Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 94: Politik
Dramatis personae:
- Rimiona Paligan, Altgräfin von Perricum
- Timor von Alxertis, Berater Rimionas
Baronie Perrinmarschen, Gut Marschenhof, Anfang Efferd 1034 Bf, kurz nach der Ordensverleihung zu Perricum
Der Tag hatte gerade eben erst begonnen. Wie sie es auch früher schon gerne getan hatte, wollte Rimiona Paligan das erste Stundenglas des Tages in Ruhe in ihrem Rosengarten begehen. Einzig das geschäftige Summen der Bienen, die ihr Tagwerk aufnahmen, sollte sie begleiten. Mit einem kunstfertig geflochtenen Weidenkörbchen und einem scharfen Messer in der Rechten bewaffnet, begab sie sich ins Freie.
Süßer Duft, der den Kelchen der geöffneten Rosen entströmte, umfing sie sobald sie den ummauerten Rosengarten betrat und war eine recht Labsal. Tief nahm sie mit geschlossenen Augen den Geruch wahr. Doch plötzlich hörte sie ein Knirschen. Aus der Richtung des Geräusches nahm sie eine Bewegung wahr, und erkannte ihren Berater Timor von Alxertis. Ein unauffälliger aber fähiger Kenner des hiesigen Adels und darüber hinaus ein wacher Geist, der ihr bereits lange Jahre diente, und angenehm zurückhaltend war.
Wie immer näherte sich Timor mit dem nötigen Respekt und wartete, ob Ihre Erlaucht Rimiona schon bereit zu einem Gespräch über den vor ihr liegenden Tag und die daraus resultierenden Angelegenheiten war. Als sie ihm dies durch ein Nicken zu verstehen gab, trat er an sie heran. Aufgrund anderer wichtiger Dinge hatten sie bisher noch nicht viel Gelegenheit gehabt Näheres zu den jüngsten Ehrungen zu besprechen. Doch vielleicht würde sich ja jetzt die Möglichkeit dazu ergeben.
"Ist es nicht ein wunderschöner Morgen? Als ob er der Götterfürst heute wohlwollend sein Auge auf uns richtet, damit der Ruhm der Streiter und ihrer Verdienste nicht in Vergessenheit geraten." Sie zögerte kurz und schaute den Mann nachdenklich an.
"Es würde sicher einigen nicht wohl munden, wenn sie erführen, was die weiteren Nachforschungen und ... Gespräche mit den Gefangenen ergeben haben, oder was meint Ihr?" Sie bedeutete ihm zu folgen, derweil sie damit fort fuhr ihre Rosentöcke zu beschneiden.
Timor lächelte leicht und entgegnete: "Da mögt Ihr wohl Recht haben. Insbesondere der Edle von Feshaven, Al'Arik vo Korbrunn ist nach meiner Einschätzung nicht jemand der sich mit oberflächlichen Antworten abspeisen läßt. Ebenso die Baroness von Brendiltal. Denn auch wenn die Albernierin bereits im Peraine des letzten Götterlaufes ihre Loyalität gezeigt hat, scheint sie mir recht wild und unberechenbar. Jettz wo wir sie alle bei den Ehrungen in Augenschein nehmen konnten, wollt Ihr da jemanden von ihnen ins Vertrauen ziehen und wenn ja, was genau gedenkt eure Erlauchtigkeit denn, ihnen zu berichten?"
Sie warf einen prüfenden Blick auf einige der alten Rosenstöcke, und machte sich eine gedankliche Notiz, dass wohl im kommenden Frühjahr einige ersetzt werden mussten. Wie überall, war alles im Wandel begriffen. Junge kamen und lösten die Alten ab.
"Was? Eine gute Frage. Ich bin mir uneins ob und welcher der Streiter überhaupt geeignet ist diese Bürde zu tragen. Immerhin geht aus den Befragungen genau hervor, dass man keineswegs die Rädelsführer oder Drahtzieher erwischt hat ...!"
Er überlegte einen Moment und antwortete dann bedächtig. "Und dennoch war es gut, dass Ihr ihnen alle den Orden verleihen habt. So hat nach Außen hin den Anschein, dass die Geschichte um das Untier vom Darpat beendet ist. Das gibt der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit. Seitdem sind auch keine neuerlichen Schauergeschichten in die Welt gesetzt worden." Fragend sah er Rimiona an, als er fortfuhr. "Ist ihre Erlaucht schon zu einem Schluß geraten, wen der Streiter Sie nicht ins Vertrauen ziehen möchte? Oder traut Ihr jedem der Streiter zu, Stillschweigen zu bewahren und dabei zu helfen, im Verborgenen weiter Nachforschungen anzustellen?"
"Wen wir vorerst ausschließen können, ist dieser heißblütige Edle von Feshaven. Die körperlichen Einschränkungen, die er erfahren musste, und auch sein generelles Temperament werden wohl kaum bei den nun folgenden Winkelzügen hilfreich sein, oder könnt Ihr ihn Euch als ruhigen Strategen vorstellen, der nur Informationen sammelt?"
Timor schüttelte den Kopf. "Da habt Ihr wohl Recht. Ich denke ebenso, dass er für diese Sache zu heißblütig ist. Wenn es mehr Informationen gibt und es darum geht, die Hintermänner dingfest zu machen, ja, da kann man sicher auf ihn bauen. Aber über die neuesten Erkenntnisse solltet Ihr ihn sicher nicht ins Bild setzen."
Rimiona lauschte den Worten ihres Beraters bedächtig, war er ihr doch stets ein guter Ratgeber. Dann fuhr sie fort: "Und die junge Ritterin von Trollsteige ist zwar wieder rehabilitiert, doch meine ich, dass sie sich zuallererst einmal um das Lehen kümmern sollte, dass man ihr anvertraut hat. Ob sie schweigen kann? Ich denke ja, doch hat sie wie dieser Feshavener Al'Arik den Tod zu dicht gespürt, vielleicht lässt sie das zu unbedachten Handlungen neigen?"
Timor nickte erneut und entgegnete: "Auch bei dieser Einschätzung stimme ich Euch zu und bin mir auch noch unschlüssig, inwiefern man ihr diese Bürde aufhalsen sollte."
Sie betrachtete die verdorrten Blüten und fragte sich welche Rose ihr die Liebste war. "Dann sollten diese beiden erst wieder auf die Spur angesetzt werden, wenn sie heiß ist, und uns weitestgehend bekannt ist, wo der Feind dräut", war die Antwort Rimionas darauf, ehe sie forfuhr:
"Glücklicherweise sind sowohl die beiden Ritter aus dem Zornesorden, als auch dieser Sturmfelser Kapitän, sowie die Reshimianer positiv in Erscheinung getreten. Da hat mir unser Markgraf direkt einmal eine Freude gemacht, als er zuließ, dass dieser Waffenbund gegründet wurde. Ich hoffe, dass er ihn auch bald gänzlich anerkennt, so dass wir direkt auf ihn zugreifen können. Ich war skeptisch, zugegeben, doch er hat sich bewährt, und darum sollten Malina von Niederriet-Brendiltal und auch ihre Schwägerin Lyn ni Niamad von Brendiltal davon Kenntis erlangen. Den Ordensangehörigen Unswin von Keilholtz und Alfred Beradje traue ich am ehesten zu besonnen zu handeln, daher denke ich kann man diese ohne zu Zögern in den Kreis der Mitwisser rechnen."
Timor ließ die Worte Rimionas einen Moment im Raum, beziehungsweise Garten stehen. "Wollt Ihr wirklich einem Orden der Rondrakirche diese Sache anvertrauen? Könnten sie das nicht gegen uns verwenden, um doch noch ihre Löwenmark zu bekommen?"
Rimiona dachte über das eben gesagte nach. An Timors Worten war einiges dran, was sie nicht abstreiten konnte. Ist das Thema einer eigenen Mark zwar in den letzten Götterläufen von der Löwenburg nicht angesprochen worden, so hatte Rimiona dennoch gut die Adelsverssammlung in Erinnerung, in denen die Rondra-Kriche eine solche vehement eingefordert hatte.
"Nun gut, vielleicht habt Ihr Recht und wir lassen die beiden Zornesritter zunächst außen vor."
Woraufhin Timor zusammenfassend meinte: "Das heißt offiziell wurden alle Beteiligten für ihr mutiges Eingreifen und ihrem Dienst am Reich mit dem Greifenstern in Bronze ausgezeichnet. Die Gefahr, die von dem Untier ausging ist damit offiziell gebannt und wir haben neue Helden der Mark. Die Remishianerinnen dagenen, werden demnächst - diskret - zu einer weiteren Besprechung eingeladen. Dort werdet Ihr jenen, die Ihr als Eures Vertrauens würdig erachtet, berichten, dass die als Anführerin geltende Person dies mitnichten auch ist. Sondern, dass weiterhin nach den Drahtziehern im Verbrogenen, um der Bevölkerung das Gefühl der Sicherheit nicht zu rauben - geahndet wird. Ferner werdet Ihr diese zwei zu Stillschweigen verpflichten und ihnen mitteilen, dass Ihr unter Umständen auf ihre MIthilfe in dieser Angelegenheit zurückgreifen werdet?" Fragend blickte Timor zu Rimiona.
"Diesen und dem Golgariten, ja!" Sie schaute versonnen in das heller werdende Praiosmal und genoss die Wärme. Im Alter nahm der Wunsch nach Bequemlichkeit erschreckend zu. Sie versuchte nicht zu sehr dem Drang danach nachzugeben, doch ihre Launen waren ihren Dienern wohl bekannt udn auch die besten Mittel dagegen. Sodass gerade in dem Moment, wo sie dachte ein Tee wäre genau das Richtige, ein leises Klappern in ihrem Rücken ertönte, und im Pavillon ein kleines Frühstück aufgetischt wurde.
"Kommt, begleitet mich und wir überlegen noch zu welcher Angelegenheit wir die drei offiziell zu uns einladen werden." Auf dem Weg zu dem Tisch, richtete sie die Rosen im Korb und war schon in Gedanken dabei einen Brief an die Geweihten in Rashia'Hal zu formulieren, von wo sie die Rosentöcke zu holen gedachte.