Geschichten:Trennung auf Perricumer Art

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Aus der Tsa-Ausgabe 1044 BF der "Perricumer Postille"

Ungeheuerlicher Skandal in der Reichsstadt: Adlige im Drogenwahn!

Adel und Patriziat sind fassungslos über das schockierende Geheimnis einer der Ihren, welches jüngst nachgerade spektakulär ans Tageslicht gelangte: Olberthe von Pelkerstein, Angehörige einer der vornehmsten Familien unserer Kapitale, ist aus gänzlich eigener Schuld vermutlich unrettbar dem Wahnsinn verfallen! Zugleich wirft dieser Fall auch ein Schlaglicht auf die dunkleren Seiten unserer geliebten Stadt.
Doch der Reihe nach. Schon seit geraumer Zeit war das Gebaren der Dame Pelkerstein immer seltsamer geworden und hatte demzufolge für zunehmendes Gerede in den besseren Kreisen Perricums gesorgt: Immer häufigere und stärkere Stimmungsschwankungen, nachlässigere Kleidung und vermehrt eine Ausdrucksweise, die weit eher ins heruntergekommene Darpatstieg als in das vornehme Leuingen gehörte. Dies war jedoch nichts im Vergleich zu dem, was sich am vorvergangenen Windstag ereignete. Während Frau Olberthe im Hotel „Kaiser Reto“ zu Mittag aß, sprang sie unversehens auf, riss sich ihr Kleid vom Leibe und rannte unter beständigen Rufen „Praios liebt mich!“ nach draußen.
Mag man all dies bis hierhin noch als große Peinlichkeit abtun, so erhielt dieser Fall wenig später eine dunklere, tragische Wendung.
Nachdem man der Dame wenig später habhaft geworden war, wurde sie von der Stadtwache ob ihres offensichtlichen Irrsinns nicht in eine Zelle sondern direkt in das Kloster des Vergessens vor den Toren der Stadt gebracht. Wie der Redaktion aus verlässlicher Quelle zugetragen wurde, ergaben die weiteren Untersuchungen, dass die Dame Pelkerstein einer Droge namens „Kristallomanten-Met“ verfallen war, welche insbesondere im verrufenen Darpatstieg zwischenzeitlich eine große Verbreitung erfahren haben soll. Diese Substanz war es, die den Verstand der Adligen zunehmend vergiftete und sie letztlich zu ihrem denkwürdigen Abgang aus dem „Kaiser Reto“ veranlasste. Nach allem, was man über die geistige Verfassung der Dame sowie die bisherige Wirkung dieser Droge weiß, ist es höchst unwahrscheinlich, dass Frau Olberthe in absehbarer Zeit in die Obhut ihres Gemahls, Oberst Siegerain von Bregelsaum-Berg, entlassen, geschweige denn wieder ein selbständiges Leben wird führen können. Jener Offizier war es übrigens, der – traurige Ironie – erst im vergangenen Götterlauf großen Anteil daran gehabt hatte, dass eines der Labore, in denen dieses niederhöllische Zeug hergestellt wurde, zerstört werden konnte.
Wie aus seinem Umfeld zu hören ist, hat all dies Herrn Siegerain tief erschüttert, weswegen er sich direkt nach besagtem Ereignis für einige Wochen beurlauben ließ, um verstärkt für seine Familie, insbesondere die beiden kleinen Kinder, welche nun höchstwahrscheinlich faktisch ohne Mutter aufwachsen müssen, da sein zu können.
Dem Herrn Oberst gilt daher unser tiefes Mitgefühl. Die Redaktion hofft und wünscht ihm inniglich, dass er fürderhin neben seinen Pflichten als Befehliger des Bombardenregiments noch genügend Zeit und Kraft für seine Kinder findet, die ihren Vater jetzt mehr denn je brauchen.

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Siegerain war seiner Gattin Olberthe schon seit geraumer Zeit überdrüssig. Hatte er ihre ausgeprägte Streit- und Verschwendungssucht zunächst beinahe stoisch ertragen, da er für sein persönliches Fortkommen auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen zu sein glaubte, änderte sich dies mit seinem rasanten Aufstieg radikal. Als nunmehr einer der höchsten Offiziere des Heeres, zudem jüngst zweimal dekoriert und vom Heermeister sehr geschätzt, sah Siegerain in der Fortführung der Ehe keinen Sinn mehr, zumal seine Frau ihm bereits zwei Kinder geschenkt und damit die Zukunft seines Namens gesichert hatte. Dazu kam noch, dass er sich die Eskapaden Olberthes auch im Wortsinne nicht mehr leisten konnte und wollte, braucht der Offizier doch beinahe jeden Taler, um sich aus seinen Schulden und damit mittelbar den Fängen seiner Feindin Fredegard von Hauberach zu befreien.
Konkreter Anlass, sich Olberthes zu entledigen, war das im Artikel erwähnte Drogenlabor und das hierbei sowie bei der Verhaftung weiterer Beteiligter beschlagnahmte Kristallomanten-Met.
Siegerain versetzte über Monate hinweg von Zeit zu Zeit einzelne Speisen und Getränke seiner Gattin mit der Droge und beobachtete mit wachsender Frustration, dass sie zwar im Laufe der Zeit noch unausstehlicher als ohnehin schon wurde, aber dennoch keine Verhaltensweisen an den Tag legte, die es ihm ermöglicht hätten, sich ohne Ansehens- und Gesichtsverlust von ihr zu trennen. So konnte der Oberst sein unerwartetes Glück kaum fassen, als ihm ein Stadtgardist von dem Vorfall im Hotel „Kaiser Reto“ berichtete und es bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht vor Freude laut loszulachen. Umgehend nahm er die Rolle des tief erschütterten Ehemannes und besorgten Vaters ein und händigte der Stadtwache am nächsten Tag die Reste der Drogen aus, welche er im Ankleidezimmer Olberthes „gefunden“ gehabt habe. Bei alledem achtete Siegerain darauf, dass dies nach außen – und damit auch zur Redaktion der „Perricumer Postille“ – drang und somit Stadtgespräch wurde, woran ihm in diesem speziellen Fall sehr gelegen war.
Nach einer angemessenen „Schamfrist“ und wenn absehbar ist, dass der Verstand seiner Gattin dauerhaft zerrüttet ist, wird Siegerain diskret versuchen, seine Ehe mit ihr aufzulösen.


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11. Tsa 1044 BF
Trennung auf Perricumer Art
Zwischen den Zeilen


Kapitel 5

Autor: Wallbrord