Geschichten:Traviabund auf dem Dragenfels

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Zeit: Travia 30 Hal Ort: Mardershöh

Die Geschichte des Traviabundes zwischen dem Haus Dragenfels und dem Haus Eychgras.


8.Travia Ach wie fein hatte sich Mardershöh herausgeputzt. Spätsommerliche Blüten unter den Fenstern und jeglicher Unrat fehlte auf der Hauptstraße, auf der nun langsam der Zug der Dragenfelser Gäste zur Burg dahinkroch. Auf den Zinnen der Mardershöher Residenz waren überall die Flaggen gehisst, die fröhlich im Wind flatterten. Den Zug voran ritt ein Reiter im goldenen Dragenfelser Wappenrock, der am Tor vom Pferd stieg.

„Ich künde hiermit von der Ankunft...“, setze er an, als zwei weitere Reiter sich aus dem Zug lösten, der eine in weißer, der andere in grüner Tracht, und im vollen Gallop an dem verdutzen Reiter und dem erstaunt zur Seite weichenden Wächter vorbei in den Burghof ritten. Der grüngewandete brachte sein Pferd zuerst am Brunnen zum stehen, wenig später der Weiße.

Der erste Reiter räusperte sich: „...von der bereits erfolgten Ankunft seiner Wohlgeboren, dem Junker von Dragenfels nebst des Hohen Herrns, Ritter Golgaris Hagen von Despiona.“ Ein Knecht der Burg rannte eiligst, die Vögtin Giselda zu rufen.

Im sich legenden Staub sprang Lahor vom Pferd. „Ihr werdet mit dem Alter langsamer, lieber Hagen.“

„Hagen, wo bleiben sie nur?“, fragte Lahor, der auf den Zinnen neben dem Golgariten und der alten Vögtin stand. Hagen schüttelte nur den Kopf, Giselda schmunzelte „Mein lieber Lahor, Ihr werdet diese Dame jetzt Euer Leben lang, Tag um Tag sehen, da könnt Ihr doch ein wenig Geduld zeigen.“

Es waren wohl eine weitere halbe Stunde vergangen, als endlich ein Horn schallte und der Zug der Eychgrasser wenig später auf den Burghof zog. Lahor stürmte die Treppen herunter und kam gerade richtig, den alten Junker von Eychgrass aus dem Wagen steigen zu sehen. „Wohlgeboren“, der Dragenfelser deutete eine Verbeugung an. „Wohlgeboren“ nickte ihm Eberhelm zu, und ließ dabei die Hacken zusammenschnellen. Schnell bot Lahor der Brautmutter seinen Arm, während der so eben eingetroffene Golgarit die junge Braut zur Vögtin führte.

9.Travia Zugleich am Anfang zeigte Giselda, dass sie sich gerade zu diesem Traviabunde nicht einen Bettler rufen ließe, und tischte darum ein gar opulentes Mahl auf, dass die drei Familien im eher kleinen und familiäreren Kreise genossen. So sah man selbst den eher schweigsamen Golgariten mit der Vögtin in eine Diskussion über die Stellung des Ochs’schen Wehrvogtes vertieft und selbst der Zwist zwischen dem Eychgrasser und seiner Schwiegertochter schien in der Geselligkeit der Runde nicht gar so schlimm.

„Wohlgeboren von Eychgrass, reicht Ihr mir den Arm für einen kleinen Spaziergang?“, fragte die alte Vögtin, worauf die versammelten Gastgeber und Gäste zum Burgtor schritten um dem Bauche die Verdauung des üppigen Males zu erleichtern, der Dragenfelser und seine Zukünftige ein wenig im Abseits in eine Diskussion verstrickt. Man ging wohl eine halbe Stunde an der Burg umher, als ein Donnern durch das nächtliche Mardershöh fuhr. Verschreckt schauten die Feiernden in die Richtung, und man sah wohl bei dem einen oder anderen den Griff zur gewohnten rechten oder linken Gürtelseite mit dem erschrockenen Gesichtsausdruck, dort auf Grund der Feierlichkeit nichts vorzufinden. Währenddessen rollte eine Staubwolke auf die Burg zu. In den Häusern von Mardershöh entzündeten sich die Lichter. Auf der Burg war nun endlich das Horn erklungen, das den Wachen von einem Angriff kündete. „Zurück in die Burg, aber schnell!“ Ungewöhnlich laut klang die Stimme der alten Vögtin und man merkte die lange Vergessenen Züge einer alten Ritterin in Retos Maraskanzug nur all zu deutlich wieder durchscheinen. Hastig gingen die Gäste zum Burgtor.

„Wo ist Lahor? Und die junge Eychgrass?“ rief Hagen aufgeregt. Doch da war es schon zu spät. Der Junker stand etwas abseits mit Treumunde und erklärte ihr die sichtbaren Sternbilder des Zwölfkreises. Und keiner der beiden, die Köpfe eng aneinander geschmiegt der deutenden Hand des Junkers folgend schien den Lärm bemerkt zu haben.

„Lahor!“ rief der Golgarit aus, der als letzter am Burgtor stand, während Bewaffnete in mehr oder minder notdürftig angelegten Rüstungen aus der Burg stürmten. Erschrocken drehte sich das Paar um und sah nur noch eine Schar von gut einem Dutzend Reiter auf sich zureiten. Man hörte den einen oder anderen Schrei in der Schar der Versammelten, auch die Bewaffneten sahen ein, dass sie zu spät waren. Lahor stellte sich vor seine Braut kampfbereit, doch ohne Waffen eher lächerlich. Näher und näher kam die Schar, nun erkannte man ihre Trachten als die der wilden Bergvölker, Ferkinas genannt. Lahor sah sich gehetzt nach einem Fluchtweg um. Und kurz vor ihm...

...stoppte die Reiterschar. Der Staub legte sich in einer absoluten Stille, nur durchbrochen durch das Schnauben der zotteligen Ponys. „Haran vom Fels des Drachen, der Haran vom kalten Bach grüßt Dich.“, mit diesem Wort rammte der mittlere Reiter, der als einziger seine Vermummung gelüftet hatte seinen kurzen Stoßspeer in den Boden. „In zwei Nächten wirst Du Raschtulla und die Frau dort Rascha, um dem Stamm vom Fels des Drachens starke Reiter zu zeugen. Nimm diese Gabe von unserer Schaymana.“ Er griff hinter sich und warf einen länglich geformten Gegenstand auf den Boden. Zuerst schien Lahor es nicht zu erkennen, dann weiteten sich seine Augen. Es war ein vertrocknetes Glied eines Ogers, über und über bemalt mit seltsamen Zeichen. „So wirst Du niemals vertrocknen.“ sagte er während er sehr ernst nickte.

Lahor strich sein Gewand glatt und unterdrückte sichtlich ein Grinsen „Dann danke ich Euch Werter Haran und...“ Aber seine Stimme ging in einem vielstimmigen Geschrei unter, das die Krieger ausriefen, während sie mit ihren struppigen Ponys fünfmal das Paar umritten. In der letzen Runde griff der Sprecher den Wurfspeer vom Boden und ritt mit seiner Schar davon. Während das Donnern der Hufen langsam leiser wurde, spürte der Junker zwei zarte Hände, die um seinen Hals griffen. „Lahor, mir ist so...“ sagte Treumunde und sang ohnmächtig in die Arme des Junkers.

„Sollen wir das wegräumen, Wohlgeboren?“ fragte einer der Bewaffneten und deutete mit der Schwertspitze auf den Ogerphallus. „Wie bitte? Nein, nein, das ist ein Geschenk und als solches zu achten. Legt es zu den anderen Geschenken. Aber packt es bitte in irgendetwas schönes ein.“

10.Travia Am nächsten Morgen hatte bereits allerlei buntes Volk sein Lager vor der Stadt aufgeschlagen, so dass auch das einfache Volk die Hochzeit des Junkers gebührend feiern konnte.

Im Laufe des Tages kamen mehr und mehr der geladenen Gäste. Zuerst kam die Priesterschaft, pünktlich zur Praiosstund, in der Begleitung der Tante Lovis des Burgrafen der Raulsmark.

Dann tauchten im Laufe des Nachmittags die Schlunder Gäste auf. Dabei schienen die Straßen im Schlund nicht mehr so sicher wie früher, denn sowohl der Staatschreiber von Erlenstamm, Arth Baldus, als auch der Neffe der Vögtin, Baron Tabur von Ochs waren Opfer eines Überfalles geworden, und ihrer Geschenke verlustig gegangen.

Der Staatsschreiber bat höflichst um Entschuldigung, und versprach das Brautgeschenk, eine goldene Statue einer Gans, sofort zum Dragenfelse zu senden, wenn er jene maskierten Erlenstammer Bauern gefunden habe.

Der Viehwiesener Baron allerdings drückte dem Junker seinen noch blutigen Dolch in die Hand und sprach: „Dieses Blut macht diesen guten Dolch zu einem guten, nützlichen Dolch, und liebe Tante, wenn Ihr noch einmal Hilfe mit diesem Geschmeiß in Eurer Vogtei braucht, dann sagt Bescheid, ich kenne die Gegend jetzt sehr gut.“

Zu späterer Abendstunde, als die Gäste versammelt im großen Saal speisten kam ein Diener zur Vögtin gerannt und wisperte ihr etwas ins Ohr. Giselda atmete tief ein und verdrehte die Augen, daraufhin verscheuchte sie den Hofmagus von dem Platz zu ihrer Rechten und gab dem Diener ein Zeichen. Dieser klopfte mit einem Stab dreimal auf dem Boden und rief in die entstandene Stille: „Verehrte Gäste! Begrüßt nun ihre kaiserliche Majestät, die Alara Paligan.“

Dass die Kaiserin kein einfacher Gast war merkte man der Vögtin an, immer öfter rieb sie sich mit dem Tuche den Schweiß von der Stirn, während sie versuchte den hohen Gast durch auserlesenste Speisen und Gespräche bei Laune zu halten. Die Kaiserin ließ es sich auch nicht nehmen, Personen ohne Vorwarnung quer durch den Raum anzusprechen, was unter den geladenen Gästen wie auch von den Gastgebern viel Anspannug erzeugte.

„Eine gute Besserung wünschen wir der Baronin von Erlenstamm, nicht war meine liebe Giselda?“, sprach die Kaiserin und drehte sich wieder zu der Vögtin. „Giselda?“ sagte Alara vor Erstaunen und sah den Schaum vorm Mund der Vögtin. „Zur Hilfe.“, rief sie aus, und der Hofmagus, sprang schnell vom Stuhle.

„Schickt nach einem Heiler!“, rief die Praiosgeweihte schnell dazwischen, doch Anoxius war schon bei seiner Verwandten. „Gift“, sprach er und ein Raunen ging durch den Saal, dann vertiefte er sich in die Formel. Es schien ihm gelungen zu sein, denn Giselda schlug die Augen wieder auf. „Ruht Euch nun lieber aus, dann seit ihr morgen wieder ganz die alte.“, sprach der Magus und winkte zwei Diener, die die Vögtin in ihr Schlafgemach brachten.

Aber trotz intensivster Befragung der Dienerschaft, war es nicht mehr möglich herauszufinden, wer Giselda das Gift untergemischt hatte und so mussten die Gäste zu Bett gehen, wohl wissend, dass ein Mörder frei im Schloss herumlief.

„Majestät?“ Nachdem er vergeblich ein paar mal geklopft hatte, öffnete Lahor die Tür und schaute vorsichtig hinein. „Hier hinten, mein Lieber, komm ruhig durch!“ Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und betrat den darauffolgenden Raum. Der Raum duftete nach schweren, südländischen Duftölen. In der Mitte des Raumes stand ein geräumiges Himmelbett auf dem die Kaiserin im Bett ausgestreckt in einem seidenen Bademantel lag.

Lahor war erstarrt. Trotz ihres Alters war diese Frau temberaubend. „Steh nicht so da, setz Dich zu mir.“ Sie deutete auf eine freie Stelle am Bett. Der Junker räusperte sich. „Kaiserliche Majestät, ihr wolltet mich sprechen?“ Alara lächelte „Sehr gut erkannt, jetzt setz Dich erst mal hin, das ist ein Befehl.“ Lahor tat wie ihm befohlen „Wisst Ihr, ich habe nur sehr wenig Zeit.“ sagte er, mit sichtlich zunehmendem Unwohlsein. Ihre Hand berührte seinen Rücken, wobei er merklich zusammenzuckte. „Du willst doch den Wunsch Deiner Kaiserin nicht wiedersprechen.“ Ihre Hand glitt den Rücken entlang zu seiner Schulter. „Nein, nein, natürlich nicht, es ist nur...“ Die Hand griff über die Schulter und öffnete sein Gewand. „Nun schweig doch mal, und genieß die Ehre, die Dir von der Kaiserin zuteil wird“ hauchte Alara.

Lahor sprang auf und drehte sich zur Kaiserin um: „Kaiserliche Majestät, ich muss protestieren.“ Seine Finger nestelten nervös an dem Knopf. Alara strich ihr Haar zurück. „Tugendhaft, mein junger Ritter, so kurz vor dem Traviabund. Vergiss nicht, wenn Du in zwei Tagen getraut bist, dann kann ich Dir ein solches Angebot nicht mehr machen.“ Langsam schlug sie ihren Bademantel zurück. Lahor Augen weiteten sich, er schluckte und stotterte ein paar unverständliche Worte. „Was ist nun, mein Lieber?“ schnurrte die Kaiserin und drehte sich auf den Rücken.

Lahor wandte sich um. „Verzeiht Majestät, ich bin... äh... geehrt, aber ich... ich... muss leider Euer großzügiges Angebot ablehnen.“ Langsam schritt er zur Tür, die er hastig hinter sich schloss. Hinter sich hörte die Kaiserin säuseln „Du warst mir ein angenehmer Gesellschafter, mein Lieber.“ Lahor lehnte sich an die Wand und atmete erst ein paar mal tief durch. Dann schüttelte er den Kopf und verließ eiligst diesen Teil des Schlosses.

11.Travia Während das junge Paar getrennt den Tag mit Meditation und Gebet im Tempel verbrachte, ritt der Rest der Gesellschaft schon früh zur Jagd, und so zeigten die Schlunder, dass sie, obwohl Garetier, durchaus mit der Wildnis des Walles vertraut sind. Viel des köstlichen Wildes wurde erlegt, das am Abend von der Vögtin Küche aufs herrlichste zubereitet werden sollte.

„Edle Damen und Herren, sehen sie nun als Abschluss der Vorführung, eine Schönheit aus dem fernen Fasar, die bezaubernde Alienda al-Kasar.“, schloss der Sprecher der Gaukler die Schau, dann verließ er die Fläche zwischen Feiernden und die Musiker im Hintergrund begannen zu spielen.

Durch eine Tür kam eine südaventurische junge Frau mit verführerischen tänzelnden Bewegungen in den Saal und fing an, sich langsame im Takt der Musik zu wiegen. Immer leiser wurden die Feiernden und immer schneller die Sharisad. Wie hypnotisiert folgten die Blicke der Menge ihrem Körper, als sie sich in immer schnelleren Begegnungen auf den Golgariten Hagen zu drehte, der mehr und mehr geistesabwesend auf die Tänzerin starrte. Sie ließ sich mit einem tiefen Blick in seine Augen vor ihm auf die Knie fallen und die Musik verstummte.

Unter großem Beifall verließen die Gaukler den Saal, als letzte ging die Sharisad, jedoch nicht ohne dem schweigsamen Golgariten noch einen tiefen Blick zuzuwerfen.

Lahor zwinkerte dem Golgariten ein wenig später zu. „Nun geht schon Hagen, ich sag es auch keinem.“ Hagen erwachte wie aus einem Tagtraum. „Was? Oh ja natürlich.“, völlig gedankenverloren stand er auf und verließ den Saal.

„Hochverehrte Mitschlunder“, begann Vögtin Giselda, „ich möchte die Situation nutzen, dass wir uns einmal alle in unserer eigenen Grafschaft treffen und nicht auf fernen Hoftägen, um den Blick auf die inneren Angelegenheiten der Grafschaft zu lenken. Zuerst einmal soll ich dem Brautpaar, wie auch den Gästen Grüße unseres Hochwohlgeborenen Grafen Ingramm, Sohn des Ilkor von Schlund auszurichten. Er bat mich, diese Versammlung zu nutzen um eine Verlautbarung zu verlesen.“ Giselda faltete einen Zettel auf und verlas die Botschaft des Grafen (die auch hier im Herolde steht).

Die Reaktionen auf den geplanten Bau des Kanals waren offensichtlich sehr gut. Der Baron von Viehwiesen nickte, sagte aber nichts und der Staatsschreiber von Erlenstamm sprach durchaus lobend vom Projekt: „Die Baronin wird die bereits angebotene Hilfe bei der Erstellung dieses überaus ruhmreichen Werkes auf jeden Fall aufrecht erhalten. Der neu geplante Verlauf des Kanals gründet sich gewiss auf fachmännischen Expertisen, begleitet von Ingerimms Handwerkskunst und Hesindes Weisheit.“

„Sklaventreiber!“, hörte man da eine Stimme aus dem Saale, wobei sowohl der Staatsschreiber zusammenzuckte, als auch die Kaiserin begann, etwas schneller zu fächern. „Die Baronin von Erlenstamm hat nur eine Praios- und Ingerimmgefällige Form der Todesstrafe eingeführt, und das auch nur für die allerschwersten Verbrechen, wie Hochverrat.“ Der Schreiber verbeugte sich vor den Anwesenden, „leider kann ich nur Meinungen und Entscheidungen der Baronin weitertragen, habe jedoch keine Entscheidungskompetenz.“

„Meine Lieben, dass hier ist ein Fest der Travia, und so möge Friede unter den Gästen herrschen.“, rief da Giselda und die Menge kehrte wieder zu ihren Gesprächen zurück.

Die Tür zur Halle öffnete sich und ein sichtlich um Fassung ringender Hagen von Despiona betrat die Feierhalle. Er war nicht mehr das Bild eines stolzen Ritters, nein sein Überwurf war zerissen und hing schief auf den Schultern. Der Lippenstift auf der rechten Schläfe bildete einen fast komischen Kontrast zu dem Blut, das ihm von einer Platzwunde über dem linken Auge in das selbige lief. Blutig war auch sein rechter Arm, auf dem Bissspuren zu sehen waren. Langsam schritt er zum Kopf des Tisches, dabei versuchte möglichst Haltung zu bewaren, als könnte man ihm nichts besonderes ansehen.

„Hagen, das war aber eine sehr wilde...“, setzte der Dragenfelser Junker an, aber der eisige Blick seines Mentors ließ in verstummen.

„Vögtin“, Hagen senkte das Haupt, „ich bringe Euch eine Buhle der Hexe vom Dragenfelse, bei deren Vertreibung ich ja damals selbst zu gegen war. Diese Frau“. Hagen deutete zur Tür und zwei Gardisten brachten die Tänzerin, die wild im eisernen Griff der beiden zappelte. „hat aufs schändlichste versucht, mich zu entführen. Ich war fast einer ...ähh... Schwäche erlegen, da konnte ich sie überwältigen.“

Hagen schien das Gespräch wirklich peinlich zu sein, die Kaiserin hingegen schmunzelte. „Und trotzdem habt Ihr Stärke gezeigt, es ging schon so manch stolzer Ritter in den Armen einer schönen Frau verloren.“ Die Vögtin stand auf. „Bringt sie weg, und Ihr Hagen dürft Euch gerne zurückziehen und Euch erholen, seid Euch unseres Dankes gewiss.“ Die Gardisten trugen die junge Schönheit heraus, während diese sich in deren Griff noch einmal umwand und rief: „Tizina hatte Recht, ihr geht jeder schönen Tulamidin ins Netz, weiß das auch Euer Sohn?“ Hagen eilte sich, den Saal zu verlassen, während die Menge aufgeregt tuschelte.

12. Travia Am Tag der Treue war es nun endlich soweit. Im Burghof hatten die Mardershöher Bediensteten Stühle für den Adel aufgestellt, die Diener der Kirchen hingegen einen prächtigen hölzernen Altar. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Adel, geordnet nach Stand und Beziehung zum Brautpaar ihre Plätze eingenommen hatten. Und es dauerte noch ein wenig länger, bis einer der zwölf Pagen der Kaiserin endlich einen Schirm brachte, um sie vor der Hitze dieses spätsommerlichen Traviatages zu schützen.

Darauf folgte der Einmarsch der Geweihtenschaft: Hochwürden Praiana für die Praioskirche, Firndan vom Jagdtempel, Bruder Boronian in Begleitung des Golgariten Hagen, beide aus Dragenfels, und schließlich, vom Tempel der Travia, Schwester Traviadne aus Mardershöh und der Prior der Innocensier-Abtei „Sanctum Verbum“ aus Eychgrass, Hochwürden Tolak von Ristingsau. All diese nahmen hinter dem Altar Platz, nur Hagen stand etwas abseits an der Seite, weitest möglich von der Kaiserin entfernt. Hinter diesen folgte einige Laienbrüder und -schwestern, die nun geschäftig einige Sachen sortierten.

Praiana erhob sich. „In Praios Namen, und denen seiner elf heiligen Geschwister, seid willkommen zu dieser Feierlichkeit, unter Praios’ Strahlen zu Travias heiligstem Gelübde, das die Häuser Eychgras und Dragenfels auf ewig binden soll.“ Sie schlug nun mit der Unterseite ihres Sonnenszepters zweimal auf den Altar. „Geehrte Anwesende, der Bräutigam, Wohlgeboren Junker Lahor Vandass von Dragenfels.“ Der junge Messdiener zu ihrer Rechten schlug auf den verzierten Gong. Erwartungsvoll richteten sich alle Blicke zum Eingangstor des Burghofes, dessen Torflügel von zwei Gardisten im Dragenfelser Wappenrock soeben geöffnet wurden. Hindurch trat der junge Junker aufrechten Hauptes, doch dem aufmerksamen Beobachter konnte dessen Aufregung nicht entgehen. Gekleidet war er in den Farben des Dragenfelser Hauses (zu dem der familienlose Junker durch diese Hochzeit eigentlich erst werden sollte), einem weiten Überwurf aus tannengrünen Stoff goldenem Zierrat. An seiner Seite gegürtelt ein prächtig verziertes Langschwert in vergoldeter Scheide, ein Geschenk zum Traviabunde von seinem Mentor Hagen von Despiona. Langsam schritt er bis zum Altar, wo er vor der Geweihtenschaft niederkniete, um wenig später auf ein Nicken der Praiosgeweihten wieder aufstand.

Stille erfüllte den Burghof, als Praiana zwei weitere mal mit dem Szepter auf den Altar klopfte. „Und nun die Braut, Treumunde Rotha von Eychgras, geführt von ihres Vaters Vater, Wohlgeboren Junker Eberhelm von Eychgras, Hauptmann der Armee außer Dienst.“ Und wieder ertönte der Gong.

Durch das bereits geöffnete Tor schritt nun Ritter Eberhelm in einer schlichten kaiserlichen Uniform. Um so beeindruckender seine Enkelin Treumunde im kupferfarbenen Kleid zu Ehren der milden Göttin, auf dem geflochtenen, dunkelblonden Haar ein Kranz aus Lindenblättern. Obwohl jünger als der Junker, so war ihr die Aufregung nicht so sehr anzusehen wie Lahor, der sich umgewandt hatte, um seine Braut mit einem Lächeln zu begrüßen. Kokett schlug sie die Augen nieder und eine leicht Röte auf ihren Wangen betonte um so mehr ihren Liebreiz. Ihr Großvater führte sie bis vor den Altar, wo er ihre Hand in die des Junkers legte, der eine steife Verbeugung andeutete. Nach einer Verbeugung vor der Geweihtenschaft, schritt er langsam rückwärts zu seinem Ehrenplatz.

Treumunde hingegen knickste vor dem Altar, bis auch sie von der Geweihten durch ein Nicken zum aufstehen aufgefordert wurde. Praiana erhob wieder ihre Stimme: „Hohe Damen und Herren. Wir haben uns hier versammelt, um den Treuebund zwischen den Häusern Eychgras und Dragenfels zu schließen, und die dem Fürsten Praios geweihte Ehrlichkeit gebietet, dass ich nun diese Frage stelle: Hat einer der Anwesenden Einwände gegen den bevorstehenden Traviabund, so möge er nun sprechen.“

Die Geweihte holte einmal tief Luft, dann fuhr sie fort: „Wohl an, dann laßt uns fortfahren!“ Sie drehte sich zu Lahor. „Wohlgeboren, wollt Ihr, Lahor Vandass, Junker von Dragenfels und Streiter an der Sichelwacht die edle Dame Treumunde Rotha von Eychgras zum Weibe nehmen, wie es der Brauch befiehlt und sie damit zur Junkerin vom Dragenfelse machen?“. Der Junker hob den Kopf und sagte, fast mit zu fester Stimme: „Im Namen der Zwölfe, das will ich.“

Praiane wandte sich nun Treumunde zu. „Und Ihr, Edle Dame Treumunde Rotha von Eychgras, Tochter des Sohnes des Junkers Eberhelm von Eychgras, wollt Ihr Junker Lahor Vandass von Dragenfels zu Eurem Manne nehmen und eine treue Junkerin auf dem Dragenfelse sein?“ Die junge Frau holte tief Luft und sagt mit zarter Stimme: „Im Namen der Zwölfe, das will ich.“

„Dann erkläre ich Euch Kraft des mir durch die Zwölfe gegebenen Rechts zu Mann und Weib, zu Junker und Junkerin von Dragenfels.“ Die Geweihte hob beide Hände gen Himmel „Praios, Fürst Alverans, ich bitte Euch, gebt diesem Paar Euren Segen, auf daß sie dem Edelgut und dem Raulschen Reich treu dienen. Rondra schütze dieses junge Paar vor Krieg und schenke ihnen Ehre. Hesinde gib ihnen Weisheit, und Ingerimm immer festen Fels unter den Füßen.“

Nun erhob sich auch Hochwürden Tolak. „Mutter Travia schenke diesem Paar Treue und Frieden und deiner Schwestern Rahjas, Peraines und auch Tsas Segen der Fruchtbarkeit.“ Das Schlußwort hatte Bruder Boronian. „Efferd, schicke Regen aber keine Fluten. Firun schicke Wild aber keinen Frost. Phex schicke Glück aber keine Diebe. Bis das der Herr Boron dieses Paar scheidet um sie nach dem Tode wieder zu vereinen.“

Alsdann setzte der Jubel ein „Hoch!“ und „Heilig!“ hörte man die edlen Leute rufen, als das Paar aus dem Hof schritt um sich dem versammelten Volk vor der Burg zu präsentieren, von dem einige eigens aus Dragenfels herangereist waren. Geduldig winkten die beiden den Gemeinen zu, um dann der Festgesellschaft in den großen Saal zu folgen.

Und welch ein Mahl die Vögtin ihren Gästen auftischte, sehr viel prunkvoller, als man es von den sonst eher bodenständigen Schlundern gewöhnt war. So gab es zwölf Gänge, einem jeden der Götter einen, darunter Koschammernzungen, für die extra ein Koch aus dem Kosch angereist war.

Und so ging die Feier den Nachmittag und die Nacht, und ein jeder versuchte den nächsten in der Länge seiner Reden zu übertreffen, so sprach Hagen von der „Freude diesen Sohn-gleichen jungen Mann endlich in sicheren Händen zu Wissen“, die Vögtin merkte an „dass nun endgültig die dunklen Wolken über dem Dragenfels verweht“ sein und der Junker von Eychgrass freute sich schon „auf seine ersten Ur-Enkel“.

Später am Abend begaben sich die versammelten Edlen auf den Burgplatz, wo der Hofmagus der Familie Ochs ein wahrhaft unglaubliches Schauspiel vollführte. Vor aller Augen vollführte er ein magotechnische Feuerwerk, dass selbst die Kaiserin ihre Freude und ein gelegentliches „Ohh“ nicht verbergen konnte. Und hier sah man das junge Paar etwas abseits der Menge Arm in Arm stehen und den gemeinsamen Augenblick genießen. Dieses Schauspiel war ein wahrhaft würdiger Höhepunkt für solch eine Feierlichkeit, und der Junker ließ es sich nicht nehmen den Magus persönlich auf den Dragenfels einzuladen, auf dass dieser selbigen auch einmal in friedlichen Zeiten erlebt, und nicht so wie er ihn das letzte Mal vor zwei Jahren in Erinnerung hatte. Und endlich, die Rondrastunde war schon eine Weile vergangen, zogen sich die Edlen Damen und Herren in ihre Gemächer zurück.

13.Travia Der Schall von zwölf Hörnern erklang und hallte an den entfernten Gipfeln des Raschtullswalles wieder. Und wieder und wieder erklangen Fanfaren, die sich langsam zu einem ganzen vermengten. Es war „Erwachet mit Travias Segen“, ein traditioneller Hörnerchoral, der im Schlund gerne zu Hochzeiten gespielt wird, so nicht ein Rudel Zwerge auf Sackpfeifen und Trommeln „Angroschs Paarsegen“ zelebriert.

Giselda hatte allerdings die eher menschliche (und dem menschlichen Ohr auch zugänglichere) Tradition gewählt, um das Brautpaar und die Gästeschar mit dem ersten Sonnenstrahl zu wecken. Mit fast sichtbarem Kopfschmerz und, ob des zu hell strahlenden Praios, trat der Dragenfelser ans Fenster. „Herzlichen Dank für diesen krönenden Abschluss, wackere Musikanten! Seit mir auch einmal auf dem Dragenfelse willkommen, so die Vögtin solche Künstler entbehren kann.“, sprach er und ging zurück in die Dunkelheit der Kammer.

Und zum Abschluss der gelungenen, wenn auch zu diesem Zeitpunkt etwas lauten Darbietung ertönte noch eine langgezogene Fanfare, während der man im Hintergrund eine wohlbekannte kaiserliche Stimme lamentieren hörte. „Und wenn es auch Tradition ist, bringt sie zur Ruhe!“

Für die große Gästeschar mit all ihren Dienern und Wagen war der Mardershöher Hof doch ein wenig zu klein. Und keiner der Gäste konnte den Hof verlassen, bis auch endlich die im Eingang stehenden Kutschen der Kaiserin bepackt waren, und diese selbst ihren Wagen bestiegen hatte, jedoch nicht ohne sich vorher vom Küchenmeister eine speziell ihren Bedürfnissen angepasste Ration für die Reise zubereiten zu lassen.

Der Rest der Gästeschar begnügte sich ob der langen Wartezeit mit den exquisiten Resten des Mahles vom Vorabend, um so noch rechtzeitig aufbrechen zu können. Und endlich wurde es wieder ein wenig ruhiger in der kleinen Hauptstadt der Vogtei.

14. Travia Oh wie schmerzlich war doch der Abschied der jungen Braut von ihrer Familie, aber es sollte nicht der einzige bleiben, denn nur ein wenig später, nach einem langen, dankbaren Gespräch mit der Vögtin Giselda von Mardershöh fand sich der junge Junker vor dem Burghof an der Kutsche ein.

„Nun Hagen, kommt Ihr endlich? Die Kutsche steht bereit, es fehlt nur der Burgvogt auf seinem Pferde!“, rief der junge Bräutigam übermütig, während er seiner Braut den Arm zu Kutsche reichte.

Der Golgarit erschien im Burgtor und ein junger Knappe brachte sein schwarzes Ross. Schweigsam prüfte Hagen den Sattel und saß auf, dann schaute er zum Junker: „Junker Lahor Vandas von Dragenfels, verzeiht mir, aber ich werde meinen Dienst als Burgvogt hiermit beenden.“ Lahor wollte zum Reden ansetzen, aber Hagen schüttelte den Kopf. „Nein, hör mir jetzt zu Lahor: Ich habe sieben Sünden in den Vergangenen Jahren auf mich geladen, und viele davon betreffen auch dich. Mein Dienst am Dragenfels ist nun vollendet, meine Sünden wurden an treffender Stelle gebeichtet aber noch nicht gesühnt. Deshalb reise ich nun, um zwölf den Göttern gefällige Questen zu vollführen. Beginnen werde ich mit dem Gott der mir am nächsten ist. Deshalb werde ab sofort die Bauarbeiter Boronias vor der nahen Grenze schützen, und hoffen, das der Herr Boron mir eine Chance zur Sühne gewährt.“ Hagen zog an den Zügel, dass Roß drehte sich „Leb wohl Lahor und verzeih mir!“ rief er im davonreiten. „Lebt wohl Hagen“ sagte der fast sprachlose Junker, aber der Golgarit war schon in den Gassen Mardershöhs verschwunden.

Etwa eine halbe Stunde später, nach dem nun auch die Dragenfelser abgereist waren, kehrte endlich Ruhe auf Burg Mardershöh ein, nur ein paar Bedienstete gingen noch hier und da geschäftig ihrem Treiben nach. Doch als Dunkelheit einkehrte konnte die alte Vögtin endlich wieder die Stille des nächtlichen Mardershöh genießen.


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Texte der Hauptreihe:
Tra 1023 BF
Traviabund auf dem Dragenfels


Kapitel 1

Autor: VolkoV