Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 51: Spielende Kinder I
Dramatis personae:
- Lyn ni Niamad von Brendiltal, Baroness von Brendiltal
- Rash'ijd han Rab'a Enock (Rashid von Rabenstock), Krieger der Feshavener Blutgarde
- Bruder Thurbold, Golgarit aus Brendiltal
Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF
Nachdem die nächtliche Patrouillie so ereignislos verlaufen war, führte Lyns Gang nach dem Eintreffen auf der Burg und ihrem Gespräch mit Leomara sie zuerst zum Sattler. Gereizt und schlecht gelaunt erklärte sie ihm, an welchen Stellen ihre Lederrüstung erweitert werden musste, damit sie sie nicht mehr einengte.
Um für die nächste Nacht ausreichend wach zu sein, legte sie sich dann am späten Vormittag zur Ruhe. Sie schlief sehr schlecht, da das Kind in ihrem Leib sie traktierte und sie mehr als einmal von einem unerwarteten Tritt in die Nieren aufschrak. Während sie schlief driftete ihr Unterbewusstsein zurück zu den Ereignissen der Nacht und als ein erneuter Tritt, diesmal eigenartiger Weise auf der entgegengesetzten Seite sie hochschrecken lies, war sie mit einem Male hellwach.
Mittlerweile war es schon nach der Mittagsstunde und schnell stand sie auf. Statt in Rüstung mit einer Tunika bekleidet suchte sie Thurbold und Rash’ijd auf, um mit ihnen noch einmal über die Ereignisse der letzten Nacht zu reden. Sie fand den Nebachoten im Innenhof der Burg und ging mit ihm gemeinsam zu dem Golgariten, den sie auch in seiner Unterbringung auffanden. Da Lyn sich jetzt vor allem über sich selbst und ihre Unachtsamkeit am Morgen ärgerte, hatte sie denkbar schlechte Laune und kam recht schnell zum Punkt.
„Erinnert ihr Euch an die spielenden Kinder heute Morgen? Ich habe vorher keinen weiteren Gedanken darüber verschwendet, aber bei den Göttern, woher hatten sie die Umhänge? Ich glaube kaum, dass ihre Eltern sie ihnen gegeben haben… Ich meine… Vielleicht irre ich mich auch, aber diese sogenannten ‚Totenzüge‘ sollen doch auch von ‚schwarzen Gestalten‘ begleitet werden. Ob es hier einen Zusammenhang gibt?“ Sie blickte leicht herausfordernd zu den beiden Männern, fast schien es als mache sie ihnen Vorwürfe, dass ihnen der Gedanke nicht gekommen war.
Es traf Rash’ijd wie ein Blitz. Natürlich, diese Kinder waren ihm auch aufgefallen und einen Moment lang hatte er sich auch gewundert, aber die Müdigkeit am Morgen hatte ihm die Aufmerksamkeit geraubt und so hatte er sich nichts weiter dabei gedacht, doch jetzt schien es ihm so offensichtlich. Fast reumütig nickte er und leicht verlegen sprach er: „Wyä wahrr, wyr solltän diesä Kyn’där sofforth aufsuchän, ych maa’chä mych bäraith. Wyr träffän ounsz iehm Hoff, Mar’olum.“
Vom Hof aus ging es dann eilig wieder in Richtung der Stelle wo sie die Kinder noch heute in der Früh hatten spielen sehen. Man hatte sich nicht mehr bemüht noch weitere Mitstreiter zu finden, da sie ohnehin schon zu viel Zeit verloren hatten und vielleicht auch ihren „Fehler“ nur ungern vor den anderen eingestehen wollten. Und so hofften sie die Kinder noch dort oder in der Nähe aufzufinden und man ritt in gutem Tempo.
Als sie den Ort, in der Nähe eines kleinen Weilers, erreicht hatten waren die Kinder von heute Morgen, zum Ärger der Drei, nicht mehr dort. Daher entschlossen sie sich kurzerhand, nach den Jungen und Mädchen zu suchen. „Wenn ich mich recht erinnere, handelte es sich um Kinder aus sehr einfachen Verhältnissen. Bauern, oder Knechte würde ich vermuten.“
Die beiden Männer stimmten der Baroness zu, so dass sie sich daran machten die Umgebung zu erkundigen. Nach einiger Zeit konnten sie unter den Bauern auf den Feldern auch einige Kinder ausmachen, denen sich langsam und offen näherten. Raulsche und Nebachoten ging es dem Golgariten durch den Kopf, der aber ansonsten nur schwieg und das Reden den anderen überließ.
Als die Kinder der drei Bewaffneten gewahr wurden, wurden sie unruhig und redeten aufgeregt durcheinander. Die Jüngsten, nach Einschätzung Lyns wohl in Caihyns Alter, liefen schnell hinüber zu ihren Eltern, die auf der anderen Seite des Feldes arbeiteten. Die Größeren stellten sich schützend vor die anderen und beobachteten mit großen Augen die drei Reiter, manche ängstlich, andere herausfordernd trotzig.
Ungeduldig rief Lyn als sie nahe heran waren in die Runde „Hey, ihr da. Habt ihr heute Morgen dort an dem Weiler gespielt?“ Sie deutete mit ihrer Hand vage in die Richtung.
Die älteren Kinder die stehen geblieben waren, schauten sich unsicher gegenseitig an. Bis der größte unter ihnen sich ein Herz faste und beinahe aufmüpfig, aber mit einem zitternden Unterton der Baroness entgegnete: „Und wär will dahs wissän?“ Dabei stemmte er nun ganz selbstbewusst die Fäuste in die Hüften, da er bemerkt hatte, dass nun auch die Älteren und Eltern - in den Händen ihr Handwerkszeug mitführend - heran waren.
Rash’ijd wollte den kleinen Nebachoten gerade etwas entgegnen, als die rothaarige, in Leder gerüstete Lyn hoch zu Ross selbst das Wort ergriff, flankiert von den beiden dunklen, stummen Kriegern.
Übermüdet und gereizt realisierte Lyn gar nicht, dass sie auf die Kinder mehr als bedrohlich wirken musste und so entgegnete sie mit lauter, befehlsgewohnter Stimme „Lyn ni Niamad von Brendiltal, Baroness von Brendiltal und S’aratana a’Athin han Besh'Aramal. (Vögtin von Besh Aramal)“ Bei den letzten Worten klang ihr Nebachotisch klar und deutlich. „Und jetzt beantworte mir meine Frage!“ streng blickte sie den Jungen an und ließ offen, was ihm im Falle von Nichtgehorchen drohte.
Rash’ijd schmunzelte leicht in sich hinein, erinnerte ihn die fremdländische Baroness doch grad sehr an seinen Herren Al’Arik, wenn dieser aufbrausend wurde. Nur das dieser nicht damit hinter dem Zaun gehalten hätte was im Falle des Nichtgehorchens passieren würde. Thurbold, ganz Golgarit, verzog keine Miene und schaute recht gleichmütig wirkend in die Runde.
Der Junge, nun völlig still, und auch die herangestürmten Erwachsenen, die eben noch bereit gewesen waren ihre Kinder um jeden Preis zu schützen, blickten mit einer Mischung aus Erfurcht, Angst und einem kleinen bisschen unterdrücktem Zorn auf Lyn und ihre Begleiter. Bis ein Mann, Nebachote, den Saum seiner Weste, die sein einiziges Oberbekleidungstsück war, zu recht rückend hervortrat und wie Lyn gewohnt einfach drauflos kauderwelschte: „Nuän, Härrin, ähm, äurä Hochgäborän, ist das richtig? Värszeiht meinä kleinä A’kim, är ist ein sähr tapferä und kämpferischä Burschä, durch sein Härz fließt das wildä, ungästühmä Blut der Näbachotän und deshalb ist är immär ätwas forsch. Was war eurä Fragä? A’kim beantwortä sie där hohän Dame, sie ist einä ächte Mar’olum, aus einäm där höchstän där näbachotischäm Hausä.“
Der Junge, an dem Erde, Staub und Schweiß von der Arbeit auf dem Feld zeugten, schien etwas verwirrt doch nach einem kleinen Stups des Vaters brachte doch, mit nun freundlichem Respekt in der Stimme, eine Antwort heraus: „Ähm…. Ich konntä ja nicht…äurä Haarä, naja, ich…“, kurz sammelte er sich, „…ich, also wir habän heutä Morgän dort drübän schwuarzä Invasion gäspielt, hohä Härrin.“ Dabei deutete er auf sich, einige der anderen Kinder und die Richtung in der der Weiler von heut morgen lag. „Und natirlich habän wir sie abgewährt!“ Legte er noch stolz nach.
„Na also, es geht doch…“ entgegnete Lyn und zeigte dabei fast ein Lächeln. Dann wandte sie sich an den Vater des Jungen „Das Euer Sohn ein tapferer Bursche ist, das glaube ich wohl. Es ist für uns wichtig zu wissen, wo genau er heute Morgen gespielt hat und wo er und seine Freunde die Umhänge gefunden haben, mit denen sie sich verkleidet haben. Ihr könnt ihn hier sicher kurz entbehren auf dass er uns dies zeigen möge.“ Die Worte waren eindeutig nicht als Frage formuliert und sie schaute den Mann eindringlich an.
Dieser nickte, lächelte und sprach: „Sichär, sichär, nähmt ihn ruhig mit, dann hat’är seinän Freindän was szu ärzählän, euär Hochgeborän, alleärdings währdet Ihr auch sichär das Härz eines Vaters verstehän und mich daher äbenfalls mitnehmen, richtig?“
Unwirsch nickte sie dem Mann noch einmal zu, dann richtete sich ihr Blick auf den Jungen „Dann kommt!“ in ihrer Stimme schwang Ungeduld gemischt mit Tatendrang. Dann wandte sie ihr Pferd in die Richtung des Weilers.
Rash’ijd bat dem kleinen Nebachoten einen Platz auf seinem Pferd an, woraufhin dieser ganz große Augen bekam und recht unbeholfen aufstieg. Rash’ijd warf dem Vater darauf einen fast schon tadelnden Blick zu. Für den Vater blieb damit auch nur noch die Möglichkeit, sich hinter den Golgariten aufs Pferd zu setzen. Voller Unbehagen starrte er daraufhin den schweigsamen Kämpfer an, gab sich aber dann doch einen Ruck, als Thurbold ihm etwas Platz machte und damit andeutete hinter ihm aufs Pferd zu kommen. Dann ritten sie in Richtung Weiler.
Nicht nur der Junge würde etwas zu berichten haben. Auch der Vater… Saß er doch direkt bei einem der legendären Golgariten, jene, die dafür Sorge trugen, dass die Seelen der Toten von Golgari gefunden und damit zu den Göttern gebracht wurden, damit sie wieder neu geboren werden konnten. Bei den Göttern…
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