Geschichten:Verräter und Getreue - Im "Alten Reichsvogt"
Stadt Bugenhog, Ingerimm 1032
Der Abend war schon weit fortgeschritten und einzig der Wirt vom „Alten Reichsvogt“ war noch wach, um den drei diskutierenden Adligen in seiner Schankstube wieder und wieder die Humpen zu füllen. Auch die bestellten schon längst keinen Wein mehr, sondern das hiesige Bier. Bier, das sich die einfachen Leute schon nicht mehr leisten konnten.
„Natürlich hat es Frostelin von Windischgrütz übertrieben, aber er hat den Lohn dafür bekommen. Das muss uns nicht mehr interessieren. Der Graf hat genau gewusst, dass Frostelin der Kriegstreiber war. Aber er war eben auch Familienoberhaupt, dem praiosverdammtnocheins Gehorsam geschuldet wird.“
„Nana, keine solche Ausdrücke, Steinfelde!“, fuhr ihm einer der anderen in die Rede. Der ließ sich davon indes nicht stören und redete weiter: „Mit Frostelins Tod hätte die Fehde-Angelegenheit erledigt sein können, Gneppeldotz. Viel wichtiger ist, dass der Schwingenfelser sich danach nicht als Ritter erwiesen hat. Schutz der Schwachen, Gnade den Besiegten. Pah! Erniedrigt hat er die Windischgrützer und ausgeplündert bis auf den letzten Heller. Wie sollen die das je vergessen, solange noch einer von denen am Leben ist? Aber das eigentlich Empörende ist, dass der Graf keinen Finger für den Rest der Familie gerührt hat. Seine getreuesten Vasallen hat er preisgegeben und zugelassen, dass sich dieses Schwingenfelser Geschmeiß wieder in Hutt breitmacht, nachdem wir sie schon rausgeworfen hatten. Eine Schande ist das!“
„Und wer sagt uns denn, dass er das gleiche nicht mit uns tun wird?“, spann der Gnisterholmer den Gedanken fort.
„Und was denkt ihr, sollten wir tun?“, der Ritter zu Bogenbrück zuckte ob der Tiraden des Steinfelders mit den Achseln.
„Gut dass ihr fragt, Gneppeldotz. Ich hatte an zweierlei gedacht. Wir sind Hartsteener Ritter. Der Graf muss uns anhören.“
Der andere nickte und Praiodan von Steinfelde fuhr fort: „Die Windischgrütz sind Standesgenossen. Ich sage, wir fordern ihn auf, ihnen ihre Güter – oder zumindest einen Teil davon, auf jeden Fall aber Ebenhain – zurückzugeben. Das wäre das erste. Das zweite wäre, den Schwingenfelser zu zwicken. Der Kampf gegen Frostelin hat seine Kräfte geschwächt und durch die neuen Güter muss er sie weiter aufteilen. Am besten, wir greifen an, machen Beute und ziehen uns sofort zurück, ohne dem Schwingenfelser eine Gelegenheit zum Sammeln zu geben.“
„Ich glaube, ihr habt etwas übersehen, mein Lieber. Die Windischgrützer sind fast sämtlich in der Hand des Schwingenfelsers“, warf der Gnisterholmer ein.
„Dann werden wir den Grafen einfach auffordern, dass er seinen neuen Vasallen dazu bringt, sie freizulassen.“
„Denkt ihr, der wird darauf eingehen?“, die Zweifel standen dem Gneppeldotzer ins Gesicht geschrieben.
„Nein. Deswegen, werden wir uns darum kümmern.“
„Und wie stellst ihr euch das vor? Wir wissen ja nicht einmal, wo sie hingebracht worden sind.“
Der Gnisterholmer grinste: „Ich denke, dass lässt sich herausfinden. Ich kenne da ein paar Leute....“
„Aber noch etwas anderes. Was tun wir, wenn der Graf unsere Forderung zurückweist?“
„Wenn ihm niemand mehr folgt, wird sich seine Hochgeboren Luidor schwerlich als Graf in Hartsteen durchsetzen, meint Ihr nicht?“
„Das ist Verrat!“
„Nein, ist es nicht. Aber der Graf muss sich entscheiden, wessen Treue er höher schätzt. Diejenige, dieses erwiesenen Verräters Schwingenfels, der die Standesehre mit Füßen tritt? Oder die der Ritter, die ihn all die Jahre schon mit Rat und Tat und ihrem eigenen Blut unterstützen.“