Geschichten:Unruhige Zeiten - Kapitel 3
Ende Travia 1043 BF, Burg Kressenburg
„Was gibt es Neues, Ingmar? Die Gerüchte schießen wie Pilze aus dem Herbstlaub, aber ich will gerne hören wie es wirklich um den Reichsforst steht.“ Baron Ardo deutete seinem Vetter einladend den gefüllten Bierkrug zu ergreifen, doch war seine Miene durchaus angespannt.
Durstig griff der Reichsforster Ritter zu und leerte den halben Humpen, bis er zu seinem Bericht ansetzte. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben muss ich sagen, dass es besser laufen könnte.“ Mit dem Handrücken wischte er sich den Bierschaum vom Oberlippenbart und schnalzte einmal kurz anerkennend mit der Zunge. Das Kressenburger Bier hatte er in den letzten zwei Monden im Feld fast so sehr vermisst wie sein Weib. „Zuerst sah alles sehr gut aus. Wir haben die Hartsteener förmlich zerschmettert! Von Rallerspfort aus sind wir bis Bärenau gezogen und haben uns schadlos gehalten. Im Norden sind wir weiter wie das warme Messer durch die Butter und haben Aldenried, Puleth und Reichsgau praktisch wehrlos vorgefunden, nachdem der Junker von Carvans Steg unsere Truppen hat durchziehen lassen. Der Grabandt hatte wohl mehr Angst um seine Ernte und seine Bauern, als vor dem Zorn des alten Igels. Wahrscheinlich ist er dem Hartsteen noch immer gram, schließlich hatte er es damals in der Fehde mit Graf Geismar gehalten. An der Grenze zu Hutt und Natzungen sind wir dann auf Truppen aus Waldstein, dem Schlund und der Kaisermark getroffen, die ähnlich erfolgreich durch die Hartsteener Lande gezogen sind.“
„Das klingt so, als wäre Rondra den Hartsteenern nach Odilberts Verfehlungen sehr ungnädig gewesen. Was ist dann geschehen? Man munkelt die Kaisermärker hätten auch euch das Leben schwer gemacht.“
Ingmar schnaufte halb zornig, halb belustigt. „So könnte man es auch nennen. Den blanken Hintern versohlt haben sie uns! Über Randersburg, Hirschfurten und Syrrenholt sind sie auf breiter Linie nach Reichsforst eingefallen wie die Heuschrecken. Gemeinsam mit Truppen aus Eslamsgrund, wenn man den Berichten Glauben schenken darf. Und das Ganze auch noch ohne eine ordentliche Fehdeerklärung, ohne die geringste Provokation von unserer Seite! Diese feigen, hinterlistigen Hunde! Natürlich hatten die paar Grenzwächter keine Chance ihren Plünderungszügen Einhalt zu gebieten. Unsere Truppen standen allesamt in Hartsteen. Bis wir zurückgeeilt waren, gab es in Hirschfurten, Syrrenholt und Rubreth nur noch verbrannte Felder und leere Weiden.“
„Das klingt alles sehr beunruhigend.“ Nachdenklich schabte sich Ardo mit der Hand über den Dreitagebart. „Ganz abgesehen davon, was die Reichsforster Rückschläge für die Zahlungsfähigkeit Graf Dregos bedeuten könnten, finde ich es sehr bedenklich, dass inzwischen ganz Garetien involviert zu sein scheint.“
„Mach dir über dein Silber keine Gedanken, Ardo. Mein Schwiegervater hat das Ohr des Grafen und konnte von unseren Erträgen aus Hartsteen genügend zurückstellen, um die geplanten Lieferungen bis zum Winter zu finanzieren. Ich habe auch einen Wechsel der Nordlandbank über das erste Viertel der Vertragssumme für dich dabei.“ Der Ritter griff an seine Gürteltasche und entnahm einer gewachsten Lederrolle ein mit dem Siegel des Reichsforster Grafen versehenes Pergament.
Baron Ardo nahm es entgehen und nickte zufrieden, nachdem er es kurz überflogen hatte. „Das wird Phexian freuen. Damit können wir schon einmal die Verbindlichkeiten tilgen, die uns ernsthaft in Bedrängnis gebracht hätten, wenn der Vertrag geplatzt wäre.“
„Wie gesagt, Ritter Reto ist vom Grafen mit vielen Vollmachten ausgestattet worden, denn der Reichsforst braucht die Kressenburger Waffen und Rüstungen. Jetzt noch mehr als zuvor. Als Antwort auf den feigen Überfall aus der Kaisermark sollen zusätzlich Landwehrbanner ausgehoben werden, um die Grenzen zu sichern und zeitnah zurückzuschlagen.“
„Zurückschlagen? Inwiefern?“
„Was denkst du denn, Vetter? Graf Drego hat getobt, als er vom feigen Verrat der Kaisermärker erfahren hat und wird nun nicht eher ruhen, bis die Goldene Au in Flammen steht! Feuer mit Feuer!“