Geschichten:Verräter und Getreue - Respice finem

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Im Rittersaal der alten Burg Hutt, Grafschaft Hartsteen, Rahja 1032 BF


Die Stille lag wie Staub im Rittersaal der alten Burg Hutt. Wie der Staub auf den Schildern, deren Wappen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte die Herzen der Menschen mit Stolz erfüllten. Im Dunkeln lag der Raum. Kein Licht fiel durch die geschlossenen Laden. Er ruhte in sich selbst. Es war, als wartete er nur auf den Tag, da er erwachen durfte, um von neuem zu werden, was er einst gewesen war. Das stolze Herz von Hutt.

Schritte näherten sich. Langsam lauter. Genagelte Stiefel eines halben Dutzend Menschen hallten durch die düsteren Korridore. Hielten vor der schweren Eichentür. Ein Schlüssel drehte sich im Türschloss um. Mit einem ehrwürdigen Knarren liess der Raum seine Besucher eintreten, deren saftgelbes Lampenlicht die hohen Wappenschilder umstreichelten, liebkosten als wäre es das Licht der Sonne.

Warum kommt ihr zu mir?

»Erlaubt mir offen zu sprechen, Hochgeboren. Die Familie Steinfelde möchte ihrem Unwillen Ausdruck verleihen. Wie lange schon dienen wir dem Hause Hartsteen? Wie lange haben wir bereits die steinigen Felder bestellt, ohne über die karge Ernte zu murren, während andernorts man die prallen Äpfel und die saftigen Birnen fast in ihrem Übermut zügeln muss? Wie oft haben wir unsere Hände schmutzig gemacht, ohne Rücksicht auf uns und unsere Untertanen? Wie lange schon prangt das Wappenschild derer von Steinfelde in diesem Rittersaal unter den Wappen der anderen Ritter der Baronie?«

Lange schon. Wer will die Jahre zählen?

»Und haben wir nicht, wie Gneppeldotz in Duchrow, Baerfold in Ebershag und Windischgrütz auf Ebenheim, von Anfang an keine Sekunde gezögert, an die Seite des Grafen von Hartsteen zu treten, er wie Ihr ein Sohn Barons Sigharts, haben unser Blut in Rankara-Liretena, Puleth und Appelhof geopfert ohne irgendmehr zu verlangen als den Respekt und die Ehre, die man uns auf Grund unseres Standes und unserer Herkunft schuldig war? Haben wir mit unserem Gold und Geschmeide nicht den Kampf gegen den Feidewalder bezahlt, haben ihn in seine Festung eingekerkert, auf dass er sie heute nicht mehr verlassen kann?«

Ihr seid die treuen Familien, seid der Stolz von Hutt.

»Und nun beschenkt Ihr diesen windenden Wendehals, diese Karikatur eines Hartsteener Ritters mit den Gütern Eurer treuesten Vasallen. Vernichtet haben sie die Windischgrützer, Euren Neffen und seine gesamte Familie dem Erdboden gleichgemacht. Und wo ist der Graf? Wo der Baron auf Hutt? Schauen aus der Ferne zu, wie ein Freund ermordet wird. Und schenken dem Mörder das Land seines Opfers. Seht Ihr die Wappen dort? Seht Ihr, welche Wappen dort prangen?«

Hartsteen. Windischgrütz. Baerfold. Gneppeldotz. Steinfelde. Waldfels. Und jene, deren Namen ihre Träger überlebte.

»Dort seht Ihr, wer auf Eurer Seite steht, wer keinen Augenblick zögern würde für Euch und die Familie Hartsteen in den Tod zu gehen. Seht Ihr dort die weißen Flügel auf dem blauen Grund? Und warum seht Ihr sie nicht? Sie gehören nicht hierhin. Aber Graf Luidor will das weißgrüne Wappen abhängen und die Schwingen an ihre Stelle setzen. Wann wird er die anderen Wappen abhängen? Warum verrät der Graf diejenigen, die ihm ohne Bedingungen die Treue geschworen haben und deren Blut für seine Familie in Dergel und Natter geflossen sind?«

Eure Wut ist gerecht. Euer Baron erkennt es dunkel, er ahnt bereits.

Nicht der Graf bestimmt über die Vasallen des Landes, er führt sie bloss. Wie haben die falschen Grafen in dem Glauben dieses Land zu besitzen die Ländereien vergeben, wie es ihnen gutdünkte. Wussten nicht, wer der wahre Herrscher ist. Wussten nichts von der Bestimmung der Feydenwalder Ritter. Von der Magie der Wappenschilder. Den Stacheln des Igels.