Geschichten:Umwege - Im Wald I

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Baronie Gnitzenkuhl, Im Wald, Ende Travia 1037 BF

Zu seiner Überraschung wollte Selissa unbedingt in das kleine Dörfchen Reiten, in dem, so wußte er nach einem ersten Besuch mit Geshla von Gnitzenkuhl, keinerlei Wohnstatt einzugsbereit und standesgemäß war, um Sie beide zu beherbergen. Von einem adligen Haushalt ganz abgesehen!

Eben hatte Sie ihn dazu befragt, wie denn nun die barönlichen Pläne seien, die ihr Herr Bruder schon angesprochen hatte. Doch aus ihrem Mund sprach reine Neugierde, wohingegen ihr Bruder andere ZIele im Sinne hatte mit seiner Frage. Und so berichtete Hlutharion ihr von den derzeitigen Plänen: „Ein kleines Gut…soll extra in Kohlhof errichtet werden. Die Baronin will mich… dort haben um die Schmuggelei…über den kleinen Waldpfad aus Haselhain einzudämmen doch…ich werde als ihr erster Ritter wohl auch öfter reisen müssen, um Konflikte zu schlichten, sagt sie. Du wirst in den Tagen meiner Abkunft meine…Vertreterin in Kohlhof sein. Ich gebe zu…Kohlhof ist etwas ab vom Schuß, aber gerade deswegen dort meine…unsere Hilfe am meisten gebraucht.“ Eine Lüge war das nicht, zumindest in Anbetracht dessen, dass er sich das selber versuchte einzureden, trotzdem fühlte er sich komisch, vorallem nach der Begegnung mit Selissas Bruder, der es geschafft hatte ihm ein schlechtes Gewissen gegenüber Selissa zu verpassen, die ihn verträumt ansah und sich anscheinend tatsächlich auf Kohlhof freute während sie neben ihm auf dem Pferd den schamlen Karrenweg nach Kohlhof daherritt.

Dieser schmale Karrenweg hatte seine besten Zeiten schon hinter sich, dachte Selissa als sie in die Dämmerung des Waldes abbogen. "Welche Pläne hat sie denn nun was die Wohnstatt angeht? Meine Erinnerung täuscht mich doch nicht, oder? Es wird etwas neu gebaut werden müssen, oder? Haben wir Mitspracherecht? Können wir gar selbst bestimmen, wie es aussehen wird?" platzte Sie jetzt doch mit dem raus, was sie scheinbar beschäftigte.

"Die Baronin hat mir...uns...ausdrücklich ein Mitspracherecht eingeräumt.", war die knappe Antwort.

"Gut." War die ebenfalls knappe Antwort, doch er hörte deutlich, dass sie weit mehr sagen, oder fragen wollte, er merkte mittlerweile deutlich dass sie Schwierigkeiten mit seiner Schweigsamkeit hatte und dasbeschämte ihn noch ein bisschen mehr.

"Ich glaube Madalieb braucht eine kleine Rast. Sie wird so unruhig." Das Reittier Selissas war soweit er das beurteilen konnte schon die ganze Zeit sehr temperamentvoll und würde am liebsten querfeldein sich mit wem oder was auch immer in Geschwindigkeit messen, doch die zierliche Frau, schien das kaum zu bemerken, und sie spielerisch im Griff zu haben.

"Dort drüben geht der Bach entlang, dort können wir sie tränken." Ohne auch nur auf eine Zustimmung seinerseits zu warten lenkte sie mit leichtem Schenkeldruck die Stute dorthin.

Suchend sah sie sich nach einer Absteighilfe um, und musterte auch nicht sonderlich glücklich die Umgebung. Kein Fels oder ähnliches bot ihr Hilfe. Fragend blickte sie in seine Richtung, sagte jedoch nichts.

Er atmete einmal tief durch, sanft, stieg dann wie üblich pragmatisch-unatheltisch ab und zu ihr zu schleifen, sein Bein war nach langen Ritten immer noch ein bisschen steifer. Unbeholfen bot er ihr seine ineinander gelegten Hände als Steighilfe a, die Linke dabei wie üblich versteckt, so gut es ging. Sie schluckte, das vergaß sie so häufig, doch lächelte dann sanftmütig und dankte ihm ehrlich für seine Hilfe. Als sie ihr Gewicht schließlich auf seine Hände verlagerte zuckte er kurz etwas zusammen, sie erschrak und verlor das Gleichgewicht, doch Hlutharion konnte sie etwas unsanft aber sicher auffangen und sie lag direkt in seinen Armen, sein Atmen ging erschrocken schwer und sein Herz pochte wild, das spürte sie. Er schämte sich, doch ihr unschuldiges Lächeln verzieh ihm.

"Wie gut, dass ich nicht aus Glas bin!" sagte sie schmunzelnd und ergänzte: "Das müssen wir noch üben!" Hlutharion nickte nur doch erfreute sich insgeheim erneut über ihre Leichtigkeit.

Mühelos schwang sie jetzt ihre Beine aus seinem Griff während sie sich an seinem Hals fest gehalten hatte. Für einen kurzen Moment hatte er geglaubt sie wollte ihn küssen. Eine Hauch unaufdringlichen Parfums hatte ihn dabei gestreift. Ganz anders als die Düfte, die er von Geshla gewohnt war. Doch dann ließ sie sich an ihm hinab gleiten und stand auf sicherem Boden.

Mit einer Selbstverständlichkeit die ihn überraschte nahm sie seine gesunde Hand, und geleitete ihn zu einem querliegenden Baum, der unweit der trinkenden Rösser über dem Bach lag. Sie setzte sich, und zog ihn ebenfalls hinab, sodass sie nebeneinander zum sitzen kamen. Seine Hand hatte sie los gelassen, wenn er auch meinte, widerstrebend. Und auch er musste zugeben, dass ihm diese Geste des Vertrauens gefallen hatte, beinahe hatte ungläubig mit dem Kopf geschüttelt, es aber noch unterdrückt und sich einfach gesetzt.

"Der Wald hier ist schon alt. Mein Vater berichtete mir einmal, dass er angeblich mit dem Trollholz zusammen einen großen Tannicht gebildet hatte." Sie blickte sich um und beäugte mit in den Nacken gelegtem Kopf die Baumriesen. Wenn man den Stämmen mit den Blicken folgte, mußte man sich weit zurück lehnen, um ihr Ende im Blätterdickicht zu erkennen. Dabei verlor sie fast das Gleichgewicht, und griff schnell nach seinem Unterarm, wo sie sich fest hielt und aus eigener Kraft zurück zog.

Ärgerlich kam aus ihrem Munde: "Was ist nur heute los...?" Einige kleine Falten auf der Stirn kündeten von Unmut. "Ich vergaß zu frühstücken, das wird es wohl sein, was mich heute ein wenig wacklig auf den Beinen sein läßt!" Die hastig vorgebrachte Entschuldigung sprach allerdings eine andere Sprache.

Sie wirkte nervös. Die Nähe zu Hlutharion brachte sie aus dem Konzept, wenn sie auch keineswegs ablehnend wirkte. Auch er war ob dieser sehr intimen Situation, das erstemal ganz allein mit ihr und so nah seit dem Treffen auf Burg Aubinge. Er war immer noch distanziert, doch Selissa machte ihm dies nicht gerade leicht, ihre Leichtigkeit war stärker als seine Lethargie und es rang ihm ein Lächeln ab, dass ihr zum ersten Mal nicht gänzlich unheimlich vorkam.

Beinahe verschüchtert und etwas unsicher fragte er: "Und...was erzählt...man sich...hier über den Wald?" Selissa's Herz machte einen kleinen Ruck, das war das erste Mal das Hlutharion mehr als nur das Nötige sprach.