Geschichten:Uslenrieder Umstände – Verborgen im Forst III.
Grafenstieg, zwischen Buchenhain und Keilerhof, Baronie Uslenried, Ende Ingerimm 1045 BF:
Langsam und mit wachen Augen ritt Gerban von Hallerstein den Grafenstieg folgend durch den Reichsforst. Der Hausritter des Barons von Uslenried war nicht im Auftrag seines Dienstherren unterwegs, sondern handelte auf Geheiß seiner Gemahlin, der Schwester des Barons. Viel hatte sich seit dem Tod von Baron Wulf von Streitzig geändert. Der Erbe war noch in Tobrien gewesen, so übernahm Gerbans Gemahlin Ailyn die Verwaltung der Baronie – und hatte ihre Sache gut gemacht. Beliebt bei den Höflingen wie auch beim Gesinde gleichermaßen. Dann war Ailyns Bruder Corian vom Tobrien-Feldzug zurückgekehrt und wurde Baron von Uslenried. Aber wirklich angekommen war er bisher nicht. Die Geschwister, einander entfremdet, misstrauten einander und rangen um Einfluss am Hof. Gerban stand unerschütterlich an der Seite seiner Gemahlin, was für ihn nicht nur Vorteile hatte. Zwar diente er dem Baron als erster Ritter und war somit traditionell Anführer der Uslenrieder Ritterschar, doch nahm ihn der Baron bei seinen Ausritten und Gelagen nicht mit. Lieber umgab er sich mit den anderen Rittern, die ihm nach dem Munde redeten. 'Wo soll das bloß alles enden', fragte sich Gerban immer wieder. Er hatte keine Antwort darauf.
Gerban blickte nach oben. Das Praioslicht schimmerte wie einzelne Glitzer durch das dichte Blätterdach. Doch immerhin, kein Nebel weit und breit, der hier sonst gerne durch die Niederungen schlich. Aus dem sattgrünen Wald schallte ein Heer aus Vogelstimmen zu Gerban. Der Blick des Ritters fiel nun wieder auf den Boden. Er suchte nach Spuren, die darauf hindeuteten, was mit den Bierwagen geschehen sein konnte. Der Untergrund schien hier seltsam aufgewühlt, eine Vielzahl von Radspuren hatten den Boden durchfurcht. Doch einige schienen vom Grafenstieg wegzuführen.
Voller Tatendrang verließ Gerban den vermeintlich sicheren Weg und wagte sich ins dichte Unterholz. Nach wenigen Schritt war kaum noch ein Vorankommen, so dicht war der Bewuchs. Doch, war da nicht etwas hinter diesem Busch? Gerban nutzte sein Schwert, um sich seinen Weg frei zu bahnen. Tatsächlich, es handelte sich um einen arg in Mitleidenschaft gezogenen Karren. Waren darauf die Bierfässer transportiert worden? Aber wie kam der Karren ins Unterholz? Und warum war er schon so stark zugewuchert?
Während Gerban seinen Gedanken nachging, hörte er vom Grafenstieg aus ein paar Stimmen.
„Ah, mein erster Ritter. Ist mein lieber Schwager nun auch Forstmeister?“ In der Stimme vom jugendlichen Baron Corian schwang eine gehörige Portion Spott mit. Im Hintergrund hörte Gerban höhnisches Lachen.
„Nun, lieber Schwager, ich gehe hier dem Verschwinden von einiger Ladungen Uslenrieder Rotbier nach.“ Nun erblickte der Hallersteiner auch die Entourage des Barons, bestehend aus den Rittern Assik von Streitzig-Breitenbach, Alrik Zerber von Eslamsgrund, Brin von Streitzig, sowie dem Knappen Tybalt von Bärenau und der Kor-Geweihten Jessa al Tern.
„Ja ja, mein treuer Vogt von Buchenhain schrieb mir davon. Doch, wie es scheint, ist es auch schon zu dir vorgedrungen.“ Corian zog ungehalten seine rechte Augenbraue hoch.
„Zumindest ein Wagen ist hier im Wald, aber schon total zugewuchert. Von der Ladung fehlt jeder Spur.“ Gerban zuckte mit seinen Achseln.
„Nun, wenn der Wagen schon zugewuchert ist, dann kann es ja wohl nicht einer von denen sein, die wir suchen. Oder nicht?“ Ein höhnisches Lachen der Entourage des Barons ertönte.
„Sicherlich haben sich ein paar Halbstärke der Bierfässer bemächtigt, um sich damit gutgehen zu lassen“, grinste Assik.
„Ich würde das auch so machen“, stimmte der eher einfach gestrickte Brin mit ein.
Gerban spürte, hier würde er nicht weiterkommen. Der Baron nahm die Angelegenheit offenkundig überhaupt nicht ernst. „Wie ihr meint, dann habt ihr den Fall ja gelöst.“
„Ich habe eine wunderbare Idee, lieber Schwager. Du wirst von Buchenhain aus den Grafenstieg im Auge behalten und mir berichten. Dem Buchenhofer würde etwas Gesellschaft eh guttun.“
Mit diesen Worten wandte sich Corian von seinem Hausritter ab und stieg wieder auf sein Pferd. Die anderen taten es ihm gleich.
Mit versteinerten Gesichtsausdruck blieb Gerban zurück. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt.
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