Geschichten:Unter einem Banner – Der Schwurbund von Weißenstein
Praios-Tempel zu Weißenstein, 29. Travia 1043 BF:
Es war eine gar festliche Zeremonie, die sich am Tag des Heiligen Gilborn im Weißensteiner Tempel des Götterfürsten ereignete. Aus allen Ecken Waldsteins waren Adlige in den größten und bedeutendsten Praios-Tempel der Grafschaft gekommen um diesem Ereignis beizuwohnen. Der Erbe der Weißensteiner Lande, Arlt von Weißenstein und Nerea aus dem jüngeren Hause Streitzig hatten den Bund der Travia geschlossen. Gesegnet wurde der Bund vom Custos Lumini Lechmar von Weißenstein persönlich.
Nach dem Praiosdienst schritten die Angetrauten mit Blumenkränzen im Haar und Praios gefälligen Stickereien auf ihren Gewändern vor den prächtigen Tempel um die Glückwünsche der Gäste entgegen zu nehmen.
Selbstzufrieden dreinschauend steuerte Arlt eine achtköpfige Gruppe an, die unter der Henkerseiche, etwas abseits des allgemeinen Trubels, auf ihn wartete.
„Willkommen im Bund der Ehe – mal wieder“, prustete Hardane von Waidbrod und deutete Richtung Eiche, „der Henker wartet schon auf dich!“
„Der Henker hat hier in Weißenstein eh am meisten zu tun, nicht wahr, Arlt?“ Praigold von Nadlau grinste neckisch. „Wobei, hier wird man ja noch gut praiotisch verbrannt.“ Die Anspielung auf die Umtriebe der ketzerischen Bekenner hier im Tempel waren unüberhörbar. Diese waren es auch, die Arlts erste Gemahlin, eine Leustein, ermordeten.
„Versau uns nicht den Tag, Nadlau!“, polterte Girte von Keilerau und auch die junge Alrike von Breitenbach stimmte mit ein. „Du bist echt unmöglich!“
„Du hast einen guten Fang gemacht, das muss ich dir lassen“, tat Alrik Raul von Hohentann kund um den eigentlichen Anlass wieder in Praios Licht zu rücken, „Immerhin eine Streitzig, stimmts Leomar?“
„Unsere Familie waren von je her in Freundschaft verbunden“, antwortete Leomar von Streitzig. Der Sohn vom Waldsteiner Seneschall war ein guter Freund des Bräutigams. „Und eine Verbindung mit uns Streitzigs hat noch niemanden geschadet, oder Hilger?“ Der Erbe von Rallerquell nickte grinsen, war doch seine Mutter eine Streitzig.
„Nur das die Weißensteiner mit den Priesterkaisern im gleißenden Licht untergingen und die Herrschaft über ihre Baronie verloren, während das Ross der jungen Streitzigs zu Praios empor stieg und seht euch an wohin es sie geführt hat – bis vor den Grafenthron.“ Nadlau verschonte seinen Freund Arlt auch an dessen großen Tag nicht vor seinem berüchtigt bissigem Spott.
„Nadlau!“, zischte Hermine von Alka, doch ihre Intervention wäre gar nicht notwendig gewesen.
„Du bist nur der Schwerthalter für deine Gemahlin, du kannst mir nichts anhaben.“ Der Weißensteiner gab sich betont ungerührt, obwohl ihm das Gesagte schon wurmte. Von dem Fall und dem Verlust ihrer Baronie hatte sich seine Familie bis heute nicht erholt. Einzig die Junkerwürde des Marktfleckens Weißenstein blieb ihnen. „Aber meine Freunde, wurden wir nicht alle um das gebracht, was uns eigentlich zusteht?“ Die Ritter blickte in die Runde. „Hardane, du bist immer noch nicht erste Schwertritterin, das ist immer noch die greise Zweifelfels. Alrik, willst du wirklich in dem stinkenden Moor, welches du mal erben wirst, versauern? Hermine, wann bekommst du endlich dein erstes Kommando? Nadlau, wolltest du dir nicht einen Namen machen, der mehr ist als nur von deiner Gemahlin? Girte, die Keilerau ist schon längst zu klein für dich. Hilgert, mehr als die Jagd nach Schürzen hast du auch nicht auf dem Kerbholz. Und Streitzig, von dir muss ich erst gar nicht anfangen. Sollten sich die Kreaturen des Elfenbalges am Grafenhof weiter durchsetzen, kannst du bald als Schreiber in der Reichsstadt anheuern.“
„Worauf willst du hinaus?“, wollte Girte wissen.
„Es herrscht Fehde!“ Der Weißensteiner grinste breit. „Wir können machen was wir wollen!“
„Ja, endlich können wir es dem Elfenpack zeigen wer hier in Waldstein das Sagen hat!“ Die Alka ballte ihre Faust.
„Es ist an der Zeit, dass wir aus dem Schatten unserer Vorfahren heraustreten und uns unseren Eintrag in die Annalen Waldsteins verdienen!“ Die Stimme der sonst eher maulfaulen Hardane bebte gar.
„Unsere Namen werden mit den Großen der Vergangenheit genannt werden.“ Ein Funkeln lag in den Augen des Nadlau.
„Doch, wird uns der Seneschall, dein Vater, machen lassen?“ Girte blickte fragend zu Leomar.
„Ich kann euch versichern, mein Vater wird uns nicht im Wege stehen … ganz im Gegenteil! Die Zeit ist da für Veränderung.“
„Ganz richtig mein Freund, die dem Götterfürsten treu ergebenen Familien sollten wieder ihre angestammten Plätze vor Praios einnehmen und diese ganzen Unwürdigen … Linara, Feenwasser und wie sie alle heißen, in Praios gleißendem Lichte vergehen lassen.“ Auch Hilgert war nun Feuer und Flamme.
„Das Elfenbalg soll sich zurück in den Forst tollen und Platz machen für einen würdigen Grafen!“ Die Stimme des Hohentann klang verschwörerisch.
„So sei es!“, sprachen die anderen im Chor.
„Lasst uns schwören, dass wir nicht länger ruhen wollen, bis wir diese Elfenbälger zurück in den Forst getrieben haben!“
So ritzten sich alle mit ihren Schwerten an der ihren Handflächen und reckten diese empor. Der Schwurbund von Weißenstein war geboren.
Leomar von Streitzig lächelte zufrieden. Sein Vater würde sehr zufrieden sein.