Geschichten:Tsas Tränen - Am Grenzstein zwischen Bugenhog und Hutt
6. Peraine 1030, Baronie Hutt
Praiodan von Steinfelde ließ den Blick erneut über seine Leute schweifen, die im Schatten eines Gehölzes am Straßenrand vom Marsch seit dem Morgengrauen ausruhten und ein wenig ihres Proviants verzehrten.
Endlich! Nach den langen Wochen des Wartens und Vorbereitens würde endlich etwas geschehen. Die in Briefen übermittelten Durchhalteparolen vom Grafen Luidor und die beschwichtigenden Worte von Baron Alrik hatten die Laune des Ritters nie wirklich bessern können, im Gegenteil. Die Übergriffe gegen seine Hörigen hatten über den gesamten Winter nicht aufgehört und es hatte nicht viel gegeben, was Praiodan hätte tun können. Zwar hatte er noch zweimal Glück gehabt und ein paar der Dunkelknechte zu fassen gekriegt. Allein die Befriedigung, die Halunken an den Ästen der Eiche am Dorfeingang baumeln zu sehen, nachdem sie ordentlich mit heißen Zangen malträtiert worden waren, hatte sich nie lange gehalten. Und dies hatte seine Umgebung zu spüren bekommen. Auch jetzt hielten alle gehörigen Abstand vor dem Ritter, denn der kleinste Umstand hatte zuletzt zu gewalttätigen Wutausbrüchen seitens des Steinfelders geführt, denen sich angesichts der Statur des Mannes keiner aussetzen wollte. Doch im Moment, als die Nachricht eintraf, sich dem Heerzug gen Appelhof anzuschließen, war der Missmut in Praiodans Miene mit einem Schlag wie weggewischt gewesen.
Ein lauter lang gezogener Pfiff begleitet von Hufgetrappel ließ den Ritter die Straße hinabblicken. Praioswin und Praioswald, seiner Schwester Kinder und Zwillinge, kamen auf ihren Gäulen in Sichtweite und schnell näher: „Sie kommen!“
„In einer Viertelstunde werden sie hier sein.“
„Es sind mindestens 300!“
„Ungefähr 50 Ritter.“
„Wie es aussieht, werden sie vom Windischgrützer angeführt!“
Praiodan nickte knapp und schnaubte durch die Nase: „Hoffen wir, dass der Baron von Natzungen von seinem letzten Angriff auf eine Stadt etwas gelernt hat. Als ob der Graf keine anderen Heerführer hätte, aber meinetwegen. Dann haben wir mehr Gelegenheit uns auszuzeichnen...“
„Und Beute zu machen?“
Der Steinfelder blickte seinen Neffen scharf an und sagte nach einer kurzen Pause: „Vielleicht, Praioswin. Aber vielleicht auch nach unserem Tod noch einmal aufzustehen…“
Der Braune, den Praioswald ritt, machte bei diesen Worten plötzlich einen unruhigen Schritt zur Seite und für einen Moment dachte der Ritter, einen kalten Hauch zu verspüren, der die Straße hinab wehte.
„Ach Possen!“ Praiodan von Steinfelde brummte und befahl dann den übrigen Waffenknechten lautstark, sich auf die Ankunft des Hartsteener Heerzuges vorzubereiten.
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