Geschichten:Umzug nach Dreihügeln - Das Archiv
Zeit: Anfang Rondra 1034 BF
Ort: Junkergut Dreihügeln
Personen:
- Edelgunde Gramhild von Schroffenstein;
- Tsara, Witwe des ehemaligen Junkers;
Einige Wochen war sie nun schon im Dorf und hatte sich mit den Einwohnern bekannt gemacht. Überraschender Weise traf sie auf weniger Anfeindungen, als die Edle erwartet hatte. Das Volk hier erschien ihr im Gegenteil derart gerade heraus und schier berechenbar, dass man ihr schlichtweg sagte, wenn man mit einer ihrer Entscheidungen nicht einverstanden war oder sie gelegentlich gar für gut befand. Den gebetskettenartigen Satz "Aber das haben wir doch schon immer so gemacht!" konnte sie
mittlerweile schon nicht mehr ertragen. Innerlich hatte sie sich bereits zu dem Eingeständnis durchgerungen, dass sie langsam und Schritt für Schritt vorgehen müsse, da ihr diese Menschen hier oftmals nicht in der Lage schienen, die Vorteile ihrer Ideen zu erkennen. Die Frauen schienen dabei noch die verständigeren unter den Dörflern zu sein.
"Gut, dann also erst einmal die Bücher." hatte sie sich selbst gesagt und sich schon während der namenlosen Tage die Kladde vorgenommen, die dem vorherigen Perlvogt als Notizbuch gedient hatte. Anfangs hatte sie es erst nicht glauben wollen, dass sie damit wirklich alle Notizen haben sollte, die in diesem Dorf sämtliche Zahlen enthielten, die in den letzten Jahren erwähnenswert gewesen waren. Inzwischen hatte sich Gramhild mit der Wahrheit abgefunden. Ihr Vorgänger war schlicht des Schreibens nicht mächtig gewesen und hatte sich mit einfachen Symbolen beholfen. Hinter jedem dieser einfachen Zeichen kündete eine Reihe vieler Striche von der Häufigkeit des entsprechenden Ereignisses. Nun hatte sie damit angefangen, aus diesem Wirrwarr verständliche Zahlen heraus zu deuten.
Am Abend saßen Tsara und Gramhild zu zweit in der Stube am Kamin. Während die neue Vögtin die Bücher... 'das Buch!', korrigierte sie sich gedanklich selbst - der letzten Jahre durchging, häkelte die alte Witwe und beantwortete immer wieder Zwischenfragen der jüngeren Frau. „Die kleinen Männchen mit dem Knubbel in der Mitte stehen also für die Geburten und die gestrichelten Schalen stellen die Zahl der zu Boron Gegangenen dar. Die kleinen bis hin zu den größeren Kreisen scheinen die Perlenernte zu sein. Aber könnt Ihr mir vielleicht verraten, was diese halbrunden Dinger mit den Stelzen sein sollen?“ Tsara legte einen Moment das Häkelzeug in den Schoß und schaute auf das Zeichen, das die Edle ihr zeigte. "Das sind Schafe, erkennt man doch an dem gewellten Strich oben, der ist für die Wolle." Schmunzelnd über die Verblüffung der Adligen lehnte sich die Alte wieder in ihren Sessel zurück und häkelte still weiter. Die Schroffensteinerin indes stand auf, legte das Büchlein auf den Stuhl, auf dem sie soeben noch gesessen hatte, und begab sich in Richtung der Tür. "Ich gehe ein wenig spazieren. Ich brauche wohl etwas Ablenkung." Die beiden Hunde, die bis zu diesem Moment vor dem Kaminfeuer gedöst hatten, sprangen auf und folgten ihr aus dem Raum.