Geschichten:Verräter und Getreue - Scharfe Klingen, gute Schnitte
Festung Feidewald, 17. Peraine 1033 BF
Von geübter Hand geführt glitt die scharfe Klinge ein letztes Mal über die eingeschäumte Wange des Grafen, der, den Kopf in den Nacken gelegt, mit geschlossenen Augen in einem Lehnstuhl saß. Die Barbierin tauchte gerade einen Schwamm in die bereitstehende Schüssel warmen Wassers, um den restlichen Rasierschaum aus dem Gesicht Graf Geismars zu entfernen, als es an der Tür klopfte und der Landvogt von Feidewald das gräfliche Ankleidezimmer betrat.
„Ah, Bendrich“, der Graf winkte seinen Burghauptmann heran und griff nach einem Handtuch, um sich abzutrocknen, während sich die Magd zurückzog, „Ist die Sache erledigt?“
Bendrich nickte bestätigend: „Wie Ihr befohlen habt, mein Graf.“
„Gut“, mit einem kalten Lächeln legte Geismar das Handtuch achtlos zusammengeknüllt fort, während er weitersprach, „Such dir drei abkömmliche Leute aus, die als Boten dienen können. Eine Botschaft von großer Deutlichkeit, ohne dass man ein Wort an die Verräter verschwenden muss – das gefällt mir. Sie sollen merken, dass der Widerstand gegen Uns kapitale Folgen hat, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“
„Ich verstehe und werde mich sofort darum kümmern.“
„Natürlich. Nichts anderes hatte ich erwartet“, mit einer lässigen Handbewegung entließ der Graf seinen Vogt.
An der Tür stieß Bendrich fast mit Udalbert zusammen, der gerade, wie immer einen Packen Papiere unter den Arm und das Monokel ins linke Auge geklemmt, herein kam. Der jüngere Bruder des Grafen blickte überrascht zu dem altgedienten Kämpen auf und fragte dann: „Hattest du Nasenbluten?“
„Was?“, irritiert fixierte Bendrich den kleinen Mann vor sich.
„Dein Wams, es sieht etwas… verunreinigt aus“, er deutete auf die kleinen roten Flecken auf dem hellblauen Tuch des Vogtes von Feidewald.
„Nein“, brüsk wandte sich Bendrich ab und eilte davon, von den verständnislosen Blicken Udalberts verfolgt.
„Was willst du, Udalbert?“
Auf die barsche Frage Geismars erinnerte sich dessen jüngerer Bruder an den Grund seines Herkommens: „Ich wollte mit dir besprechen, was wir mit den Pferden machen, die wir gestern aus Obernheim beko…“
„Verkauf sie!“, die Stimme Geismars nahm einen gereizten Klang an, die der andere aber nicht zu bemerken schien.
„Wirklich? Es wundert mich schon, dass Lechdan so viele seiner Zuchttiere …“
„Wir werden einen guten Schnitt mit denen machen. Besonders die Goldene Lanze ist ja immer auf der Suche nach Rössern. Es ist von Vorteil, wenn da auch mal ein paar vorzeigbare für die Offiziere dabei sind.“
„Wie du meinst“, Udalbert war bereits wieder auf dem Weg zur Tür, als ihn Geismar mit schneidender Stimme noch einmal innehalten ließ: „In Zukunft brauchen wir nicht mehr auf die Loyalität und die Unterstützung unseres Bruders bauen. Wenn er das nächste Mal in Feidewald auftaucht, lässt du ihn von den Wachen festhalten und bringst ihn sofort zu mir, verstanden?“
„Ja“, mit hängenden Schultern schlurfte Udalbert davon.
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