Geschichten:Unergründliche Tiefe – Feuer & Wasser
Alkenburg, Landritterherrschaft Alka, Gräflich Silz, Ingerimm 1045 BF:
Es war um die Mittagszeit, kurz vor der Praiosstunde, als Schnaufen und Klirren über den schlossähnlichen Burghof hallten. Verbissen und mit Schweiß auf der Stirn droschen die beiden Knappen Trestena und Wulfger mit ihren Übungsschwertern aufeinander ein. Beide hatten ihre ritterliche Ausbildung frisch begonnen, Trestena bei ihrer Tante Askja und Wulfger bei Landritter Brinwulf. Die Familie Alka pflegte unter sich zu bleiben, was die Ausbildung ihrer Nachkommen betraf – so pflegte es zumindest Brinwulf.
Wulfger, ein Bastard von Brinwulfs Base Tanit, war aufbrausend und fordernd. Er trug so viel Aggression in sind, so viel Enttäuschung – all das bahnte sich nun seinen Weg. Trestena, die womöglich einmal ihrem Vater als Landritterin nachfolgen würde, war von eher ruhigen Naturell. Doch die ungestümen Attacken ihres entfernten Vetters lockten auch sie aus der Reserve und ließen in ihr eine ungekannte Tatkraft an die Oberfläche sprudeln. Sie musste sich beweisen – das mussten sie alle, hier im wuchernden Wald.
Die beiden Zwillinge Phexiane und Marnion kauerten auf einer Bank am Brunnen und feuerten die beiden Kämpfenden eher halbherzig an – die beiden Pagen würden zu gerne auch schon Knappen sein und neideten den beiden ihre neue Stellung.
Anders Ulmine, die jüngere Schwester der beiden Zwillinge. Aus unergründlichen, leuchtend blauen Augen blicke sie umher, doch ihr Blick war nach Innen gerichtet. Was um sie herum geschah, nahm sie nur schemenhaft wahr. Die meiste Zeit war ihr Geist in ihrem Inneren gefangen. Sie war ruhig, sprach fast nie und nahm eher anteilslos am Leben auf der Burg teil. Sie fühlte eine seltsame Distanz zu den Menschen um sie herum. Einzig am Ufer des Alkensees fühlte sich das kleine Mädchen wohl. Jeden Tag trieb es sie an die dunklen Ufer des Waldsees und blickte in die finstere Tiefe.
Im weißen Ornat eines Quaestor Lumini betrat Trestenas jüngerer Bruder Arved den Burghof. Der Junge wurde schon in frühen Jahren in Obhut von Hofkaplan Boromäus Holmer gegeben und war auf der Burg für seinen Eifer im Glauben bekannt. Der junge Lichtsucher schlug den Gong zur Praiosstunde und tat allen Anwesenden somit kund, sich vor dem Praiosschrein einzufinden. Doch Ulmine fühlte schon lange ein großes Unbehagen. Es als ob sich ihr Körper nahezu wehrte das Heiligtum des Götterfürsten zu betreten. Doch sie wusste nicht warum. Je mehr das Unbehagen wuchs, das sich auch gegen ihren Vetter Arved richtete, um so stärker wuchs ihr Drang nach dem See. Jede Nacht träumte sie von den finsteren und unergründlichen Tiefen des Alkensees und jede Nacht wurde der Ruf des Sees nach dem Mädchen immer stärker.