Geschichten:Umwege - Die letzten Schlücke
Burg Aubinge, im Thronsaal, Anfang Rondra 1037 BF
Offensichtlich war die Mistelsterin aufgetaut, dachte Hlutharion. Nur wusste er grad nicht einzuschätzen ob die Röte in ihrem Gesicht von der schwindenden Verlegenheit oder dem Wein rührte, wahrscheinlich beides. "Was für ein unschuldiges Ding.", dachte er, "Und das bei einer doch auch schon sehr bewegten Vergangenheit. Aber vielleicht hatte sie sich genau deshalb diesen Mantel zugelegt, als Schutz." Das kannte er nur zu gut, nur das sein Mantel aus einem anderen Stoff bestand. Deswegen nahm er die Situation auch relativ gleichtgültig wahr, wie alles. Doch zugegebener Maßen erfreute ihn die Unschuldigkeit Selissas ein wenig und er goß sich seinen nun auch schon 4 oder fünftenm Pokal voll, so dass die Karaffe leer war und ein Diener gerufen wurde um nachzufüllen.
Danach kam Hlutharion wieder zurück auf das vorherige Gespräch. "Sturmfels-Feuerfang? Nein...nie gehört. Aber...wie ich sehe... war auch Euer Leben bewegt. Meines ebenfalls. Mich zog es...unfreiwilliger Weise...in die Ferne, weit von meiner...Familie und dort habe ich nur wenig schöne...Erfahrungen machen können, doch lehrreich waren sie allemal. Aber das ist Vergangenheit...der Herr Boron lehrte mich die Gunst des Vergessens. Ich sehe nur noch in die Zukunft." Das war dick aufgetragen, dachte er sich, solcherlei Großgerede war ihm eigentlich zu wider, vor allem der vieldeutige Blick den er ihr am Ende seiner Antwort zugeworfen hatte, er schrieb das dem Wein zu. Auch dass sie sich während des Gesprächs deutlich näher gekommen waren.
Doch die junge Frau nahm die Nähe nicht wirklich zur Kenntnis, sie plauderte stattdessen wie ein plätschernder Wasserfall weiter. „Ich …bin keine gute Partie!“ Brachte sie schließlich angestrengt heraus. „Der Erbe des Gutes ist Anshelm, wie ich bereits sagte, und …ich kann mir derzeit nicht vorstellen, was mein Herr Vater…“ stammelte sie verlegen.
„Nicht dass man Euch …unter Umständen angetragen hat, dass unser Familiengut eine Mitgift wäre.“ Hauchte sie dann mehr, als das sie es laut aussprach. Herrje, was musste er aber auch so schwer von Begriff sein. Ein junger Mann, scheinbar in der Gunst der Baronin, er würde sicher gleich Abstand nehmen. Dieses aktive Aufbegehren gegen ihren Altvorderen, indem sie dem an sich fremden Mann auf ihre Mittellosigkeit hinwies, verlangte ihr und ihrer Praiosgläubigkeit einiges ab.
Ihr Gegenüber wusste allerdings dass Geshla durchaus bereit war dem Vater Selissas etwas dafür zu bieten wenn dieser meinte eine solche Entscheidung rechtfertigen zu müssen, falls dieser anders als offensichtlich seine Tochter etwas mehr von den Gerüchten rund um ihn, seine Schwester und auch Geshla gehört haben sollte. Deswegen winkte Hlutharion nur beschwichtigend ab. "Ich bin mir der Umstände völlig im Klaren, seid unbesorgt, die Entscheidung ist gründlich abgewogen." bog er seine Antwort um eine Lüge herum und setzte zur Beglaubigung wieder eines seiner äußerst zaghaften Lächeln auf. "Und ich hoffe doch auch ihr gramt mir und der Baronin nicht ob einer solchen Überraschung, wer weiss wie viele davon noch auf uns warten. Das kenne ich nur all zu gut." ‚das war unter Umständen etwas zu viel des Guten!‘ dachte Hlutharion und trat als Lösungsansatz noch einen Schritt näher an Selissa heran, so dass sich ihre Fußspitzen nun beinahe berührten und hielt ihr seinen erneut vollen Pokal zum Anstoßen hin. Und der Alkohol ließ es kribbeln.
„Oh!“ brachte sie nur überrascht heraus, und streckte brav den eigenen Pokal dem Seinen entgegen. „Dann will ich Euch nicht weiter mit meinen törichten Fragen zu Nahe treten. Schließlich habt Ihr offenkundig alles wohl bedacht. Vermutlich war ich nur zu überrascht, ob der Eile, das ist alles.“ Ihr Gesicht wirkte wieder entspannt, und sie seufzte kurz zufrieden auf.
Die Augen der Mistelsteinerin blickten Ihn nun erwartungsvoll an, scheinbar erwartete sie von Ihm einen Trinkspruch oder etwas anderes? Schweigend stand er da und Selissa sah wie ab und an seine Lippen zuckten, aber die Unschlüßigkeit ihn weiter überlegen ließ. Dann blickte er ihr etwas verlegen in die Augen, die ihn wiederrum strahlend unschuldig und etwas glasig musterten, immernoch in Erwartungshaltung, wie jung sie wirkte. Einen Moment der süßen Peinlichkeit brachte beiden ein fröhlich-betretenes Lächeln bei, während die Kerzen auf der Tafel knisterten. Hlutharion rückte noch etwas näher wollte etwas sagen oder doch nicht? Selissa wurde ganz warm, als plötzlich die Tür aufsprang und Baronin und Vater frohen Mutes durch die Tür spazierten und kurz etwas verwundert drein blickten.