Geschichten:Verhandlungen - Im Heim des stolzen Kriegers
Dramatis personae:
- Cordovan von Keres, Adjutant des perricumer Heermeisters
- Selina Castos, neue Hauptfrau der haselhainer Landwehr
- Timshal von Zackenberg, Leutnant im perricumer Heer
- Ashia, Bedienstete auf dem Gut
Auf Gut Lassar a Yar'Ammayin, 29. Rahja 1035 BF
Nach dem Besuch bei der Vögtin von Haselhain begaben sich Cordovan, Timshal und ihre Begleiter auf das Gut, wo sie die neue Hauptfrau der barönlichen Landwehr befand. Zitronen- und Arangenhaine säumten den Weg und der frische Duft der Natur lag selbst jetzt am späten Nachmittag noch in der Luft, etwas, das jetzt, im sonnenreichen und trockenen Rahjamond nur selten der Fall war. Bienen summten um die verspäteten Blüten alter Bäume und der süsse Duft schien Versprechungen in die Luft zu senden. Inmitten eines Haines bog der Weg urplötzlich in einer Spitzkehre ab und führte ein ganzes Stück zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Gerade, als die Männer bezweifeln wollten, auf dem richtigen Weg zu sein, bog der wiederum in die andere Richtung ab und sie sahen jetzt vor sich eine Gruppe Häuser, das musste das besagte Lassar a Yar’Ammayin sein. Ein ummauertes Gehöft war etwas vom Dorf abgesetzt und schon von weitem konnten sie sehen, dass das Tor weit offen stand.
Als sie schließlich das große Gebäude erreichten, das wie praktisch das gesamte Dorf in nebachotischem Stil erbaut war, wandte sich der Zackenberger an einen Burschen, der eben Wasser aus dem Brunnen schöpfte.
„Hey, du“, sagte er. „Wo finden wir Selina Castos?“
Der Angesprochene blickte kurz auf, er mochte um die zwanzig Jahre sein und hatte eindeutig nebachotische Züge, bevor er auf das Haupthaus deutete. Cordovan und Timshal stiegen von ihren Pferden ab und gaben die Zügel ihren Soldaten und begaben sich sodann zum Gebäude.
Jetzt mochte der junge Nebachote wohl erst so recht begreifen, was vorging, denn er stellte hastig den Eimer ab und rief laut zum Haus hinüber. Als einen Moment später eine helle Stimme eine Antwort gab, war er beruhigt und nahm den Eimer wieder auf. „Hm“, meinte er zu den Soldaten, die die Pferde hielten: „Ihrr bleibän genugh lang für Pfärde trrinkän, Härren?“
„Ja, es könnte eine weile dauern“, meinte einer der Soldaten und sie ließen sich vom Jungen zur Tränke führen.
Daraufhin verschwand der Bursche erst einmal und tauchte nach einer Weile in Gesellschaft eines etwas älteren, ziemlich mürrischen Mannes wieder auf, der die Soldaten in einem unverständlichen Gemisch aus nebachotisch und wenigen Brocken Garethi begrüsste. Vielleicht verfluchte er sie auch, so genau war das nicht auszumachen. Jedenfalls schlurfte er in den Stall und sie hörten ihn drin mit dem Stroh rascheln.
Der jüngere grinste ihm nach und erklärte dann den Soldaten „Barad’ur trrrinkän gästärrn … schlächtärrr Chopfh!“, wobei er anschaulich das Besäufnis und den Werwolf, den der andere hatte, mit Mimik und Gestik untermalte. „Sonnä kommän, Pfärrdä in Stallh“, fuhr er fort. „Warrrtän da“ – er wies zu einer offenen Tür, aus der gelegentlich Klappern und Klopfen drang – „gutärr wiä Houf.“ Dann überließ er die Soldaten sich selbst und fuhr damit fort, Wasser zu schöpfen und durch die gewiesene Tür zu tragen, hinter der sich offensichtlich die Küche befand.
Kühle umfing Cordovan und Timshal, sobald sie einige Schritte in den halbdunklen Flur gemacht hatten. Eine Tür am Ende des Ganges öffnete sich und eine schlanke weibliche Gestalt betrat den Flur. Sie trug einen langen Rock, wie die Männer im Gegenlicht wahrnehmen konnten und ordnete rasch die langen Haare. Als sie der Männer ansichtig wurde, liess sie rasch die Arme sinken und kam mit anmutigen Bewegungen näher: „Die Göttär zumh Grusshe, ... Härren, said willchommhen in Lassar aYar’Ammayin.“
Der starke nebachotische Akzent schien den Liebreiz ihrer Stimme noch zu verstärken und Cordovan antwortete mit einem charmanten Lächeln.
Sie öffnete eine Tür zur Rechten der Männer und winkte ihnen einzutreten: „Bittä warrtänh chier. Ich saghä Vöcktin, Ihr da. Wie Äurä Namhän?“
„Cordovan von Keres, ist mein Name. Aber Ihr könnt mich auch Cordo nennen“, zwinkerte er ihr zu. „Und das hier ist Timshal von Zackenberg.“
Einen Moment blickte die junge Frau verwirrt, aber Cordovans Zwinkern stammte aus einer so allgemein verständlichen Sprache, dass die gesprochenen Worte unwichtig wurden. Sie errötete, war sie es doch nicht gewöhnt, dass raulsche Herren mit ihr schäkerten. „Hohärr Härr … ich sagän Vöcktinh, Ihrr da. Bittä warrtän.“
Damit schwebte sie davon, einen Hauch von Parfüm hinterlassend, nur ihre Pantoffeln klapperten leise.
Der Raum, den sie ihnen anbot, war zweigeteilt. In einer Hälfte bedeckten Kissen und Teppiche in nebachotischer Manier den Boden, in der anderen standen zwei gepolsterte Stühle an einem Tischchen.
Cordovan ließ sich in die Kissen fallen. "Ich glaube, an den tulamidischen Stil könnte ich mich gewöhnen", sagte er.
"Nebachotisch, Cordovan", verbessterte der Zackenberger.
"Tulamidisch, nebachotisch ... Wo ist denn da der Unterschied?"
Doch bevor er eine Antwort bekam, ging die Türe wieder auf und Selina Castos kam herein. Cordovan sprang wieder auf.
Wie schon die Baroness in Haselhain musterte auch die Vögtin die Männer zuerst einmal, ehe sie den Mund aufmachte. Das schien aber die bisher einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Frauen zu sein. Selina Castos war jenseits der fünfzig und in ihrem kinnlang geschnittenen dunkelblonden Haar fanden sich etliche graue Strähnen. Sie trug ein langärmliges Hemd und eine Hose aus Leinen, ihre Füße steckten in Reiterstiefeln nebachotischer Machart.
Scheinbar ungerührt betrachtete sie die Männer einen Moment. Sie überlegte, ob sie die Gesichter der Männer während der Trauerfeierlichkeiten für Ra’ul von Brendiltal gesehen hatte, doch sie konnte sich nicht an sie erinnern.
Einen Herrn „von Kärräsch“ und einen „von Tackänbarrt“ hatte Ashia ihr angekündigt, aber gleich selbst hinzugefügt, dass sie die Namen vielleicht nicht ganz verstanden hätte.
Jedenfalls sollte der Kärräsch sehr nett und der andere ein Soldat sein, eine Verwechslung war nicht möglich. Immerhin wusste Ashia mit ihren paar Brocken Garethi das Wesentliche auszudrücken. Was dieses ungleiche Paar wohl von ihr wollte?
„Die Götter zum Gruße, hohe Herren. Ich bin Selina Castos, was kann ich für Euch tun?"
"Seid gegrüßt", sagte Cordovan und stellte sich und den Zackenberger nochmals vor, was ihrer Gastgeberin einen Stein vom Herzen fallen ließ. Phex sei Dank, eine Episode wie die um „Gnitzenpfuhl“ würde ihr erspart bleiben. Käräsch und Zackenbart, in der Tat! Ashia übertrieb die Sache eindeutig. Sie würde zu gegebener Zeit ein ernstes Wort mit dem Mädchen reden müssen.
"Wir sind im Auftrag des Heermeisters unterwegs", fuhr Cordovan fort und gab seinem Begleiter ein Zeichen, dass er das Schreiben der Baroness herausholen solle. "Die Vögtin von Haselhain hatte uns an Euch verwiesen. Sie meinte, daß wir mit Euch sprechen sollen, wenn es um den genauen Aufbau der hiesigen Landwehrtruppen, ihrer Ausbildung und Waffengattung geht und wie wir diese in die Kommandostruktur des Heermeisters integrieren."
Selinas Gesicht, anfangs verwundert, spiegelte am Ende dieser Vorstellung Zorn. Was bei allen Göttern sollte dieser Unfug heißen? Was hatte denn sie mit der Haselhainer Landwehr zu tun?
„Ihr müsst Euch irren, Leutnant“, antwortete sie abweisend, wobei sie den „Leutnant“ zweifelnd betonte. „Ich habe nichts mit der hiesigen Landwehr zu tun. Und sollte das ein Scherz gewesen sein, so habt Ihr ihn gemacht und könnt nun wieder gehen. Guten Tag.“
Sie machte eine herrische Geste in Richtung die Tür, die sich just in diesem Moment öffnete und Ashia herein ließ, die im Hellen nicht minder hübsch war als im Halbdunkel. Sie trug ein Tablett mit einem Krug, Bechern und einer Schale Gebäck und sah verwundert diese Raulschen an, die immer noch standen und miteinander redeten. Au … die Herrin hat schlechte Laune!, dachte sie und stellte rasch das Tablett auf ein Tischchen und schlüpfte mit eingezogenem Kopf durch die Tür nach draußen.
„Das ist kein Scherz“, sagte Cordovan leicht beleidigt und nahm das Schreiben der Baroness entgegen um es seinerseits Selina zu reichen. „Ich nehme an, daß darin alles steht. Lyn von Brendiltal hatte mir gesagt, daß Ihr das Kommando über die Landwehr übernehmen sollt“, versicherte er ihr nochmals.
Das Schreiben trug Lyns Siegel und Selina Castos überzeugte sich, dass es unversehrt war. Sie musterte die beiden Herren noch einmal, den Zackenberg, der als guter Soldat die ganze Szene scheinbar ungerührt beobachtete, und den Keres, der trotz seines Ärgers scheissfreundlich blieb. 'Besonnen' würde das ihr Schwager nennen, ihr selbst war diese schleimige Art zuwider.
'Lyn von Brendiltal hatte mir gesagt, daß Ihr das Kommando über die Landwehr übernehmen sollt', klangen seine Worte in ihr nach. Verraucht war ihr Zorn noch lange nicht, aber sie merkte, dass diese Worte verdammt verlockend klangen und sie besänftigten.
Na schön. Mochten die beiden noch bleiben, bis sie den Brief Lyns ni Niamad gelesen hatte.
"Nun gut, ich hoffe, dieses Schreiben bringt tatsächlich Klarheit. Bitte bedient Euch solange, ich werde gleich wieder bei Euch sein."
Sie wies auf das Tablett und verließ dann den Raum, und nach einigen Augenblicken kam Ashia wieder herein, und schenkte den beiden Herren ein.
Cordovan legte seinen Hut auf dem Tischchen ab und nahm den Becher entgegen, den ihm Ashia reichte. Er bedankte sich mit einem Lächeln und nahm einen Schluck. Es war ein leichter Wein mit einem ausgeprägtem Honigaroma: Met. Er betrachtete das Mädchen, während sie auch dem Zackenberger einen Becher gab. Ob sie Küsse mochte? Warum auch nicht? Es gab kaum ein Mädchen, das nicht seinen Küssen erlag. Er bemerkte, dass sie die Bluse gewechselt hatte. Die, die sie jetzt trug, war kürzer geschnitten und an den Seiten geschlitzt, und wenn sie die Arme hob … Als sie ihre unmittelbaren Pflichten erfüllt hatte, hockte sich Ashia in die Kissen.
„Eine resolute Frau, diese Selina Castos“, meinte Timshal nachdem auch er seinen Becher bekam. „Ich habe so das Gefühl, das es mit ihr nicht so leicht werden wird, Cordovan.“
„Ach, Zackenberg“, erwiderte der Angesprochene. „Das habt Ihr bei der haselhainer Vögtin auch gesagt. Und was ist passiert? Sie hat uns die doppelte Anzahl zugesagt.“ Cordovan klang zuversichtlich.
Kaum hatte Selina die Tür zu ihrem Raum geschlossen, riss sie das Schreiben der Haselhainer Vögtin auf und las es begierig.
„Werte Selina“ - das war typisch Lyn ni Niamad - „zusammen mit diesem Schreiben werdet Ihr Besuch von den Herren Cordovan von Keres und Timshal von Zackenberg bekommen, die im Auftrage Aldron von Firunslicht für die Belange der Landwehr zuständig sind.“
Das war nicht zu leugnen, die zwei hockten im Empfangsraum des Gutes. Firunslicht ..., an irgendwas erinnerte sie das, aber sie wußte nicht mehr, wo sie den Namen schon einmal gehört hatte. Also weiter.
„Haselhain wird fünf Banner Landwehr stellen ...“ - Fünf Banner?! Und dann noch die Krieger des nebachotischen Kriegsherrn? Das klingt nach viel. Sie wollte nachrechnen, wie viel das auf die Bevölkerung ausmachte, aber Cordovans Versicherung ließ sie hastig weiter lesen.
„... die, sobald sie vollständig ausgehoben sind, unter ihrem jeweiligen Hauptmann trainieren werden.“ Ja, logisch. „Hiermit übergebe ich Euch“, sie schnappte nach Luft, „das Kommando über diese fünf Banner.“ JA! Nein, das kann nicht sein … Es ist doch verrückt, wie komme ich zu dieser Ehre? - Wieso Ehre … das ist Landwehr! Denke daran was du warst!, meldete sich eine miesepetrige Stimme in ihrem Hinterkopf. Fünf Banner!, schwärmte sie weiter. Du hast gerade mal eines geführt in Ferdok, und selbst als Königin – und du weißt, dass du NIE Königin geworden wärst – hättest du keine zwei ganzen Banner gehabt! - Ja, aber was für welche, die hätten diese fünf locker aufgewogen!, nörgelte die Stimme im Hinterkopf. Ja, meinte die Stimme ihrer Begeisterung hämisch, besonders, wenn die fünf Banner Landwehr einen Pikenwall bilden. Da war die Stimme im Hinterkopf erstmal still und sie las rasch weiter, das ganze mußte doch einen Pferdefuß haben.
„... die sich hauptsächlich aus den raulschen Teilen der Bevölkerung zusammensetzen werden.“ Soll mir doch gleich sein, ob Raulsche oder Nebachoten Und wenn es Hammel sind, Soldat ist Soldat, murmelte sie vor sich hin.
„Die beiden Herren werden mit Euch den Zeitplan und die Modalitäten der Eingliederung in Aldrons Heer besprechen wollen. Hiermit gebe ich Euch die Vollmacht, eben jenes zu tun.
Gezeichnet, Lyn ni Niamad“
Und die wollen das jetzt besprechen! Ich weiß nicht wie viele Leute überhaupt schon augehoben wurden, was sie können, wo sie sind, wer die Hauptleute sind … Und so unvorbereitet stehe ich jetzt vor den Beauftragten des Heermeister! Nebenbei habe ich sie auch gerade aus dem Haus geworfen …
Lyn ni Niamad, sei froh, dass ich dich nicht hier habe! Selina musste trotz ihrer Rage lächeln, denn ganz sicher würde sie ihrer Dienstherrin nicht den Kopf waschen.
Sie versuchte auf die Schnelle ihre Gedanken zu ordnen:
Landwehr – Piken … nein, besser nach hinten. Das war keine ordinäre Schlacht, Also Schützen. Nah genug, um zu sehen, dass sie den vorne helfen konnten und mussten, und weit genug weg, um nicht sofort in Panik zu verfallen. Ja, eben, wozu taugt Landwehr auch anderes? Pikenwall, haha! Am Ende willst du ihnen noch Armbrüste geben?!, quäkte die Stimme im Hinterkopf dazwischen.
„Genau!“, antwortete sie laut auf diesen Gedanken und begriff, wie durcheinander sie sein musste.
Zu schade, dass sie erst jetzt davon hörte. Sie hätte die Leute ansehen können, mit den Hauptleuten reden und sich ein Bild vom Ausbildungsstand machen … Zeitplan, Eingliederung ins Heer … Sie lachte auf, wobei sie erst bemerkte, dass sie die ganze Zeit glücklich vor sich hin gegrinst hatte, nichts dergleichen würde sie mit ihrem heutigen Wissen beantworten können. Also konnte sie ebenso gut sofort zurückkehren, auch in drei Stundengläsern würde sie nicht mehr wissen.
Um sich etwas zu beruhigen, rezitierte sie langsam ein Gebet an die Sturmherrin und sie bekam sich wenigstens soweit in den griff, dass das Dauergrinsen aus ihrem Gesicht verschwand.
Als Cordovan sich eben einen neuen Becher einschenken wollte, öffnete sich wieder die Tür. Selina Castos trug einige Blätter sowie Tinte und Feder bei sich und war einigermaßen überrascht, den Tisch mit dem Hut des Gastes besetzt zu sehen. Aber schon war Ashia aufgesprungen und nahm das gute Stück an sich und trug es auf einen Wink ihrer Herrin aus dem Raum.
„Hohe Herren, ich muss mich bei Euch entschuldigen. Die Vögtin von Haselhain hat mich tatsächlich zum Kommando der Landwehr berufen.“
Vielleicht war es die Verlegenheit, die den albernischen Dialekt der Frau stärker hervortreten ließ als vorher, vielleicht auch das Staunen über diese Tatsache, dass nur allzu deutlich in ihrer Stimme zu hören war. Sie legte die Schreibutensilien auf dem Tischchen ab und setzte sich auf einen der Stühle.
Der Menschenkenner Cordovan merkte im folgenden Gespräch schnell, dass die Frau, obwohl sie sich bemühte, gefasst zu wirken, nicht nur ein wenig neben dem Stollen stand, wie man im Kosch sagte.
„Was schwebt dem Heermeister vor?“ wandte sie sich betont sachlich an den Zackenberger.
Dieser wehrte aber ab. „Ich gehöre dem Stab nicht an, meine Dame, und bin nicht befugt zu Verhandeln. Ich bin lediglich Leutnant Keres' Berater“, sagte er und verwies zu Cordovan.
Selina schüttelte ungehalten den Kopf. Als wenn der Zackenberger nicht ebenso gut wüsste, was der Heermeister brauchte.
"Habt Ihr mehr Informationen als Euer Berater?" fragte sie Cordovan unnötig sarkastisch.
Es gibt da durchaus einige Punkte, dachte er, sagte aber laut: „Die Vögtin hat uns fünf Banner zugesichert. Und der Heermeister braucht Linieninfanteristen; am besten Pikeniere oder Speerträger.“
Selina schüttelte entschieden den Kopf. "Ich habe eine unerfahrene Landwehr ungern so weit vorn. Ich habe gesehen, was passiert, wenn sie vorne den Kopf verlieren." Und damals waren es nur Nordmärker, gegen die sie standen …, dachte sie weiter. "Mag sein, es gibt genug erfahrene Leute unter denen, die bis jetzt rekrutiert wurden. Dann können wir noch einmal darüber reden. Aber solange ich die Leute nicht gesehen habe: Nein."
„Und aus diesem Grunde sollen sie über die nächsten Monate geschult und gedrillt werden, damit sie nicht den Kopf verlieren“, erwiderte Cordovan.
„An was meint Ihr, werden sie geschult werden? Sie lernen, in Formation zu agieren, vielleicht sogar im Regen oder in der Nacht, wenn ihre Ausbilder die Unbequemlichkeit nicht scheuen.“ Ihre Stimme wurde verächtlich bei dem letzten Worten, dann schüttelte sie den Kopf und redete sich bei den nächsten Sätzen in Rage. „Mag sein, ich übertreibe. Aber wenn Ihr es nicht selber wisst, fragt Euren Berater, ob sein erstes Scharmützel ihm genauso vertraut war wie seine Ausbildung. Fragt die Leute, die sich mit herausgerissenen Gedärmen auf dem Boden wälzten, ob sie das in ihrem Drill gelernt haben!“
Sie holte tief Luft und fuhr etwas ruhiger und bestimmt fort. „Die haselhainer Leute werden so gut ausgebildet werden, wie es nur geht, dafür verbürge ich mich. Aber die, die noch nie in einem Kampf waren, werde ich in diesem Kampf nicht nach vorn schicken.“
Cordovan verstand Selinas Sorgen. Wenn es nach ihm ginge, würde er jedem Kampf aus dem Weg gehen, aber leider war das nicht immer möglich … „Dann nehmt diejenigen, die bereits in Schlachten gekämpft haben“, gab er nach. „Und bildet den Rest an der Armbrust aus.“
„Gut. Ich werde …“, sie überlegte kurz, aber eigentlich gab es am 29. Rahja nichts zu überlegen, „anfang des nächsten Götterlaufs sehen, was für Leute wir haben. Dann kann ich Euch sagen, ob Ihr ein Banner haselhainer Pikeniere haben könnt.“ … Und ich werde dir sicher nicht mehr als eines versprechen, solang ich nicht weiß, mit was ich rechnen kann … UND …, kam es ihr untypisch spät in den Sinn, wie ich die Leute ausbilde, ist MEINE Sache. Aber sie sprach das nicht aus, sondern ging für einmal großzügig darüber hinweg, denn an was, wenn nicht der Armbrust, hätte sie die Leute sonst ausbilden sollen?
„Ihr wünscht sicher noch eine Menge zu klären, Herr von Keres?“, wandte sie sich an ihren Gast. Als der bejahte, fuhr sie fort: „Fangt mit dem an, was ich jetzt schon beantworten kann, ohne die Leute gesehen zu haben.“
Ein Lächeln flog über ihr Gesicht, als sie dachte Fünf ganze Banner! und die nörgelnde Stimme in ihrem Hinterkopf fügte für einmal nicht hinzu: Ja, aber nur popelige Landwehr.
„Nur als erste Schätzung – wann wird die Landwehr in etwa Einsatzbereit sein und kann an diversen Manöver teilnehmen?“
Die Castos hätte beinahe laut losgelacht angesichts dieser Frage, wo ihrem gegenüber doch klar geworden sein musste, dass sie überhaupt nichts wusste über den Stand der Ausbildung der Landwehr. Mit Mühe drängte sie die Heiterkeit wieder zurück, um ihm die vorsichtige Antwort zu geben: "Eine erste Schätzung: In vier Götternamen." Sie hob die Hand, um eventuellen Einwänden von seiner Seite zuvorzukommen und fuhr fort. "Ein Vorschlag zur Güte: Bis spätestens Ende Praios werde ich Euch genauestens über die Möglichkeiten der hiesigen Landwehr informieren können. Wohin kann ich den Boten schicken?"
„Ende Praios“, nickte Cordovan. „Das sollte reichen. Der Stab des Heermeisters hat seinen Sitz auf Burg Perlenblick. Und denke, das war vorerst alles“, meinte er sodann. „Wenn die Truppe steht, wird wieder jemand vom Stab zur Inspektion kommen und die Landwehren der Mark koordinieren.“
"Gut", war die kurze Antwort seiner Gastgeberin. Wie so etwas in einer Truppe gehandhabt wurde, wusste sie. Es war heute müßig zu fragen, wer das sein würde. Nur einen dringenden Wunsch hatte sie: "Es wäre gut, wenn ich dann die Zeit habe, die Hauptleute rechtzeitig zu informieren."
„Aber sicher doch“, lächelte Cordovan, scheinbar zufrieden mit sich.
„Frau Castos“, meldete sich nun der Zackenberger zu Wort. „Da nun bald die Namenlosen Tage anbrechen, wollen wir noch um Gastung für diese Tage bitten.“ Ein wenig entgeistert ob dieses Ansinnens sah sie den Leutnant an. Der wollte hier in diesem abgeschiedenen Nest bleiben, wo das viel größere Haselhain oder auch Brendiltal keine Tagesreise entfernt lagen? Aber wenn ihm der Sinn danach stand, konnte sie ihm den Wunsch nicht verwehren. Und was sollte sie sechs Tage lang mit den Leuten anfangen? Nun, das würde sich finden. Ohnehin würde sie viel zu planen haben für die nächsten Wochen.
"Natürlich", antwortete sie, "seid Ihr willkommen die Zeit bis zum nächsten Götterlauf hier zu verbringen."
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