Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 60: Burg Friedburg III
Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF
...
So sehr sie es hasste dem Leutnant Recht zu geben, konnte Lyn nicht umhin seinen Worten bezüglich der Pferde Beachtung zu schenken. Sie seufzte, wusste sie, dass sie dadurch frühestens in einem Wassermass aufbrechen würden. Während der Zorneskrieger weitere Worte mit Leomara und danach Gerion wechselte gingen ihre Gedanken zurück zu Nedarna. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie es getan hatte. Sie wusste, wie schwer es war jemanden, der den Tod verdient hatte im Schlaf zu töten und dass sie selbst dazu nicht die Kraft aufgebracht hatte. Und so eine Tat passte nicht zu Nedarna von Trollsteige. Und so nutze sie den Wortwechsel zwischen Leomara und Alfred um die wenigen Schritte zu ihrer Schwägerin zu gehen. Leise flüsterte sie zu ihr „Sag, was hälst Du von der Sache mit ´Kor’wain und Nedarna? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es getan hat. Hast Du einen Zweifel daran oder hälst Du sie für schuldig?“
Malina musste noch kurz schmunzeln, als sie sah, wie die klein gewachsene Leomara sich Al Arik, von Feshaven, dem heißblütigen Nebachoten gegenüber aufführte.
„Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass man einen Grund haben könnte Korwin umzubringen. Diesen Kain … Süßholzraspler und mit Sicherheit kein Kostverächter, stünde da schon eher auf so mancher Liste ganz oben! Ein herber Verlust, und auch ein möglicher Prüfstein für unseren Bund. Mir schmeckt das Ganze überhaupt nicht. Am besten wir nutzen die verbleibende Zeit um mit der Rittfrau ein paar Worte zu wechseln. Um das geltende Recht nicht zu beugen, sollte man einen der Ordensleute dazu bitten, sie garantieren dafür, dass keine Absprachen getroffen werden. Wer ist wohl geeigneter? Unswin von Keilholtz oder der Leutnant?“
Lyn sah ihre Schwägerin stirnrunzelnd an. Immer noch sehr leise, so dass für die Umstehenden nur ein Gemurmel zu hören war, sprach sie zu Malina. Das dies gegenüber den anderen Anwesenden recht unhöflich war, war ihr durchaus bewusst, doch kümmerte es sie nicht im Geringsten. „Nun, Nedarna von Trollsteige wird zur Last gelegt, einen Verwandten meines Mannes getötet zu haben. Wenn ich mit ihr spreche und ich von ihrer Unschuld überzeugt bin, werde ich für sie bürgen. Ich brauche keinen Rondrianer der meine Worte bezeugt. Wer mir nicht glaubt, kann das gerne mit mir aushandeln. Schließlich ist es eine Familienangelegenheit und wenn ich mich täusche, werde ich mich auch vor Eslam zu verantworten haben.“ Bei diesen Worten fiel ihr auf, dass es ebenso eine Familienangelegenheit für Malina war, wenn sie sich zu der Familie ihres Mannes so zugehörig fühlte wie sie selbst es tat.
Schon am Mienenspiel der blonden Frau war zu bemerken, dass sie die Ansicht Lyns nicht teilte. Ebenso leise wie zuvor ihre Schwägerin antwortete die Rittmeisterin des neu gegründeten All Perricumer Waffenbundes.
„Ich glaube nicht, dass wir an dieser Stelle vorschnell Partei ergreifen sollten. Wenn es die kleine Keilholtz da schafft, dass unser Brendiltaler Nebachote die Rösser des hiesigen Sippenführers bekommt, wird der sicher auch bald wissen was vorgefallen ist. Mir ist es lieber, sie sicher hier zu wissen, als dass ich nicht weiß, ob wir wirklich geeint im Kampf gegen diese Schurken antreten können in Wasserburg. Wenn Al Arik mit seinen Männern zahlenmäßig ausfällt wiegt das schwerer als wenn es sich nur um die Hohe Dame von Trollsteige handelt.“ Kühl und berechnend brachte sie diese Argumente vor. Hier konnte man deutlich sehen, wie sehr sie die Ausbildung an der Kriegerakademie geprägt hatte.
Lyn schüttelte dem Kopf „Da magst Du vielleicht Recht haben, aber dennoch … Du weißt, vor Gericht ist sie schuldig bis ihre Unschuld bewiesen ist. Und wenn sie unschuldig ist, gibt ihr dies vielleicht die Gelegenheit es zu beweisen. Ich werde mit ihr reden. Und wenn …“ sie betonte das Wort stark „… ich von ihrer Unschuld überzeugt bin, werde ich für sie bürgen. Und wenn sie mich anlügen sollte und ich später erfahre, dass sie für Kor’wins Tod verantwortlich ist, dann mögen die Götter ihr gnädig sein.“ Immer noch waren die Worte leise gesprochen und gingen in den Gesprächfetzen der anderen unter, aber ein gefährliches Blitzen trat in ihre Augen.
Malina, schüttelte den Kopf, und richtete sich etwas auf. "Ich kann kaum dulden, dass sie als Teil der Reshminianer eine andere Behandlung erfährt als andere!" Ihr Ton war ernst und sie blickte Lyn an. "Leomara von Keilholtz muss entscheidenlange was zu tun ist. Wir sind unter ihrem Dach und letzten Endes, ist ihr Vater derjenige der entscheidet in dieser Baronie. Vielleicht sollte man auch Nedarna selbst dazu befragen. Lass uns erst zur Ritterin der Baronin gehen, und sie bitten uns zu geleiten, dann können wir uns gemeinsam ein Bild machen?" Fragend schaute sie ihre Schwägerin an. Lyn verdrehte leicht genervt die Augen. „Selbstverständlich…“
Mittlerweile hatten auch Alfred und Gerion ihr Gespräch beendet und konnten dem Geschehen um sie folgen.
Lyn wandte sie sich an Leomara und sprach sie so an, dass die anderen Anwesenden es durchaus hören konnten. Dabei lag Autorität in ihrer Stimme und sie richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. „Sagt, Leomara, da der Mord ja an einem Mitglied meiner Familie verübt wurde, gestattet ihr mir, mit der Gefangen zu reden? Ich würde gerne hören, was sie dazu zu sagen hat. Und wenn …“ Auch dieses Mal war das Wort mit deutlicher Betonung ausgesprochen „… sie mir unter Eid versichert, nichts mit dem Tod des Vetters meines Schwiegervaters zu tun zu haben, dann möchte ich ihr als Vertreterin der Familie Beshir a Danal die Gelegenheit geben, uns von ihrer Unschuld zu überzeugen und mit mir gemeinsam den feigen Mörder zu suchen.“ Herausfordernd schaute sie Leomara bei den Worten an.
Die Rittfrau rieb sich nachdenklich das Kinn. "Dieser Edle von Feshaven schien mir nicht ... willens zu sein die Ritterin an eurer aller Seite zu wissen. Auch bin ich mir nicht ganz sicher was die Rechtsprechung in diesem Fall vorsieht." Kurz beriet sie sich mit den Zornesrittern um dann zu sagen:
"Leutnant Beradje und ich werden euch begleiten, ihr müsst verstehen, dass dies eine sehr ... besondere Lage ist in einem Landstrich wo sich die Volksgruppen belauern, wo sie doch zusammen wachsen sollten." Ihre Schwägerin hob irritiert die Brauen, da man deutlich heraushören konnte, dass Leomara scheinbar von diesem zusammenwachsen wenig bis gar nichts hielt. Während Unswin sich daran machte, die Abreise vorzubereiten und die Depesche an den Baron auf den Weg zu bringen, folgten Lyn und Malina Leoamara und Alfred in die Kerker der Burg.
Zwei Stunden blieben, bis die Truppe wieder aufbrach. Gerion zog sich während dieser Zeit in ein Zimmer zurück, das man ihm zur Verfügung stellte. Hier konnte er, ohne gestört zu werden, sich um seine Wunde am Arm kümmern. Er zog seine Jacke und das Hemd aus und entfernte den Wundverband, den er provisorisch angelegt hatte. Wundbrand ist nicht ausgebrochen. Er überlegte kurz, ob er einen Heilzauber darauf sprechen sollte, verwarf die Idee aber wieder. Er würde morgen womöglich seine Astralkraft anderweitig benötigen. Es mußte auch so genügen. Anschließend begutachtete er auch seine andere Wunde, die Wunde, die er in der Dämonenschlacht bekommen hatte und nicht heilen wollte. Ein handflächengroßer, schwarzer Fleck verfaulenden Fleisches war an seiner Seite zu sehen. Weder durch Magie noch durch Karmawirken war sie zu heilen. Während der Flucht aus Perricum fürchtete er, die Wunde sei wieder aufgebrochen. Als er sich gestern um seine Armwunde kümmerte, konnte er nur kurz nach der dämonischen Wunde sehen, doch jetzt hatte er genügend Zeit dazu. Die Schmerzen seiner Armwunde waren nichts zum Vergleich der Schmerzen die er durch dieser Wunde hatte. Tag und Nacht, jede Sekunde hatte er dämonische Schmerzen. Ab und zu jagte sie ihm einen heißen Schwall durch den Körper, den er nur mit Mühe unterdrücken konnte. Einen Impuls folgend sprach er doch noch einen Heilzauber auf seine Wunde - nicht die am Arm, sondern auf die an seiner Seite. Kurzzeitig verspürte er Linderung, doch sobald der Zauber endete kamen die Schmerzen wieder. Dann klopfte es an der Tür.
"Wohlgeboren? Die Truppe ist bereit zum Aufbruch", sprach ein Diener.
"Ich komme", war Gerions knappe Antwort und zog sich schnell etwas über.