Geschichten:Trotz niederen Geblüts - Teil 3
Dorf Rond in der Grafschaft Eslamsgrund. 12.Travia, 1010 BF
Kein Lächeln verließ ihre Lippen, weder während der Zeremonie, noch anschließend bei der Feierlichkeit. Natürlich wusste sie die höfliche Haltung zu bewahren, aber Freude zeigen konnte und wollte sie dabei nicht.
Andererseits ließ sich Gunelde auch keine Anzeichen der Scham vor dieser peinlichen Veranstaltung anmerken. Zu ihrem Glück waren nicht viele Adelige zu der Traviafeierlichkeit angereist. Einige Familien aus der Umgebung hatten ihre Abgesandten geschickt, um ihre Glückwünsche für den Traviabund zu überbringen. Da waren die Trutzenfels, die Yossensteins, die Föhrenings, und auch der junge Haduwulf von Falkenstein, künftiger Erbe der Baronie Falkenstein, war zugegen. Dass Halgan den Baronssohn nicht ertragen konnte, erfüllte Gunelde immerhin ein klein wenig mit Genugtuung. Auch wenn es nicht ausreichte die Schmach zu vergelten, welche die Hartnäckigkeit ihres Sohnes der Familie eingebracht hatte.
Guneldes Augen funkelten zu ihrer Schwiegertochter hinüber und musterten das scheue Mädchen kühl. Obwohl sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie eingeschüchtert von dieser fremden Umgebung war, konnte man Ulinai ihr Unbehagen deutlich ablesen. Sie hatte den ganzen Tag bereits zusammengezogene Schultern und einen gesenkten Blick, ein aufgezwungenes unsicheres Lächeln ihrem Bräutigam und anderen hohen Gästen gegenüber. Natürlich hatte das Mädchen nicht die geringste Ahnung über richtige Haltung oder höfisches Benehmen. Aber was sollte man auch erwarten von einem Bauern. Der Name allein – Ruttel, Ulinai Ruttel! Dung für den Stammbaum!
Guneldes Blick wanderte zu den Eltern der Braut hinüber. Höchstwahrscheinlich hatte Halgan die teure Garderobe für seine Schwiegereltern beschaffen lassen, damit sie keine Peinlichkeit auf der Feierlichkeit darstellten. Vergebens, wie Gunelde fand. Die Herkunft war Peinlichkeit genug, denn auch wenn es nicht laut ausgesprochen wurden, so sah Gunelde die Tuscheleien unter den Herrschaften hinter vorgehaltener Hand, und die Blicke, die im Rücken des Brautpaares ausgetauscht wurden, sehr deutlich. Halgan selbst konnte oder wollte dies nicht wahrnehmen. Tatsächlich hatte ihn Gunelde selten so freudig erregt gesehen, wie an diesem Tag. Dennoch war es Verrat, seine Bedürfnisse über die der Familie zu stellen. All die Beziehungen und den Einfluss, den Gunelde in den letzten Jahrzehnten erschließen konnte, waren mit diesem Traviabund dahin. Natürlich hatte sie, nach dem Abend als ihr diese Farce eröffnet wurde, noch mehrmals versucht ihren Sohn von dem Gegenteil zu überzeugen, doch alle Argumente halfen nicht. Der Jungspunt war über beide Ohren verliebt, und Gunelde war nicht in der Position ihm Paroli zu bieten.
Ihr Gemahl war, nachdem er sich von seiner schweren Verwundung soweit erholt hatte, dass er erwacht war, leider zu keinem vernünftigen Gespräch zu bewegen. Merkwürdig und aufgebracht lallte er von den Schlachteindrücken, die er durchlebt hatte. Die Erinnerung an dieses Verhalten, jagte Gunelde immer noch einen Schauer über den Nacken. Der Heiler meinte, dass Ulfried sich wohlmöhglich nie wieder von der Wunderlichkeit erholen würde, und man in Erwägung ziehen sollte, ihn in die Obhut der Noioniten zu übergeben. Da aber Gunelde die Hoffnung hatte, dass ihr Mann sich wieder erholen und erneut, wenn auch blind, Ordnung zurück an seinen Hof bringen könnte, schloss sie diese Möglichkeit vorerst aus.
„Meine ergebensten Glückwünsche zu dieser lieblichen Braut.“ Es war Haduwulf von Falkenstein, der gerade vor das Brautpaar getreten war, und die Geschenke überreichen ließ. Halgan nickte brummend und versuchte wohl seine Abneigung gegenüber Haduwulf zu verhehlen, was ihm jedoch deutlich misslang. Haduwulf ließ sich dieses hingegen nicht anmerken, und wendete sich der Braut zu. „Und euch gratuliere ich natürlich zu diesem stattlichen Gemahl. Möge euch Travia und Tsa mit vielen Jahren und Kindern segnen, auf dass sich der Ruhm der Ronds vermehren möge, und ihr nach wie vor der Baronie und dem Reiche gut dienen könnt.“
Obwohl der zukünftige Lehnsherr noch jung war, konnte er seine Worte bereits weise wählen. Gunelde konnte nicht zuordnen, ob er seine Glückwünsche ernst meinte, oder auf geheime Art spöttelte. Für sie selbst jedenfalls waren die Worte beißender Spott. Für einen Moment teilte sie die Abneigung ihres Sohnes dem jungen Baronssohn gegenüber.
„Falls ihr jemals der Langeweile anheimfallen solltet, edle Dame, dann besucht uns doch auf Burg Falkenstein. Ihr könntet vielfältiges Kurzweil erleben und euch an verschiedenen Künsten laben.“
„Das glaube ich gern!“ warf Halgan spöttisch dazwischen.
Haduwulf nickte kurz, ging aber nicht weiter darauf ein. „Egal ob Gemälde, Musikalisches oder gar hesindianische Kunst, es wird sich sicherlich etwas finden, was euer Gusto trifft.“
Die scheue Braut nickte lächelnd und räusperte sich leise. „Habt Dank. Gerne komme ich der Einladung nach.“ Sagte sie mit leiser Stimme, nachdem sie einen unsicheren Blick zu ihrem neuen Gemahl geworfen hatte. Halgan hingegen rutschte unzufrieden auf seinem Sessel herum, blieb aber stumm. Guneldes geübtes Auge konnte erkennen, dass in diesem Moment Halgans Pranke, welche auf Ulinais zierlicher Hand ruhte, diese leicht drückte.
„Mit Freuden erwarten wir dann euren Besuch, gerne mit eurer Gesellschaft, werter Halgan. Mit Sicherheit finden sich auch Freuden für euer Gemüt.“ Damit wendete er sich wieder ab und gesellte sich zum Rest der Traugäste.
Halgan schaute ihm finster hinterher, ersparte sich aber weitere Kommentare, sondern schnaubte nur leise vor sich hin. Gunelde wusste, ihr Sohn hätte Haduwulf am liebsten seine hesindianischen Schmeicheleien in den Allerwertesten geschoben. Sie schätzte, dass seine Zurückhaltung mehr von der Vorfreude aufgrund seiner bevorstehenden Liebesnacht mit seiner jungen Braut herrührten, als von den angemessenen Manieren seinem künftigen Lehnsherren gegenüber.
Es war Gunelde bisher schleierhaft, was Haduwulf sich davon versprach sich bei dem Bauersmädchen einzuschmeicheln. Vermutlich wollte er Halgans nahestehende Personen gegen ihn aufbringen und ausspielen. Was auch der Grund war, es schickte sich nicht eine solche Einladung abzulehnen.
Ansonsten fiel die Feierlichkeit recht frostig aus. Nur wenige wollten bei dieser Peinlichkeit ausgelassen feiern und so hatten sich die wichtigsten Gäste zu Mitternachtsstunden in ihre Ruhestätten zurückgezogen. Auch Halgan hatte sich erhoben und forderte seiner jungen Braut ihm ins Schlafgemach zu folgen. Es schien so, als habe sie die ganze Zeit über diesen Moment am meisten gefürchtet. Schüchtern nickend erhob sie sich und ergriff seine ausgestreckte Hand, um ihm zu folgen. Für einen kleinen Augenblick hatte Gunelde Mitleid mit diesem zarten Geschöpf, welches in eine Welt hineingezogen wurde, welcher sie ganz und gar nicht Herr werden konnte.
Doch schon war dieser Augenblick wieder verflogen, als ihr bewusst wurde, dass sie bald von diesem Bauernmädchen Enkel bekommen würde.