Geschichten:Turm auf Dame - Das Bollwerk vor der Finsternis
Burg Angareth am Arvepass, in den Katakomben,
22. Travia 1036 BF, am Nachmittag
Dutzende Kerzen brachten Licht in die Finsternis in den Gewölben unter der Burg. Die Kapelle des Praios befand sich anders als die meisten Häuser des Götterfürsten nicht im Licht der Sonne, sondern gleichsam einem Bollwerk gegen die dort lauernden Schrecken in den Katakomben Angareths. Vor dem Altar aufgebahrt lag der zerschmetterte Leib einer jungen Frau. Ohne Kleidung konnte man nun kaum noch erkennen, um wen es sich bei der Unglücklichen gehandelt hatte, die man bei den sofort eingeleiteten Aufräumarbeiten unter den Trümmern des Nordturmes entdeckt hatte. Die quaderschweren Blöcke, die einst von Dämonen aufgetürmt worden waren, hatten die irdische Hülle zermahlen. Die grünen Fetzen, die einmal die Kleidung des Opfers waren, lagen etwas abseits auf einem Schemel.
Die Geweihte des alveranischen Herrschers betrachtete konzentriert den Leichnam, während ihre Geschwister im Orden vom Bannstrahl mit ihr beteten. Schließlich hob sie den Blick, der sich mit dem des Ordensritters Hellrain traf. Langsam und bedeutungsschwer schüttelte die alte Priesterin den Kopf und zog dann ein Laken über den geschundenen Leib. Der Krieger löste sich daraufhin aus der Gruppe und wandte sich der nur wenige Schritt entfernt stehenden Tür zu, in der sich halb in der Kapelle und halb außerhalb - es hatten nicht alle etwas von dem beschränkten Platz darinnen ergattern können, ohne den Bannstrahlern ungebührlich auf die Pelle zu rücken - verschiedene Personen versammelt hatten. Das Wort richtete er an den in erster Reihe stehenden Landvogt und Heermeister. "Es ist keine Spur an ihr, dass sie von den Widersachern berührt worden ist." Aldron nickte. Das deckte sich soweit mit der Aussage des Magiers, der den Leichnam gleich nach seiner Entdeckung unter dem Trümmerhaufen untersucht hatte, der nun den Pass blockierte. Den ganzen Tag gestern hatten Garnision und Heerelagener geschuftet. Am frühen Nachmittag schließlich war dann die Leiche entdeckt worden. Die Frau hatte sich offenbar irgendwo in der Nähe der Fundamente des Turms aufgehalten, als dieser zusammenbrach. Zufall? Wohl kaum, selbst wenn sie keine Paktiererin war.
Aldron wartete einen Augenblick, ob der in strahlendes Weiß Gewandete noch nachsetzte, hakte dann aber nach, als Hellrain schwieg. "Also war sie, was sie sagte, Burcanon?" Der Bannstrahler atmete einmal tief durch, erklärte dann aber ruhig: "Nach allem, was wir wissen, muss man davon ausgehen, dass Nanduriane von Falkenstein zum Zeitpunkt ihres Todes noch immer eine Dienerin des Hesindesohnes war." Dabei gab er sich keinerlei Mühe, sein Mißtrauen zu kaschieren. Aldron nickte langsam. "Macht das Resultat auch nicht besser. Es ist viel zu tun."
Dann wandte er sich an seine Entourage. "Hauptmann... ihr leitet die Aufräumarbeiten weiter. Die Rehabilitanten nehmt ruhig hart ran. Sie sollen spüren, was sie uns eingebrockt haben. Kinare, ich will sobald wie möglich aus den Trümmern meine Brustwehr haben." Die Kasematten unterm oberen Hof und die Mechanik des Tores waren noch intakt, dass waren die guten Nachrichten, die die Begehung der Unglücksstelle gestern Mittag noch ergeben hatte. Allerdings war der Pass nahezu unpassierbar und die Trümmer waren so unglücklich gefallen, dass man mit einiger Mühe aber dennoch von dort aus bis ins Torhaus klettern konnte, dessen Außenwand mit dem Turm zusammen abgegangen war.
"Was soll hiermit geschehen?" Inelde von Seehof hob den schlichten Beutel, in dem die Dinge lagen, die man bei der Geweihten unter den Steinen gefunden hatte. Der ältere Firunslicht maß den Beutel nur kurz mit einem abschätzigen Blick, dann streckte er die Hand aus. "Das werde ich mir ansehen." Vielleicht, so hoffte er, fanden sich verwertbare Informationen.
◅ | Ein bemerkenswerter Abgang |
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Abgründe öffnen sich | ▻ |