Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 74: Auf verborgenem Posten V
Auf verborgenem Posten V - Ende der Vorstellung
Baronie Wasserburg, Später Praios 1034 BF
„Sie scheinen sehr vorsichtig und bewandert zu sein“, stellte Unswin sachlich fest. Der Zornesritter hatte seinen Kundschaftergang abbrechen müssen, als er auf die ersten Wachposten der Schmuggler getroffen war. Rondra schien mit ihm zu sein, erhellt sie doch den Himmel einen kurzen Augenblick lang durch einen ihrer Blitze, so dass Unswin die Wache ausmachen konnte, in die er ansonsten sicherlich hineingerannt wäre, jetzt in diesem Augenblick aber das Gesicht von ihm abgewandt hatte. Nur dem Unwetter war es zu verdanken, dass er selbst nicht aufgefallen war. „Wir sind hier zurzeit drei Ritter und ein Knappe.“ Fuhr er weiter sachlich fort. „So wie ich das sehe sind dort unten mindestens drei bis vier Dutzend Schmuggler. Das würde mindestens ein Dutzend für jeden von uns machen…“ Der Zornesritter ließ aus, wie er den Ausgang eines solchen Kampfes einschätzen würde, doch machte seine Mimik klar, dass er dafür bereit war, sollte dies der einzige Weg sein, um den Feind lange genug aufzuhalten, bis die anderen hier sein würden.
„Nicht immer ist der Kampf das Mittel der Wahl,“ stellte der Leutnant ruhig fest. Mit gedämpfter Stimme fragte er kurz nach der Meinung Leomara’s, die mit Nachdruck verlangte näher heran zu gehen. „Gut! Wir werden uns dem Anlandepunkt weiter annähern und versuchen eine gute Position einzunehmen. Euer Knappe soll, wenn wir weit genug heran sind, die Pferde nehmen, sodass wir die letzten Schritte ohne die Tiere vornehmen und doch nahe genug bei ihnen bleiben, ohne dass sie uns behindern. Unswin, Du führst uns an, ich übernehme die Nachhut. Ihr, Leomara, Euer Knappe und die Pferde bleiben in der Mitte, bis wir die Tiere und Euren Knappen zurücklassen!“ Nachdem die Befehle gegeben waren begann nun Alfred seinem Bogen eine Sehne aufzuziehen. An den Packtaschen der Tiere holte er einen Tiegel hervor und bestrich mit der klebrigen Masse darin zwei der Pfeile. Schließlich trat er an Unswin heran, „Hier, nutze etwas von dem Pech, um zwei Pfeile damit zu versehen. Ich weiß nicht, ob es uns helfen wird in dieser feuchten Wetterlage aber ich halte für sinnvoll vorbereitet zu sein.“
„Ich bezweifle, dass wir mit den Pferden auch nur fünzig Schritt näher heran kommen, ohne uns zu verraten. Man sieht keine fünf Schritt und ich habe nur dank Rondras Gnade diesen einen Wachposten entdeckt bevor er mich sehen konnte. Wenn wir vorhaben auf Verstärkung zu warten, sollten wir das besser genau hier tun. Dem Unwetter sei Dank, werden sie unsere Truppen wohl nicht bemerken wenn wir sie hier erwarten. Dann können wir sie mit mehr Leuten überraschen. Immerhin werden die Schmuggler bei diesem Wetter auch Probleme haben ihre Waren vom Schiff an Land zu bekommen, wir sollten also ein wenig Zeit haben.“ Der junge Ordensritter griff nach dem Pechtiegel und präparierte ebenfalls zwei seiner Pfeile nach dem Vorbild Alfreds. Sein Blick glitt zu seiner Frau. In der Dunkelheit gab Leomaras Gesicht nichts preis. Doch Unswin wusste um das Schicksal ihres ersten Gatten und er war sich sicher, dass ihre Gedanken gerade bei diesem weilten. Einen Rondrianer zu heiraten bedeutet immer auch das Schicksal herauszufordern.
Aus Unswins Stimme hörte man das verwegene Lächeln das seine wahren Gefühle überspielen sollte. „Natürlich können wir auch sofort auf uns aufmerksam machen und sie in einen Kampf verwickeln. Wir drei gegen drei Dutzend, das wäre wahrhaft eine erinnerungswürdige Schlacht...“
Schon wieder warten?, schoß es Leomara unwillig durch den Kopf derweil sie ihren Gatten musterte. Sicher würde er ihre wenig begeisterte Miene deuten können. Geduld war keine ihrer Stärken, aber was sollten sie tun? Das Kräfteverhältnis war einfach zu unausgewogen solange noch alle Mann an Land waren. Sie unternahm noch einen zaghaften Versuch, doch etwas Bewegung in die Sache zu bringen.
„Könnten wir nicht wenigstens einen der Brandpfeile etwas weiter entfernt in den Himmel jagen, damit die Leute auf der Dozman ein Zeichen haben?“ Doch die Idee gefiel ihr scheinbar selbst nicht so recht, denn mit schief gelegtem Kopf sprach sie weiter. „Andererseits…“ Sie hasste es untätig hier fest zu sitzen. Aber ob das eine gute Idee wäre? „Andererseits, ist es ein unnötiges Risiko, wenn man bedenkt, dass Kapitän Hakon vermutlich schon in der Nähe sein müsste, um dies überhaupt zu sehen. Am Ende machen wir nur die Schmuggler auf uns aufmerksam.“ Sie seufzte unwirsch und sah verdrossen in den Regen, derweil sie auf Alfreds Urteil wartete.
Das ungute Nagen in ihrem Herzen sperrte sie weg, und Unswin wollte sie jetzt auch nicht allzu lange an sehen. Er war ein Ordensritter, und musste tun, was zu tun war. Ihm jetzt zu sagen, was ihre Übelkeit verursachte wäre egoistisch gewesen, und sicher nicht göttinnengefällig. Er sollte frei sein in seinen Entscheidungen. Unbewusst legte sie ihre Hand auf den Unterleib und versuchte die aufkeimenden Zweifel an dieser Mission zu vertreiben.
Alfred, dem der Blick des Ritters nicht verborgen geblieben war runzelte die Stirn, „Du sagst, wir sind schon so dicht heran, dass wir uns nicht weiter nähern können?“ Eine leichte Verstimmung war in der Stimme des Leutnants zu spüren – eine Stimmlage, die Unswin noch aus der Zeit seiner Knappschaft bei Alfred kannte, die eine ruhige aber bestimmte Zurechtweisung ankündigte. Doch diese blieb hier und jetzt aus. „Gut, dann sollten wir uns so postieren, dass wir drei Dinge gewährleisten können: das Abrücken der Schmuggler bemerken, sehen, wenn die anderen zu uns kommen und sie rechtzeitig auf den Feind hinweisen und selbst die Möglichkeit haben uns abzusetzen, sollte dies notwendig sein. Ist dies hier der beste Platz dafür, Unswin?“
„Das ganz sicher.“ Bestätigend nickte der junge Ritter während er Alfred den Pechtiegel zurückgab. „Die Schmuggler können uns hier ebensowenig sehen wie wir sie. Wind und Regen schlucken nach ein paar Schritt alle Geräusche, der aufgeweichte Untergrund ebenso. Wenn die Verstärkung da ist können wir von hier aus ausschwärmen und den Landungsplatz einkreisen. Dazu kommt, dass Chaantrea die anderen hierher führen wird. Es wäre also nicht gut den Standort zu wechseln, da sie uns sonst verpassen könnten und direkt in die Wachposten der Schmuggler reiten.“ Mit einer unwirschen Handbewegung wischte er sich das stetig aus den Haaren tropfende Wasser aus den Augen, ohne damit großen Erfolg zu erzielen. „Natürlich muss sie dafür bei diesen widrigen Bedingungen diesen Punkt hier genau wiederfinden. Aber ich bin zuversichtlich, dass sie der Aufgabe gewachsen ist.“
Alfred atmete einmal tief durch. „Nun gut. Damit halten wir unsere Position!“
Anschließend blickte Alfred in die kleine Runde, „Die Schmuggler sind also in fast unmittelbarer Entfernung. Ich möchte, dass wir uns etwas aufteilen,“ bei den Worten deutete Alfred nach links und rechts, „um zu verhindern dass die anderen an uns vorbei gehen. Wir werden uns jedoch nicht aus Rufreichweite zu Leomara entfernen. Ihr, Leomara bleibt hier im Zentrum, wo sich auch Euer Knappe und die Pferde aufhalten. Unswin und ich werden die Flanken sichern.“ Er blickte etwas unentschlossen auf die Pechpfeile in seinen Händen. „Da wir uns maximal etwa 20 Schritt von Leomara entfernen werden, sollte es reichen, wenn sie eine – tief gehaltene – Fackel hier hat, um einen etwaigen Warnschuss abzugeben.“ Alfred reichte Leomara die Pfeile, „ich brauch’ Euch sicher nicht zusagen, dass ein solcher Warnschuss auch den Feind auf uns aufmerksam machen wird.“
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