Geschichten:Verschollene Eber: In den Kosch - Wer entführt Prinzen?

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Antara hatte dem Vortrag des Kanzlers aufmerksam gelauscht. Als er eine Pause machte schien die Gelegenheit günstig eine Frage zu stellen, die Ihr schon ein Weile durch den Kopf ging.

"Verzeiht die Frage, Eure Excellenz. Wurden denn schon Forderungen bezüglich des Prinzenpaares gestellt? Das Vorgehen scheint doch recht gut vorbereitet gewesen zu sein und die Flucht und das bisher spurlose Verschwinden lassen vermuten, daß Ortskundige zumindest beteiligt waren. Wer im Fürstentum könnte also ein besonderes Interesse daran haben solch wertvoller Geiseln habhaft zu werden?"

Was sie über Sicherheitsvorkehrungen dachte hüllte sie wohlweislich in borongefälliges Schweigen. Ihr Komtur hätte jeden Ritter des Ordens, der so nachlässig über seine Erhabenheit den Raben von Punin Wacht gehalten hätte, sich wünschen lassen, daß er bald zu Boron abberufen würde.

Der Cantzler strich sich über seinen silber durchwirkten Backenbart: "Nun, wie sprach Kaiser Reto einst so treffend ... 'Hinter jedem Thron lauern zehn Feinde'. Die fürstliche Familie erfreut sich im Volk, im Adel, und ich möchte sagen im gesamten Reich, vergleichsweise großer Beliebtheit und Achtung. Dennoch gibt es genug Dunkelmütige, die ein Interesse daran hätten die Thronfolge des Kosch zu verändern oder Unruhe in das Herz des Reiches zu tragen. Die borbaradianische Magierin Charissia von Salmingen hat bereits vor vier Jahren versucht die Macht im Kosch zu erlangen und sinnt sicher nach Rache. Auch im Kreis der Adeligen mag es einige geben, die sich Hoffnung auf größeren Einfluss machen wenn das Haus Eberstamm ausstirbt - nicht zu vergessen der noch immer bestehende Feind im Osten, der nichts unversucht lässt Unfrieden zu stiften. Zu alledem gibt es genug goldgierige Schurken, die sich Lösegeld erhoffen könnten - wobei diese Möglichkeit zunehmend unwahrscheinlich erscheint, weil bis heute keine Forderung einging. Was uns fehlt ist ein klarer Hinweis, der in eine Richtung führt - und genau das macht die Suche so schwierig.

Ich schlage vor, wir gehen nun zu den letzten Orten, an denen man das Prinzenpaar sah."

Wieder ging der Zwerg voran und führte Prinz Edelbrecht und die Gruppe durch einen Korridor auf der gegenüberliegenden Seite des Empfangssaales. Eine Treppe führte hinauf in einen holzvertäfelten Raum im ersten Stock. An der Wand hingen einige Jagdbögen, fünf Türen führten in angrenzende Räume. Nirwulf deutete auf eine der Türen: "Hier liegt das Schlafgemach des Prinzenpaares. Auf der gegenüberliegenden Seite die Kammer der Pagen. Eine Pagin will in der Nacht vier bewaffnete und mit Masken vermummte Gesalten gesehen haben, die in das Schlafgemach eingedrungen sind. Das Kind wurde vom Anblick derart verängstigt, dass es sich versteckte anstatt um Hilfe zu rufen. Wir fanden das Mädchen in ihrer eignen Wäschetruhe."

"Väterchen, ist die Pagin befragt worden und was konnte sie mitteilen?" erklang die Stimme des koscher Wehrmeisters. "Und sind nicht mehrere Pagen in dem Zimmer untergebracht, so daß sie hätten merken müssen, daß die Kleine in die Wäschetruhe geklettert ist?" fuhr er fort.

Erlan von Sindelsaum hatte sich kurz von der Gruppe entfernt, um ein stilles Örtchen aufzusuchen, aber als er zurückkehrte war der Saal verlassen. Suchend blickte er sich um und begann ein wenig durch das Schloss zu streifen. Die Räume waren für seinen Geschmack in ihrer Exotik teilweise erschreckend exotische. Insgeheim hoffte Erlan, dass der Erbprinz solche Extravagantheiten bei seiner Thronbesteigung hinter sich lassen würde, aber man wusste ja nie.

Nachdem er ein Weilchen durch die Gänge geschlendert war entdeckte er ein Mädchen das gedankenverloren aus einem Fenster blickte. Ihre bessere Kleidung wies sie als Hofdame aus. Erlan wandte sich an das Mädchen "Guten Abend junge Dame. Darf ich fragen, warum ihr so einsam und verlassen aus dem Fenster starrt?"

Die junge Dame zuckte sichtlich zusammen und blickte ihn für einen Moment überrascht an. "Ich musste an die Prinzessin denken, aber wer seid ihr? Ich habe euch hier noch nie gesehen. Gehört ihr zu der Suchmannschaft?"

"Allerdings, aber verzeiht mir meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Erlan von Sindelsaum." Dabei neigte er leicht das Haupt. Die junge Frau wandte sich nun vollends Erlan zu. "Ich bin Perainhild von Leihenhof Hofdame Nadyanas."

Erlan hatte also richtig gelegen, die Dame war tatsächlich im engeren Kreis des Erbprinzenpaares. "Dann habt ihr doch sicherlich etwas von der Entführung mitbekommen? Wo wart ihr denn, als es passierte? Ich habe gelesen, dass an diesem Tage viele merkwürdige Gestalten im Schloss weilten. Ist euch dabei jemand besonderes aufgefallen? Und meint ihr, dass es sein könnte, dass die beiden einfach mal für ein Weilchen ihre Ruhe haben wollen?"

Erwartungsvoll blickte Erlan Perainhild an, während er auf ihre Antwort wartete.

"Sie hatten einen anstrengenden Tag hinter sich gebracht und sehnten sich nach Ruhe, da habt Ihr sicher recht. Die Prinzessin hat mich gleich nach dem Abendessen gebeten sie alleine zu lassen und diesmal nicht zum Entkleiden zu begleiten. Doch um ihre Ruhe zu haben wären sie nicht überstürzt, mitten in der Nacht, ohne eine Nachricht aufgebrochen. Vor allem aber...", die Augen der jungen Dame glitzerten, "... habe ich gesehen, wie sie entführt wurden. Doch sah ich in der Nacht nicht mehr als Schemen, die sich am Pferdestall aufhielten. Ich hielt die Gruppe von etwa sechs oder sieben Leuten für einige der vielen Besucher, und nahm an, dass die Wachen sie schon noch vertreiben würden. Mir wurde es erst klar, um wen es sich handelte als ihr Schlafgemach leer vorgefunden wurde. Ich erinnere mich noch, dass ich mich wunderte, dass eine Frau ein Kleid trug, das dem Schlafrock der Prinzessin ähnelte ... es war nur ein kleiner Augenblick, in dem ich ihn sah ..."

Ihre Fäste ballten sich und sie presste sie an ihre Stirn: "... ich hätte sofort die Wachen rufen müssen. Oh, verzeiht mir, Prinzessin ... verzeiht mir..."

Von dem Ausbruch berührt legte Erlan Perainhild die rechte Hand beruhigend auf die Schulter "Grämt euch nicht. Wir werden die Prinzessin schon wieder finden. Der ganze Kosch sucht schon nach ihnen." Bisher ohne Erfolg dachte Erlan dabei düster. "Doch erzählt mir mehr über diese Gestalten. Konnten ihr etwas besonderses erkennen? Handelte es sich um Menschen und waren sie bewaffnet? Haben sie vielleicht gar irgendwelche Spuren hinterlassen? Vielleicht hat ja einer etwas verloren." Wie alt dieses Mädchen wohl sein mochte. Vermutlich so alt wie seinen eigenen Töchter. Das Verschwinden des Prinzenpaares war wohl ein harter Schlag für sie gewesen. Nach kurzem Nachdenken wandte sich Erlan erneut an die junge Maid "Zeigt mir doch, wo ihr die Entführer gesehen habt." Dabei nahm er die Hand von der Schulter und blickte das Mädchen aufmunternd an.

Die Jungfer wischte ihre Tränen mit einem Tuch von ihren Wangen und lächelte Erlan dankbar an, auch wenn ihr Blick traurig blieb. Sie dachte einen Moment nach und führte sich das schmerzhafte Bild wieder vor Augen, das sie sodann zu beschreiben begann: "Soweit ich es erkennen konnte, waren alle Menschen - einen Zwerg sah ich nicht. Ihre Kleidung wirkte eher wie die von Edelleuten, denn von Räubern - vielleicht habe ich auch deshalb zunächst keinen bösen Verdacht geschöpft. Ich glaube bei einem ein Schwert - oder zumindest eine Schwertscheide - an seiner Seite gesehen zu haben. Sie unterhielten sich - und wirkten fast gelassen, während der kurzen Zeit in denen ich sie sah. Doch leider waren sie zu weit entfernt um Worte zu verstehen. Ich kann Euch zu der Stelle führen, an der sie standen."

"Waren sie nur adlig angezogen, oder bewegten sie sich auch wie Leute aus der besseren Gesellschaft? Aber führt mich doch nun bitte zu der Stelle. Mal sehen vielleicht findet sich ja was. Ich weis das wurde bestimmt alles schon mehrmals abbgesucht, aber man weis ja nie." Ein wenig besorgt blickte er Perainhild an. Hoffentlich überstand sie es zum Ort des Geschehens zurückzukehren. Der Fakt, dass die Entführer wie adlige ausgesehen hatten verwirrte ihn ein wenig. Ob vielleicht die Falkenhags dahinter steckten? Voltan traute er nicht über den Weg. Aber den Erbprinzen entführen, dass würde vermutlich nichtmal er wagen. Da durchzuckte ihn ein Gedanke wie ein Blitzschlag. "Adlig sahen sie aus? Waren denn auch Frauen dabei? Sah vielleicht eine in etwa so aus wie diese?" Dabe holte er einen der Steckbriefe über Charissa von Salmingen hervor. Wenn sie dahinter steckte konnten sie sich auf einiges gefasst machen.

Perainhild blieb einen Moment stehen und betrachtete das Bild - auf ihrer Stirn war eine feine Falte zu erkennen: "Ich weiß nicht ... Frauen waren wohl dabei, doch konnte ich keines der Gesichter erkennen. Die Gruppe stand im Mondschatten des Stalles." Sie gingen weiter durch einen Gang und näherten sich einem Seitenportal "Ob sie adlig waren oder nur so gekleidet waren kann ich schwer sagen. Auf mich wirkten sie nicht verkleidet.", fuhr sie fort und öffnete die Tür zum Hinterhof.

Der Schnee spiegelte das fahle Mondlicht in bläulichem Schimmer wieder. Die Hofdame führte den Baron von Sindelsaum zu einem nahegelegenen Anbau mit drei großen Toren, den Stallungen - in der Tat lag der Platz davor in dunklem Schatten. Wer hier stand, konnte bestenfalls in Umrissen erkannt werden.

Während der Ausführungen des Canzlers ging Timokles mit staunenden Augen an den Wänden entlang und betrachtete die Portraits. Dies waren also die gekrönten Häupter des Kosch. Er sah auf kleinen golgefassten Holztäfelchen Namen, wie Holdwin, der Erneuerer oder Halmdahl, der Keiler oder Idamil, der Fischer. Doch stuzte er als er ein kleines Portrait mit einem Boronpriester entdeckte. Darunter prangte in goldenen Lettern sein Name: Ontho Grobhand vom Eberstamm, Abt zu Garrensand, natus 621 , denatus 690 nach dem Fall Bosperans. Schließlich wanderte sein Blick weiter und blieb an einem Bildnis des Prinzen Edelbrecht vom Eberstamm, welches noch nicht allzu lange hier zu hänge schien. Daneben war ein Bild eines Mannes ähnlichen Alters, mit Spitzbart und einem edlen Blick. Das musste der verschwundene Prinz sein, daneben war auch ein Bild einer jungen Frau angebracht, Nadyana von Wengenholm. Daneben kein weiteres Bild mehr. Nur zwei potentielle Thronfolger des Kosch? Genau prägte sich der Knappe die Gesichter der beiden Verschwundenen ein und wandte sich auf die Frage Antaras hin wieder um und meinte: "Entweder der schnöde Mammon treibte diese Verbrecher zu ihrem Werk oder sie haben eine andere Intention. Macht? Vielleicht wollen sie auch das ehrwürdige Füstenhaus schwächen?" und das Haus Eberstamm ist wirklich schwach in diesen Tagen, fügte er noch in Gedanken hinzu.


Erlan runzelte die Stirn. Das wäre ja auch wirklich zu einfach gewesen, aber im Geiste hakte er Voltan als Entführer ab. Er misstraute ihm zwar absolut, aber er würde wohl niemals seine Position solcherart aufs Spiel setzten. Also doch Charissa, oder jemand ganz anderes? Dann wandte er sich wieder an Perainhild "Hier konnte man wahrhaftig nichts erkennen. Wir können von Glück sagen, dass ihr so gut aufgepasst habt, ansonsten wüssten wir gar nichts." Dabei lächelte er der Hofdame aufmunternd zu.

Soweit es im Mondlicht erkennbar war lächelte die junge Dame etwas verschämt zurück. Nach all den Selbstvorwürfen taten ihr das Lob gut.

Nun begann er sich die Umgebung anzuschauen, drehte Steine um, suchte in einem Blumenkasten nach Stofffetzen. "Ich nehme an, dass die Wache hier bereits nach Hinweisen gesucht hat? Gefunden haben sie wohl auch nichts, oder?"

"In der Tat, die Wachen drehten ähnlich wie Ihr jeden Stein um - später auch Cantzler Nirwulf. Alles was er fand war ein Stiefelabdruck im Matsch des Stalles. Die Nägel wären etwas ungewöhnlich angeordnet, meinte er und er füllte ihn mit heißem Wachs und nahm den Abdruck an sich."

Urion lauschte gespannt der Erzählung des Cantzlers. Er hatte sich nie mit der Familiengeschichte seines Prinzen beschäftigt und war erstaunt darüber wie alt diese Familie war. Nur den Aussagen des Cantzlers zu Ulfried konnte er nicht folgen. Er war überzeugt, dass wenn sich schließlich herausstellte dass das cronprinzliche Paar ohne Kinder bleiben würde, Ulfried oder ein weiteres Kind Irmenellas und Edelbrechts zumindest einen sehr guten Anspruch auf die Thronfolge hätte. Ehevertrag hin oder her. Oder der Kosch würde unmittelbar unter kaiserliche Herrschaft fallen? Zunächst abwartend lehnte er sich an eine der steinernen Wände und ließ die Eindrücke auf sich wirken.


Am Tor

Thorben sah den Wächter scharf an. "Er kann über die Strafrunden froh sein. Den Profoss mag die besondere Situation milde gestimmt haben. Ob diese Strafe angemessen ist, ist eine Sache der Familie und des Burgherren und er wird darüber entscheiden, wenn wir ihn wieder hergebracht haben und dafür sollte er beten, jeden Tag", sagte der Wehrmeister streng. "Das tue ich, fürwahr Wehrmeister! Ich würde mein Leben für den Prinzen geben.", entgegnete dieser mit Entschlossenheit.

Etwas milder fuhr er fort: "Sag er mir nun noch den Namen der Pagin, die die Entführer gesehen haben will!" "Genau genommen waren es sogar zwei - zum einen besagte Pagin - die kleine Govena von Garnelhaun, zum anderen soll auch die Hofdame der Prinzessin, Perainhild von Leihenhof, die Schurken gesehen haben." "Nun gut, dann will ich ihn nicht länger von seinen Pflichten abhalten."

Nach der Befragung des Wächters wandte sich Thorben dem Palas zu, um die der Gesellschaft anzuschließen und den sicherlich folgenden Ausführungen Nirwulfs zu lauschen. Nachdem er im Saal des Palas nicht fündig geworden war und die Bediensten ihm den Weg gewiesen hatten, gesellte er sich noch auf einem Honigbrot kauend und einen Becher lauwarmen Gewürzwein in der Hand der Gesellschaft hinzu, gerade noch die Ausführungen des Catzlers über die Entführer hörend.

"Was sie mitteilen konnte habe ich im Grunde bereits erwähnt. Die Entführer waren maskiert, daher konnte sie wenige Angaben zum Aussehen der Gesichter machen. Es waren jedenfalls sowohl Frauen als auch Männer darunter, allesamt menschlich und in dunkle Stoffe gewandet.", Nirwulf nahm sich nun eine Pfeife aus einer Tasche seiner Weste und begann sie zu stopfen, während der auf die zweite Frage des Barons Hammerschlag einging, "Die Pagin war in der Tat alleine in ihrer Kammer. Der Page, der sonst bei ihr nächtigt weilt seit einigen Wochen auf Wunsch der Fürstinmutter auf Schloss Thalessia in Angbar - ein Ersatz wurde bislang nicht gefunden."

***

Während sie weiter dem Cantzler folgen flüsterte Antara leise zu Timokles: "Eines scheint mir gewiss: um Gold geht es hier sicher nicht. Niemand der bei Trost ist entführt das Erbprinzenpaar wegen einiger Dukaten. Das ganze Land ist in Aufruhr und selbst wenn das Gold tatsächlich seinen Besitzer wechselt würde man sie danach jagen wie tollwütige Hunde. Nein, solche Banditen entführen reiche Kaufleute. Wenn es keine Fehde mit einem anderen Haus ist, dann wohl sicher diese Schwarzmagierin."