Geschichten:Von Elfen und Wölfen - Teil 2
Von Elfen & Wölfen – Waidmänner
Königlich Serrinmoor, Frühjahr 1031 BF
Der leichte Nieselregen, der seit den frühen Morgenstunden die Wiesen benetzt hatte, wich allmählich dem Morgennebel, der sich aus der Feuchtigkeit des Moores erhob. Fern im Osten dämmerte bereits der neue Morgen heran und tauchte das Land in ein schummriges Licht, das bald nach Sonnenaufgang dem hellen Tag weichen sollte.
Wolfmann von Wetterfels stand auf der Terasse, die sich südwärts der Kronfeste Serrinmoor zum Garten des Anwesens hin erstreckte, und blickte gedankenverloren über das Land in Richtung der aufgehenden Sonne. Ostwärts, gen Tobrien…
Dort lag das Land, dass einst sein gewesen war und nun von den schwarzen Horden beherrscht wurde, die im Dienste des Dämonenmeisters das stolze Herzogtum überrannt und verheert hatten. Wie es dort wohl inzwischen aussehen mochte?
Er straffte sich. Zwar hatte er sein Lehnsland, die Baronie Maus, verloren, nicht jedoch sein Leben. Schon fast zehn Jahre herrschte er nun als Vogt im Dienst der Krone über die Serrinmoorer Lande und hatte sein Auskommen, zur neuen Heimat geworden war ihm das Lehen aber dennoch nicht. Zu sehr sehnte er sich nach den tobrischen Wäldern, in denen er viel Zeit seines Lebens verbracht hatte, sei es in der Jugend oder später als herzöglicher Jagdmeister. Von den einstigen Getreuen war ihm nur Firutin Jellinger geblieben, der schon zu Zeiten am herzöglichen Hofe in Wolfmanns Diensten gestanden hatte und den er hier nunmehr selbstens zum Jagdmeister der Kronvogtei ernannt hatte.
Die beiden Männer kannten sich so lange, dass sie nur weniger Worte bedurften, um sich einander mitzuteilen; ein Umstand, der auf der Jagd ohnehin von Vorteil war. Instinktiv wusste Wolfmann daher, dass es sein Jagdmeister war, der neben ihn trat, als er die leisen Schritten in seinem Rücken gewahrte.
»Ein Blick gen Heimat?« frage Jellinger.
Der Kronvogt nickte nur. »Es waren andere Zeiten dort«, antwortete er schließlich, »fast wie in einem anderen Leben.«
Diesmal war es der Jagdmeister, der nur mit einem Nicken antwortete.
»Eines ist uns hingegen geblieben«, setzte der Kronvogt nach einer Weile seine Rede fort, »das firungefällige Waidmannswerk, wie es schon Jarlak vor uns tat.«
Schweigend standen sie noch eine Weile da, bis das Bellen der Hunde vom Hof der Kronfeste her zu hören waren. Die Jagdgesellschaft hatte sich versammelt. Firutin blickte seinen Freund und Dienstherrn an, sagte aber nichts. Jener seufzte noch einmal, straffte sich und griff nach Speer und Bogen, die er an die Brüstung gelehnt hatte. »Laßt uns aufbrechen, Firutin. Die Stunde des Jägers ist gekommen.«
Der kleine Trupp – neben dem Kronvogt und seinem Jagdmeister nur noch eine Handvoll Jäger und die Hunde – verließ die Kronfeste durch das große Hoftor und schlug den Pfad in Richtung der Serrinmarschen. Wolfmann von Wetterfels führte seine Jägerinnen und Jäger hinaus in das Sumpfland. Schweigend marschierten sie im Gänsemarsch hintereinander her, immer weiter in das Land hinein.
Unvermittelt hielt einer der Hunde inne und sog witternd die Luft, ein, kurz darauf ein zweiter, schließlich die ganze Meute. Die Jäger mühten sich, die Tiere still zu halten, und hielten Ausschau nach dem Wild, dessen Geruch den Hunden in die Nase gefahren sein musste.
‚Dort’, bedeutete Jellinger dem Kronvogt mit einer Handbewegung. Wetterfels nickte kaum merklich. Die Hunde hatten gerochen, was die beiden nun bereits sehen konnten: Ein Wolf stand dort auf dem Pfad, witternd und schliesslich in ihre Richtung schauend.
Schon wollte einer der Jäger den Bogen spannen, doch mit einem kaum merklichen Wink hielt Wetterfels ihn zurück; der Kronvogt hatte die Reaktion aus den Augenwinkeln mitbekommen.
Noch immer blickte das Tier zu den Jägern. Wetterfels hielt dem Blick des Wolfes stand, derweil Jäger und Hunde unruhiger wurden; Jellinger, der Jagdmeister, stand jedoch noch immer zwischen ihnen und dem Kronvogt.
Nach einer unendlich lang scheinenden Weile - lediglich Wolfmann empfand es als einen kurzen Augenblick - verschwand das Tier schließlich seitwärts im Schilfgras.
»Es war nur ein Wolf«, zischte Jellinger den Jägern zu.
Der Kronvogt nickte stumm; dann straffte er sich. »Ganz recht, nur ein Wolf«, sagte er dann, »wir aber wollen Enten jagen.«