Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 58: Burg Friedburg I

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Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF


Die Reiterschar hatte nach anfänglichen Problemen am Stadttor endlich dieses passiert und den Weg zur Friedburg angetreten. Die Prozession, die einige Fackeln mit sich führte, ritt hinauf zum Burgberg. Die Nacht war längst hereingebrochen und brachte mit sich Linderung von der Hitze des Tages. Angeführt wurde ihre Gruppe von Malina von Niederriet-Brendiltal und dem Magister Gerion von Keres. Man hatte sie bereits gesehen und erneut mussten sie die leidige Befragung über sich ergehen lassen, was ihr Begehr sei. Inzwischen war der Ton der Feldrittmeisterin deutlich schärfer geworden. Scheinbar waren die Vorkommnisse der letzten Tage und auch die ungeklärte Schuldfrage an dem Mord nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Während sie sich mit den Torwachen austauschte, hingen ihre Begleiter scheinbar ihren eigenen Gedanken nach und wirkten allesamt nach dem Gewaltritt ein wenig müde.

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'Wenigstens haben wir den Leichnam nicht mehr bei uns!', dachte die junge Ilayida von Zarren bei sich in Anbetracht der pflichtbewussten Torwachen. Sie war froh, endlich den toten Jäger Korwin nicht mehr in ihrem Tross zu wissen. Die Rittmeisterin hatte doch allen Ernstes gemeinsam mit dem Boroni der Ihnen bereits mit einem Fuhrwerk entgegen gekommen war, noch einen Blick auf den Leichnam geworfen. Schauerlich! Sie wendete ihren Blick von der Anführerin ab und ließ ihn über die Gruppe schweifen wo er auf dem drahtigen Nebachoten aus Brendiltal hängen blieb.

Wenigstens hatte Al Arik, dieser aufgeblasene Kerl, von da an Ruhe gegeben. Einer ihrer Bundesgenossen An’alair han Beshir‘a Danal han Bahr ai Danal, Krieger aus der Sippe der Bahr ai Danal, hatte die Order erhalten den Zug zu geleiten. Ihr Blick wanderte wieder auf die Hohe Dame von Trollsteige. Wie ein Schatten hielt sie sich immer in der Nähe dieser stillen Ritterin, der zur Last gelegt wurde, den alten erfahrenen Jäger umgebracht zu haben. Sicher würde man sie hier im Kerker inhaftieren, bis ein Richtspruch gefallen war.

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Kaum war geklärt wer und warum hier so spät am Abend Einlass verlangte, wurde die Mannpforte, und schließlich auch das Tor geöffnet. Laut hallten die Hufe in der Stille des Gemäuers wieder, und sie konnten sehen, wie einige Lichter entzündet wurden in der lauen, wenn auch gerade auffrischenden Sommernacht. Rege Betriebsamkeit brach alsbald aus bei den Dienern und Knechten der Friedburg. Es galt zahlreichen Herrschaften bei den Pferden behilflich zu sein, und zu klären wo und ob man Übernachtungsmöglichkeiten schaffen konnte. Leomir von Bügenhobel, der Älteste unter den aktiven Reshminianern, hob seinen Blick empor, da ein Rauschen in der Luft seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.

Wolkenfetzen zogen rasch am Madamal vorüber und ließen es mal hell erstrahlen, dann wieder verdunkelten sie es, und die Schatten schienen im Burghof die Oberhand zu gewinnen. Ein Wetterumschwung lag in der Luft, so konnte man meinen. Schrille Schreie von Käuzchen, die sich gegenseitig eine Nachricht zuriefen, machten die Szenerie noch unwirklicher. Eine Familie scheinbar, die in ihren nächtlichen Ausflügen mit ihrer Brut gestört worden war und nun empört mit fast lautlosen Flügelschlag aber umso lauterer Kehle ihrem Unmut Ausdruck verlieh, bevor sie sich majestätisch in die Höhe schraubten und geradewegs auf den Turm zu hielten, den sie laut rufend umflogen und schließlich in der Nacht verschwanden. Ob sie ihr Ziel und ihre Beute für heute finden würden? Ob es Ihnen vergönnt sein würde erfolgreich zu sein. Die Götter allein wussten das!

Jobdan Mohrl und Pieno Caravita waren in der Burg zurückgeblieben um der hiesige Herrschaft bei den Erkundigungen und der Spurensuche über das Ungeheuer zu helfen, während ihr Herr nach Perricum unterwegs war, doch waren sie nicht sehr erfolgreich gewesen. Vor kurzem erst, waren sie mit Leomara von Keilholtz in der Burg angekommen und hatten ein wenig Zeit sich zu erholen, als sie die Ankunft der Reiter bemerkten und in den Hof hinauseilten.

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Energisch trieb Malina, kaum dass das Tor weit geöffnet war, ihre Stute voran. Sie brodelte inzwischen vor Unmut über die Lage. Eine Reshminianerin, die eine solche Tat begangen hatte, könnte wahrlich ein frühes Ende ihres Bundes bedeuten, sollte sich bewahrheiten, was ihr zur Last gelegt wurde. Wie schon so oft während des gemeinsamen Rittes wanderte ihr Blick zur jungen Rittfrau. Sie wirkte gesammelt, und in sich gekehrt. Um ihre Augen lag allerdings ein grimmiger Ausdruck.

Ein ältlicher, alter Mann in Pantoffeln und einem Morgenrock angetan kam auf einen Stock gestützt in den Burghof und orientierte sich noch auf den Stufen stehend, wen er von den Herrschaften wohl ansprechen sollte. Müde ließ sich die blonde Frau aus dem Sattel gleiten und begab sich geradewegs zu dem kleinen Männlein.

„Die Götter zum Gruße, Rondra voran! Malina von Niederriet-Brendiltal…“ die Rittfrau neigte das Haupt vor dem Mann, der sie mit milchigen Augen anblickte und ihr Wappen musterte. „Ich muss trotzt der späten Stunde unbedingt mit Hochgeboren Geshla von Gnitzenkuhl und ihrer Ritterin Leomara von Isenbrunn sprechen. Es geht um die Umtriebe auf und um den Darpat, wir haben dringende Neuigkeiten.“

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Lyn ni Niamad hatte sich zwar schon in ihr Zimmer zurück gezogen, sich aber noch nicht zu Bett begeben. Durch das offene Fenster vermeinte sie die Stimme ihrer Schwägerin zu vernehmen und stutzte. Ein Blick in den Burghof bestätigte ihren Verdacht und sie konnte ebenso die Stimme Al’Ariks vernehmen. Daraufhin verließ sie zügig ihr Zimmer und ließ durch einen Bediensteten auch Rash‘ijd und Thurbold informieren. Dann eilte sie in Richtung des Thronsaals, wo Leomara vermutlich die Neuankömmlinge begrüßen würde.

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Gerion folgte mit Al’Arik und der Rittmeisterin dem alten Herrn, der sie zu Leomara von Keilhotz brachte – die Baronin selbst war nicht zugegen.

„Wir haben interessante Neuigkeiten zu berichten“, begann Gerion sogleich im selbstbewußten Ton – so als ob es völlig selbstverständlich wäre, zu sprechen – noch bevor jemand anderes zu Wort kam. „Wir wissen, wo und wann das Ungeheuer das nächste Mal zuschlagen wird.“

Al’Arik warf dem Garetier einen geharnischten Blick zu, hatte er doch sprechen sollen und nicht dieser Auswärtige. Aber er beließ es bei dem Blick, für solcherlei Streitigkeiten war jetzt nicht der Augenblick. Mit einem kurzen, unauffälligen Zeichen begrüßte er seinen gerade im Hof ankommenden Krieger Rash’ijd, der sich pflichtbewusst an Al’Ariks Seite stellte und unauffällig den Thronsaal nach dem zweiten Gefolgmanns Al’Ariks absuchte ihn aber nicht fand.

„Was? Wo?“, war Leomaras erstaunte Frage auf Gerions Ausführungen. Ihr Haar wirkte ziemlich unordentlich und auch der Rest der Kleidung verriet, dass sie es wohl eilig gehabt hatte in den Thronsaal zu gelangen. Sie stand vor dem Sitz der Baronin, und lauschte aufmerksam. Interessiert trat nun auch Alfred Beradje, Leutnant des Zornesordens hinzu. Der Mann hatte sich nur schnell ein paar Kleidungsstücke und den Wappenrock des Ordens übergezogen und den Kusliker Säbel gegürtet. Grüblerisch blickte er zu dem Mann, den er zwar als horasischengekleideten Magus erkannte, ihm jedoch noch nicht persönlich begegnet war.

„Wir haben herausgefunden, dass eine Gruppe Schmuggler dieses Wesen kontrolliert und vor hat bei Wasserburg morgen Abend einen erneuten Überfall zu starten. Kor’win und Kain, die beiden Nebachoten aus Brendiltal, haben noch mehr herausgefunden, doch konnten sie uns ihr Wissen leider nicht mehr mitteilen. Wir mussten überstürzt aus Perricum – nun sagen wir – abreisen und als wir uns für die Nacht ein Lager suchten, wurde Kor’win während des Schlafes gemeuchelt und es deutet bisher alles darauf hin, dass Nedarna von Trollsteige die Mörderin ist.“

Leomaras Gesicht zeigte Unglauben. „Seid Ihr da sicher?“ Sie fasste kurz nach Unswins Hand. Der Jäger war ihr zwar nie so ganz vertraut geworden, doch dieses Ende war absolut unwürdig für ihn und eine wohlvertraute Wut begann sich in ihr zu formen, und ihr Kraft zu geben, trotz der wenigen Erholungspausen, die ihr heute vergönnt gewesen waren. Von diesem ließ sich Alfred auch schnell über die Person Gerion in Kenntnis setzen.

Ritter Unswin von Keilholtz erwiderte mit leichtem Druck die Geste seiner Frau bevor er seinen Vorgesetzten kurz informierte. Auch er schien durch die Ankunft der Edlen aus dem Bett geholt worden zu sein, schaffte es aber sowohl Müdigkeit als auch Gefühle hinter der Maske seiner schweren Narben zu verbergen. Der entstellte Ordensritter hatte den alten Jäger Kor’win vor über einem Götterlauf bei der ersten Suche nach dem mysteriösen Untier kennengelernt. Für einen Nebachoten war dieser immer sehr vernünftig gewesen und hatte sich mit seinem fundierten Wissen schnell den Respekt des jungen Greifenfurters verdient gehabt.

Ein ungläubiger Ausdruck trat auf Lyns Gesicht und ein fragender Blick ging zu Malina. Sie würde sich dringend mit ihrer Schwägerin unterhalten müssen. Vor allem war der Tod Kor’wins ein herber Verlust für das Unterfangen und wenn sich der Verdacht bezüglich Nedarna bestätigen sollte, dann nicht nur dafür.

„Nun, der Nebachote wurde mit ihrem Dolch getötet und die Ritterin war eben über dem Leichnam gebeugt, als ich aufwachte und sie bemerkte. Es ist unwahrscheinlich, daß sich jemand in unser Lager geschlichen hat, nur um einen von uns zu töten. Kain ist aus Wut und Trauer davongeritten. Das alles fand heute Morgen statt.

Was nun mit Nedarna geschieht liegt in der Verantwortung desjenigen, der über sie zu richten hat, doch würde ich demjenigen empfehlen einen Praiospriester hinzuzuziehen, der in der Lage ist, in dieser Sache die Wahrheit herauszufinden, ob Nedarna auch wirklich eine Mörderin ist, oder ob sie unschuldig ist, wie sie behauptet. Selbstverständlich stehen wir“, und Gerion schloss einer Geste Al’Arik ein, „jederzeit zur Verfügung um die Wahrheit ans Licht zu bringen.“

Dieser warf dem Magier einen abfälligen Blick zu und massierte dabei fest eine seiner frischen Wunden bevor er die Stimme erhob: „Diä Aus’führungän däs Maggusz sind schohn gansz richteg sowait, vergasz är nuhr szu ärwähn’n dasz Kain, där Sziehsohn Kor’wins, diä Rittärin von Troll’staighä szofort als diä Mördärin sah und dasz siä diä Wachä szu där Szait däs Mordäs hattä. Allärdingsz (und mit dieser Ausführung übberraschte sich Al’Arik ein wenig selbst, was aber eher seiner taktischen Korrektheit zu zusprechen war als irgendeinem Mitleid) habän wir in Pärricum-Sta’dt ärläbt, dasz diäsä szogenanntä Schmugglärbandä mit äußärstän Mittäln und Härtä szu Wägä gähän und ihn’än diä Wägä däs Trugsz und där Liszt niecht färn sind. Szo habän sziä sich selbst andärä Gröszän däs Gäschäfts szum Faind gämacht und habän dabai däsöftärän diä Wägä däs Härrn Fäqz värlassän. Auch habän siä wohl gutä Kontaktä szu ainigän ausz där bässärn Gäsällschaft in Pärricum-Stadt, szo konntän wir doch ainigäs Gold an dän Fingärn ihrär Kundän ärspähän. Nichtsz’dästotrotsz plädierä ich für diä Arrästiärungh där Rittärin von Troll’staighä, bisz auf waitäräs.“

Inzwischen waren Leomaras Hände wieder frei, scheinbar waren die Worte des Nebachoten irgendwie … aufwühlend, zumindest schien sie irgendwie den Eindruck zu erwecken, als ob sie sorgfältig abwägen müsste was zu sagen sei - doch sie atmete nur tief durch und senkte den Blick, scheinbar bemüht erst alle zu Wort kommen zu lassen.

„Wenn ich mich recht entsinne, so war Kor’win ein Verwandter des Barons von Brendiltal“, meldete sich Unswin gleich zu Wort. „Allein um sämtlichen möglichen Missverständnissen und Misstönen zwischen den Völkern einen Riegel vorzuschieben, sollten wir uns darum bemühen die Schuld oder Unschuld von Ritterin Nedarna eindeutig festzustellen. Ich unterstütze daher die Entscheidung einen Priester des Götterfürsten hinzuzuziehen und Herrn Praios um ein Urteil zu bitten. Desweiteren sollte man einen Boten gen Brendiltal schicken um seiner Hochgeboren die Lage sachlich darzulegen. Ich kann mir vorstellen, dass der Bericht Kains wenig objektiv sein dürfte wenn er seinen Herrn erreicht.“ Der junge Zornesritter war sich der erstaunten Blicke sowohl seiner Frau als auch seines Vorgesetzten bewusst. Auf die Nebachoten und ihre Gefühlswelt Rücksicht zu nehmen, war ein Zug den beide bis dato nicht von ihm gekannt oder erwartet hätten.

Al’Arik ließ dem Gesagten einen lauten zustimmenden Ausruf folgen und fügte noch kurz hinzu, dass die Leiche Kor’wins schon mit einem Kurzbericht der Dinge von ihm unterwegs nach Brendiltal sei, ein längerer Bericht aber sicher von Nöten wäre. Später.

Lyn schaute nachdenklich zu Nedarna. Die Ritterin erschien ihr nicht als jemand, der einen feigen Mord planen und dann leugnen würde. Nein, wenn sie jemanden hätte töten wollen, dann sicher im offenen Kampf und nicht im Schlaf



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Texte der Hauptreihe:
K99. Politik
Pra 1034 BF
Burg Friedburg I
Ungewisses Warten II


Kapitel 63

Burg Friedburg II
Autor: Jan, Lyn, NR, CK, RO, Balrik, Nedarna