Geschichten:Tsapfauenauge - Etwas Neues
„Meine Liebe, seid Ihr schon wieder vor Ungulf geflüchtet, der euch, wie so oft mit einer nötigen Vermählung im Ohr liegt?“ Die Geweihte der ewig Jungen Göttin blickte grinsend auf die junge Baronin, die grade die Stufen des Tempels empor stieg. „Oh Lissia, wie recht ihr mal wieder habt. Ich kann es nicht mehr hören. Schaut doch mal den Junker von sowieso, oder der Ritter wasweißich, oder was haltet ihr von Baron irgendwer… Ich kann es nicht mehr hören. Ich weiß ja dass er recht hat, aber wann soll ich denn bitte nach einem Bräutigam suchen? Ständig sind noch Dinge zu erledigen, die Jahrelang durch die Krankheit meiner Tante, Boron sei ihr gnädig, liegengeblieben sind. Dann sind da die möglichen Angriffe von Haffax, wo unsereins seine Landwehr ausheben müsste und von den diplomatischen Sachen mal ganz abgesehen. Zudem geht es meinem Vater schlechter, die Noioniten haben mich kürzlich informiert. Er scheint immer öfter Dinge zu vergessen, ist orientierungslos und seine Bewegungen sind fahriger. Ich werde ihm demnächst mal besuchen. Aber bis dahin… Verzeiht, ich lasse mich hier über meine praiosgefügten Pflichten aus. Das sollte ich nicht tun.“ Schuldbewusst schaute Tsaiana von Waldfang-Angerwilde zu Boden. Das waren ihre Probleme, nicht die der Tsageweihten. „Aber Euer Hochgeboren, es ist meine Aufgabe als Geweihte mich um die Sorgen und Nöte der Menschen zu kümmern. Auch um die Euren.“ Sie lächelte dabei vielsagend. „Aber davon mal abgesehen, bin ich froh, dass Ihr hier seid. Ich wollte Euch heute ohnehin um eine Audienz bitten.“ Dabei wurden die Gesichtszüge ihrer Hochwürden wieder ernst. Überrascht sah Tsaiana auf und Neugier spiegelte sich nun in den strahlend grünen Augen. „Aber kommt doch bitte mit hinein, dies sollte nicht vor den Toren des Tempels besprochen werden.“ Gemeinsam traten Sie in den großen Andachtsraum, der durch die bunten Butzenglasfenster in ein regenbogenfarbenes Licht getaucht. Sie setzten sich auf die Bank vor der Tsastatue, worauf sich einige Eidechsen in dem bunten Licht sonnten. „Ich träumte heute Nacht. Es war aber kein gewöhnlicher Traum.“ Sie machte eine bedeutungsschwere Pause. „Der Traum war eher… eine Vision. Und in dem kamt ihr vor.“ „Ich?“ entfuhr es der jungen Frau. „“Wieso ich?“ „ Die Wege der Götter sind unergründlich. Aber lasst mich erzählen. Ich träumte von einem herrlich sonnigen Tag. Ich sah einen Wald und bewegte mich binnen eines Wimperschlages zu diesem hin. Dann vernahm ich einen süßen Duft. Diesem folgte ich zu einem Fluss, es war womöglich der Tsadel. Diesem folgte ich flussaufwärts. Da gelangte ich im tiefsten Wald auf eine wunderschöne Lichtung, eine Waldwiese mit herrlichen Blumen und vielen Schmetterlingen. Ich sah kurz in den Bach und war überrascht, nicht mich, sondern euch zu erkennen. Dann wachte ich auf.“ Tsaiana sah die Geweihte mit offenen Mund am. „Ich denke, ihr solltet dem Tsadel in den Wald folgen. Alleine. Und diese Lichtung suchen. Ich habe darüber den ganzen Morgen sinniert. Und ich bin sicher, es war ein Fingerzeig der ewig Neuen.“ Abschätzend schaute sie der Adligen vor ihr ins Gesicht. Die schien sich wieder zu fangen. „Nun, dann werde ich wohl eurem Traum folgen. Bitte informiert ihr Ungulf für mich, es wären einfach zu langwierige Diskussionen ob ich allein in den Wald reiten sollte… Ich werde direkt aufbrechen.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und eilte bereits zur Tür. „Tsa hat etwas Neues für Euch erdacht, ich halte euch nicht auf. Ich werde auf der Burg Bescheid geben. Tsa mit Euch!“ Und schon war die Baronin von Waldfang auf dem Rücken ihres Pferdes und ritt etwas Neuem entgegen.