Geschichten:Wachwechsel - Die Ablösung
Schloss Perringrund, Markgräflich Perrinmarsch, Anfang Boron 1045 BF
Es war ein schöner Herbstmittag im Boron. Die Praiosscheibe kämpfte sich durch die Wolkendecke und tauchte alles in ein goldenes Licht, während sich in den Gräben, neben den Wegen, noch immer Nebel sammelte und auch der Morgentau nicht gänzlich verschwinden wollte. Am markgräflichen Hof herrschte einiger Trubel, denn der Hausherr weilte derzeit vor Ort! Niemand wusste genau wie lang er gedachte zu bleiben, doch seine Präsenz warf einiges durcheinander. Manche, die sich in seiner Abwesenheit aufspielten, zogen derzeit die Köpfe ein und versuchten nicht aufzufallen. Andere wiederum hofften eine Gelegenheit zu erhaschen, um mit dem Markgrafen persönlich auf ihre Anliegen ansprechen zu können.
Hauptfrau Isenbrunn hatte gemeinsam mit ihren Offizieren der 1. und 2. Wache alle Hände voll zu tun den reibungslosen Ablauf am Hofe zu gewährleisten. Denn neben den Höflingen, welche sonst hier weilten, hatte sich auch eine beachtliche Menge an Adligen und Offizieren aus den Perrinlanden, sowie der Reichsstadt, hier eingefunden. Vereinzelt waren sogar Vertreter der Trollzacken-Baronien und aus dem Raschtullswall, welche sich zufällig nahe des Hofes oder der Reichsstadt aufhielten, zugegen. Der Grund dürfte die Ankündigung gewesen sein, dass Markgraf Paligan vorhatte sich zu den Geschehnissen im Königreich zu äußern.
Wer das Glück - oder die Ehre - besaß, zu einer Audienz unter vier (oder einer beliebigen anderen Anzahl an) Augen eingeladen worden zu sein, wurde in entsprechende Zimmer zum warten platziert. Je nach eigenem Stand und dem Stand der Person, mit welcher sich getroffen wurde, unterschieden sich diese Zimmer. Wenngleich es keine “einfachen” Zimmer im herkömmlichen Sinne auf Schloss Perringrund gab. Immerhin stellte man hier gerne den Reichtum der Markgrafschaft zur Schau. So geizte man weder mit Marmor aus den Walllanden noch mit edlen Hölzern aus den Perrinlanden. Kunstvoll mit Delfinen verzierter Stuck rahmte die Decken ein, aufwendig geschnitzte Stühle standen an filigranen Tischen und prächtige Landschaftsbilder (mit Motiven unter anderem aus den Zackenlanden ) wechselten sich mit riesigen Wandteppichen ab.
Bärfried von Hardenstatt stand an einem der bodentiefen Fenster, in einem prunkvollen Raum dessen Interieur durch die Portraits des Markgrafen sowie seiner Mutter und seines Vaters dominiert wurde. Der einäugige Leutnant hatte einige Augenblicke mit der genaueren Betrachtung der Gemälde verbracht, war ihm doch so, als ob er beobachtet wurde. Immerhin wusste er nicht welchem Umstand er es zu verdanken hatte, heute hier zu sein. Lediglich dass Rondrigan Paligan ihn einbestellt hatte war ihm bewusst. Der Markgraf höchstselbst, nicht der Seneschall, durch den der Landesherr sonst zu sprechen pflegte.
Schließlich schwang die große doppelflügige Tür auf und eine Gardistin der markgräflichen Hellebardiere forderte den blonden Mann auf ihr zu folgen, seine Erlaucht würde ihn nun empfangen. Also strich sich Bärfried nochmal über den korrekt sitzenden Wappenrock der Bombarden und überprüfte in einem der bodentiefen Spiegel ob auch sonst alles saß. Schließlich zufrieden mit dem Bild das er abgab, folgte er der Gardistin.
Der Thronsaal war beinahe zum Bersten gefüllt. Die Angehörigen des Hofes hatten in den ersten Reihen vor dem Thron Stellung bezogen, während sich die restlichen Gäste aus der Markgrafschaft, egal ob Adel, Kirche oder sonstigen Standes, dicht an dicht in den Raum drängten. Einzig in der Mitte hatten die markgräflichen Hellebardiere für genügend Platz gesorgt, um einen Weg vom Eingangsportal zum Delfinthron freizulassen. Vor dem Thron, rechterseits, stand der Seneschall und überblickte das Gewusel und Getuschel, mit seinem klaren und wachen Blick.
Dann schwang das große Portal auf und der markgräfliche Herold trat herein. Drei Mal klopfte er mit seinem Heroldstab auf den Boden und verschaffte sich gehör, auf dass das Getuschel eingestellt wurde und alle Augen sich auf ihn richteten. “Seine Erlaucht, der Markgraf von Perricum, Rondrigan Paligan von Gareth!”. Unter Fanfaren betrat der Markgraf, angetan in dunklem Brokat und schwarzer Seide, den Thronsaal, in angemessenem Abstand folgten ihm seine Hausritter. Würdevoll durchschritt er den Saal und nahm schließlich auf dem, erhöht stehenden, Thron platz. die Fanfaren verstummten und es schien als ob der gesamte Raum die Luft anhielt.
Schließlich sprach seine Erlaucht mit samtweicher Stimme die, trotz der beachtlichen Ausmaße des Saals, bis in die letzte Ecke getragen wurde. Er sprach über die vergangene und bevorstehende Ereignisse. Die versammelten Anwesenden lauschten gespannt den Worten Ihres (Lehns-)Herren und der ein oder die andere blickten überrascht auf, ob der Neuigkeiten die ihnen der Markgraf offenbarte.
Schließlich hatte der Mann, mit braunem Haar, seine Ansprache zur derzeitigen politischen Lage beendet und ließ abermals Ruhe einkehren, damit seine Worte ihre Wirkung entfalten konnten. Einige der Anwesenden tauschten Blicke aus doch wandten sie sie abermals Richtung Thron, als der Hausherr seine Hände hob. “Dies ist jedoch nicht alles, was ich zu verkünden habe! Denn ich möchte diese Möglichkeit nutzen und eine besondere Persönlichkeit auszeichnen! Leutnant Bärfried von Hardenstatt, tretet vor!”. Der blonde Einäugige schob sich durch die Reihen der Gäste und tat wie ihm geheißen. Es brauchte etwas, bis die Menge sich beruhigt hatte.
“Leutnant von Hardenstatt zog mit unseren Truppen in das, von der Fehde gebeutelte, Königreich und übernahm den Schutz der kaiserlichen neue Rabenbrücke. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistung, bei der Sicherung der kaiserlichen Vogtei, ist es mir eine besondere Freude Euch das Ehrenwappen der Markgrafschaft Perricum der dritten Klasse zu verleihen! Möget Ihr und Eure Taten ein schillerndes Vorbild für uns alle sein”. Ergriffen verbeugte sich der soeben Ausgezeichnete und ließ sich, sichtlich gerührt, von seiner Erlaucht das emaillierte silberne Kleinod an blau-weißem Band an die Brust heften. Abermals verbeugte sich der Einäugige und erhielt mitsamt eines Handschlags die entsprechende Verleihungsurkunde. Schließlich kehrte er in das Heer der Gäste zurück, die nun der weiteren Worte des Landesherrn harrten.
Mit einer knappen Handbewegung bedeutete er Aldron von Firunslicht an seine Seite zu treten. Mit schleppendem und etwas gebeugten Gang, kam er der Aufforderung nach und stellte sich neben seinen Lehnsherrn. Dieser richtete seine Stimme, nach einem kurzen Blick zu Aldron, an die Gemeinschaft. “Doch es gibt auch weniger erfreuliche Neuigkeiten zu verkünden! Es betrübt mich die Demission von Aldron von Firunslicht als Landvogt auf dem Arvepass bekanntgeben müssen. Seine Hochgeboren war über viele Götterläufe hinweg eine gewichtige Stütze für Uns, unserer Provinz und dem Heer! Doch gesundheitliche Probleme zwingen Ihn nun den Platz für einen Neuanfang freizugeben”. Rondrigan legte eine Kunstpause ein.
“Es ist klar, dass von Firunslicht große Fußspuren hinterlässt. Nicht nur muss sein Nachfolger einen geschichtsträchtigen Flecken Dere verwalten, nein vielmehr muss er den Arvepass durch eine neue Zeit führen. Die dunklen Lande sind befreit und der Pass wird nun wieder überwiegend von Händlern genutzt. Eine Herausforderung, die viel abverlangen wird, weshalb ich mir reichlich Gedanken gemacht und mögliche Kandidaten genauestens geprüft habe!”.
“Herr von Hardenstatt, nehmt den Platz neben seine Hochgeboren von Firunslicht ein!”, während der erstgenannte mit wenigen Schritten abermals vor den Thron trat, brach unter den Anwesenden erneute Unruhe aus, welche durch eine kurze Handbewegung des Markgrafen unterbunden wurde. Bärfried hatte sich derweil neben Aldron gestellt und blickte stoisch zu seiner Erlaucht, welcher unbeirrt fortfuhr. “Bärfried von Hardenstatt, Eure Taten in Garetien haben Euch für größeres empfohlen! Ihr habt bewiesen, dass Ihr das entsprechende Etwas mitbringt, das es braucht, um den Arvepass in eine neue Zeit zu führen! So frage ich Euch, werdet Ihr an meiner statt Euch um das Land am Arvepass kümmern?”.
Der Angesprochene senkte sein Haupt und ging auf ein Knie nieder, “es ist mir eine besondere Ehre, diese mir von Euch übertragene Aufgabe zu übernehmen!”. Rondrigan nickte zufrieden und während er die Bestallung vollzog konnte man eine Ader an der Schläfe des Seneschalls hervortreten sehen. Er hatte die gesamte Ansprache über stillschweigend rechts neben dem Thron gestanden und keinerlei Regung gezeigt. Doch nun sah man Risse in der ansonsten perfekten Boltansmaske.
Nachdem die Formalien erledigt waren, lud der Markgraf noch zu einem kleinen Empfang, von dem er sich alsbald unter Verweis auf “wichtige Reichsangelegenheiten” zurückzog. Während Bärfried von Hardenstatt die unterschiedlichsten Hände schüttelte (und etwas überfordert aussah) sah man Zordan von Rabicum mit seiner Enkelin Geldana angeregt reden. Doch sie waren nicht die Einzigen, die über die Neubesetzung des Landvogtamtes sprachen, für so manchen war die Ernennung dieses unbekannten Leutnants eine regelrechte Überraschung, in vielerlei Hinsicht.
◅ | Ein Schnaps zuviel |
|
Wut, Zorn und ein neuer Plan | ▻ |
◅ | (Selbst-)Zufriedenheit |
|
Wut, Zorn und ein neuer Plan | ▻ |
◅ | Der Morgen Danach |
|
Die Zukunft der Kinder | ▻ |
◅ | Anlaufschwierigkeiten |
|
Ein neuer Landvogt | ▻ |