig den Kopf schüttelnd blickte Nedarna ihm hinterher. Ihre anschließenden Worte richtete sie an Al’Arik, wobei sie diesem fest in die Augen sah: „Edler von Feshaven, wir waren in der Vergangenheit einander nicht freundschaftlich zugetan. Und ich verstehe, dass Ihr in mir die Mörderin des edlen Kor’wins seht. Doch ich schwöre, im Namen meines Vaters, der ehrenvoll bei der Verteidigung seiner Heimat starb, dass ich den edlen Jäger nicht getötet habe.“ Ihre Stimme spiegelte den Respekt, den sie gegenüber dem Verblichenen empfand, und den Stolz, ob ihrer Familienehre, wieder. „Ich bitte Euch, leitet uns an, auf dass wir dem Edlen Kor’win von Brendiltal, dem die ihm gebührende letzte Ehre erweisen können. Anschließend werden wir uns auf die Jagd nach dem elenden Hurensohn von einem Mörder begeben können. Der Name von Trollsteige wird nicht mit einem hinterhältigen, feigen Mord beschmutzt werden.“ Die letzten Worte knurrte sie förmlich, wobei ihre blauen Augen wütend blitzten.
Al’Arik musterte die blutbeschmierte Ritterin sehr eindringlich, so dass sein Blick ihr, wie es ihm schien, schon unangenehm wurde, entschlossen stand er vor ihr, den Säbel erhoben. „Ritterin, ja’h äs siäht ni’cht guät für äuch ausz, a’llesz spriächt gägän äuch, abär soä i’hr dänn bärait said miär äurä Wa’ffän szu’überantwortän, bin iäch bärait äuch bis szu diä Lagär där Räshminianär szu gälaitän, sollän siä entschaidän was mit‘h äuch gäschijd. Dän Laichnam wärdä iäch übärnähmän, är wird vom Lagär nach Brändil’tal gäbracht wärdän.“ Bei den ersten Sätzen grinste Al’Arik leicht unverschämt, er genoss seinen Vorteil gegenüber der Raulschen. Bei den letzten Worten allerdings wurden seine Gesichtszüge wieder so hart wie eh, diese begleiteten dann auch seinen folgenden Satz: „Dasz wirk’lich dummä iszt, dasz nuän Kor’win toth uänd Kain übär allä Bärgä iszt. Uänd diä baidän ha’tän alsz ainzigä allä In’formationän.“ Dann spuckte er aus.
Seine Worte und sein unverschämtes Grinsen trafen sie bis ins Mark. Hatte sie doch versucht einen Schritt auf ihn zuzugehen. Nedarna wusste wie die Dinge um sie standen, aber demütigen würde er sie nicht. Ihre Waffen, in seine Hände... das ging zu weit. Allen anderen hätte sie ihre Klingen überantwortet, aber nicht diesem arroganten nebachotischen Krieger. Ihre Augen verengten sich und ihr Haupt war stolz erhoben als sie ihm festen Blickes antwortete: „Edler von Feshaven, Euer Angebot mir Geleit – und als solches betrachte ich es – zu geben, ehrt Euch. Ich bin bereit mich zu meinem Orden zu begeben. Soll dort über mich gerichtet werden. Was meine Waffen angeht, so sollen sie während der Reise bei dem ruhen, dem sie den Tod brachten. Ich selbst werde sie unter Euren Augen und denen des Edlen Gerions dazulegen.“
„Das ist eine adäquate Lösung“, sprach Gerion, noch bevor Al’Arik antworten konnte und sah den Nebachoten eindringlich an. „Damit können wir leben. Und wir dürfen nicht mehr Zeit verschwenden. Wir müssen so schnell wie möglich nach Wasserburg. Praios zum Dank wissen wir zumindest, daß dort der nächste Überfall stattfinden wird. Helft mir den Leichnam auf das Pferd zu heben!“ Sogleich schritt Gerion zur Tat, so daß die anderen ihm schwerlich wiedersprechen konnten.
Al’Arik nickte kurz und grimmig, übergab das Pferd seines Kriegers widerwillig an Gerion und machte sich selbst daran den Leichnam des alten Kor’win so gut es die Gegebenheiten zuließen nach traditioneller, nebachotischer Art auf dessen Pferd aufzubahren. Dabei bemerkte er wie warm dieser noch war, was für ihn auch deutlich gegen Nedarna sprach. Sicher war er sich dennoch nicht ...
Anschließend verstaute Nedarna mit wenigen Handgriffen ihre Waffen in den Satteltaschen am Pferd, das auch Kor’win trug. Dabei achtete sie auf ein respektvolles Verhalten.
Kurze Zeit später ritten sie los gen Lager der Reshminianer.