Geschichten:Von Pagen und Knappen - Raslan 3
Ein zweiter Fanfarenstoß als Zeichen für die Boronshofer erschallte von der Turmspitze und die große Tür zum Festsaal wurde geöffnet. Auch die Boronshofer hatten ihre besten Gewänder angelegt. Begleitet von seiner Frau und gefolgt von seinen drei Kindern betrat Answin von Boronshof, der Vogt des Gutes und Vater des werdenden Knappen den Festsaal. Doch wer einen Blick für Details hatte sah schnell, dass es auf dem Boronshof wohl selten so prächtig zuging wie hier auf Burg Pechackern. Der Wappenrock des Vogtes schien an der einen oder anderen Stelle schon einmal – wenn auch kunstfertig, sodass es kaum zu sehen war – geflickt worden zu sein, sein Kettenhemd war zwar gepflegt, verbreitete aber ebenfalls nicht mehr in dem Glanz den der Ringelpanzer des Junkers von Pechackern ausstrahlte. Und dennoch schien sich Answin dieser kleinen Makel nicht bewusst zu sein, oder sie zu ignorieren – stolz schritt er dem gastgebenden Paar entgegen, wobei er das leichte Humpeln nicht verbergen konnte, dass ihm als stete Erinnerung an seine letzte Schlacht in Diensten der Armee geblieben war.
Raslan schritt hinter seinen Eltern in den Festsaal. Die Hose war zu eng, der Kragen kratzte, sein gerade vor ein paar Tagen ordentlich geschnittenes Haar kitzelte auf der Stirn und er hatte das Gefühl, als würden alle nur ihn anstarren. Wieso mußte man so ein großes Fest daraus machen. Es hätte doch sicher gereicht, wenn sein Vater ihn hier einfach abgegeben hätte. Schon vor einigen Tagen waren sie hier angekommen und er hatte schon ein wenig von der Burg gesehen. Das Essen hier war jedenfalls genauso gut wie zu Hause und heute würde es ein richtiges Festessen geben. Seine Stimmung besserte sich sofort bei dem Gedanken und er lächelte sogar ein wenig als er weiterschritt.
Freundlich lächelnd beobachtete Anselm die Szenerie. Einen kleinen Moment schweifte sein Blick von den Boronshofern zu Lydia, welche ihm sogleich fast schon verschwörerisch zunickte. Dann galt aber seine ganze Konzentration wieder der Familie Answins, die nun direkt vor ihm zum Stehen gekommen war. Raslan war neben seinen Vater getreten. Nachdem ein Moment vergangen war und Ruhe eingekehrt war erhob der Junker seine Stimme.
„Ehrenwerter Answin von Boronshof, geschätzte Dame von Boronshof, geschätzte Familie und Freunde. Wir sind an diesem Tage zusammen gekommen, um dem Beginn des neuen Lebensabschnitts Raslans von Boronshof beizuwohnen. Ich danke Euch Answin, für das Vertrauen, welches Ihr in mich setzt und werde dieses nicht enttäuschen, so wahr Praios meine Wege führt!“ Anselm erhob sich und ging einen Schritt auf Raslan zu, „So tritt näher heran!“, beorderte er ihm und musterte den Jungen eindringlich. Raslan war vorgetreten. Er gab sich Mühe, seine Hände und Füße still zu halten, und sah etwas schüchtern zu Anselm auf.
„Also bist Du heute hier vor mich getreten, um in den ritterlichen Stand des Knappen gehoben zu werden, Raslan?“
„Ja, Herr.“
„So wirst Du Treue mit Treue vergelten, Fürsorge mit Loyalität ehren und Lehre mit Fleiß honorieren?“
„Das werde ich, Herr.“
„So wirst Du mir in des Praios gefälliger Demut dienen und mit der Rondra gefälligen Ehre begegnen?“
„Das werde ich, Herr, dazu mögen Praios und Rondra mir helfen.“
„So werde ich Dir ein gerechter und fürsorglicher Lehrherr sein. Dein Wohlergehen ist meine höchste Pflicht und der Herre Praios möge mich strafen, sollte ich in meiner Pflicht fehlen!“
Stumm nickte Anselm nach diesem Worten der Baroness von Hundsgrab zu und gab Rahvena mit einem Wink zu verstehen an die Seite Raslans zu treten. Die Baroness trat an die Seite des Junkers und nahm den Stoff von der Pagin Arme, welche dies mit einem leisen, erleichterten Ausatmen quitierte. Als Lydia den Stoff entfaltete konnte ein jeder sehen, dass dies ein Hundsgraber Wappenrock in des Junkers Farben war und den aufrecht strebenden Hund als Wappen trug. „Einst trug ich diesen Rock, Raslan und war Anselms Knappin bis zu dem Tage meiner Schwertleite. Heute ist es mir eine Ehre Dir diesen Rock anzuvertrauen. Trage ihn in Demut und lerne, was es heißt ein Ritter zur sein.“ Freundlich bedeutete sie Raslan nun den Wappenrock anzulegen und half ihm dabei diesen überzustreifen.
Noch einmal nickte sie Raslan und dann Anselm zu, bevor sie sich wieder zu den Gästen begab. Rahvena war mittlerweile ebenso wieder an ihren Platz gegangen. Anselm bedeutete nun den beiden Waffenknechten vorzutreten und ergriff das Kurzschwert und den Schwertgurt, welches der eine trug.
„So ist an mir Dich mit den Waffen des ehrenhaften Knappen zu rüsten. Nimm dieses Kurzschwert und lerne es zu führen, so wie ich es Dich lehren werde.“ Sorgfältig legte Anselm seinem neuen Knappen das Schwert mit dem Schwertgurt an und drehte sich anschließend zu dem zweiten Waffenknecht um und nahm von diesen einen kleineren aber stabilen Schild. „Nimm diesen Schild als Wehr gegen Deine Gegner und um die Schwachen zu schützen. Auch dies werde ich Dich lehren in der richtigen Weise zu tun!“
Nun stand Raslan gerüstet und gewappnet vor seinem neuen Herrn und spürte allzu schnell das Gewicht des Schildes an seinem Arm und des Schwerts an seiner Hüfte. Anselm sah sich nun zu Khorena um und ließ sich von ihr ein Buch geben, welches mit einem Lederriemen verschlossen war. Dieses reichte er Raslan mit den Worten, „Dieses leere Buch repräsentiert Dich an dem heutigen Tage. Es sei nun Deines und Du darfst es mit Deinen Worten füllen. Nutze es nach Deiner Fasson, sodass Dein geschriebenes Wort Dir in der Zeit, die nun kommen wird, zur Hilfe gereicht.“
Nun gebot Anselm seinem neuen Knappen sich umzudrehen und zu den Gästen zu blicken und sprach laut, „So haben wir den Knappen Raslan aufgenommen und wollen dies nun gebührend feiern! Es sollen Trank und Speise gereicht werden!“
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