Geschichten:Wandel in Wasserburg - Eine schmerzlich überraschte Finalistin
Dorf Rosshang, Baronie Wasserburg, Rahja 1042 BF
So sehr Elissa einerseits froh war, nun um den Turniersieg tjosten zu können, so sehr wünschte sie sich andererseits insgeheim, dass der Wettstreit alsbald ein Ende hätte. Ihr linker Unterarm schmerzte geradezu niederhöllisch, was daran lag, dass die Baronin an ihm ihren Schild hatte fixieren lassen (da ihr die linke Hand fehlte, um ihn direkt zu greifen). Für ein oder zwei Lanzengänge stellte dieses Provisorium kein großes Problem dar, danach allerdings waren die Schmerzen kaum auszuhalten. Dennoch, eine Aufgabe kam für die selbstbewusste Adlige nicht infrage. Sie hatte es wider Erwarten so weit im Turnier gebracht, da sollte diese letzte Tjost auch noch irgendwie zu überstehen sein.
Über ihren Kontrahenten wusste Elissa lediglich, dass er ein etwa gleichaltriger Ritter aus dem Nachbarlehen Zackenberg war, wo seine Familie einen Wehrturm bewohnte. Was sie aber aus den vorherigen Lanzengängen sehr genau wusste, war, dass dieser Bärfried exzellente zu tjosten verstand, hatte er zuvor doch einige weit stärker eingeschätzte Gegner aus dem Sattel gehoben. Doch alle Grübelei ist müßig, ging es der Adligen durch den Kopf, letztlich zählte nur, wer am Ende noch auf seinem Pferde saß. Als das Signal ertönte, machte die Baronin sich bereit, biss die Zähne ein letztes Mal zusammen, gab ihrem Streitross die Sporen, ritt an und ...
...landete krachend auf dem Boden des Turnierfeldes. Für einen Moment war Elissa wie gelähmt und hatte das Gefühl, als habe man ihr jeden Knochen einzeln gebrochen. Doch schon nach einer kurzen Weile stand sie, wenn auch noch ein wenig unsicher, wieder auf ihren Beinen. Was für ein Stoß! Die Adlige hatte es - ob vor Schmerz oder Unachtsamkeit - nicht vermocht, ihren Schild rechtzeitig zu heben und gleichzeitig zu wenig Kraft in ihren eigenen Lanzenstoß gelegt - mit dem bekannten Resultat. Etwas unbeholfen stakste sie zu Bärfried und verbeugte sich kurz: "Meine aufrichtigen Glückwünsche, Herr von Hardenstatt. Ihr seid der Beweis, dass es keines großen Namens oder klingender Titel bedarf, um auf dem Turnierfeld zu bestehen. Wie ihr mich aus dem Sattel gehoben habt, war geradezu mustergültig - und ebenso schmerzhaft", fügte die Baronin mit einem feinen Lächeln hinzu. "Ich würde Euch nach Eurer wohlverdienten Ehrung gerne auf einen oder zwei Becher Wein einladen. Vielleicht könnt ihr mir ein wenig mehr über Euch und Eure Familie erzählen, schließlich sind wir ja gewissermaßen Nachbarn."
Bärfried ließ seinen Blick durch die nun jubelnde Menge gleiten. Er konnte es scheinbar immer noch nicht glauben soeben gewonnen zu haben. Mehr schlecht als recht zog er seinen schweren Tjosthelm ab und rückte die schwarze Augenbinde aus Leder zurecht, die nicht so ganz in das Bild des strahlenden Ritters passte, was er versuchte wiederzuspiegeln.
Dann blickte er zu der Baronin herab und lächelte breit während er sich auf dem Rücken des Pferds verbeugte: "Es ehrt mich, solcherlei Worte von Euch, eure Hochgeboren, zu vernehmen! Ich muss wohl der Sturmherrin als auch dem klugen Fuchs für diese Leistung danken!" Bärfried unterbrach kurz und musterte seine Kontrahentin, "ich hoffe doch dass Ihr euch nicht allzusehr verletzt habt? Wie dem auch sei! Dankend nehme ich diese große Einladung an! Es wird mir eine Ehre sein, bei ein zwei Becher Wein, mit Euch über meine Familie zu reden! Habt dank!"
Und mit einem strahlenden Gesicht nickte der blonde Ritter der Adligen zu. Er schien aus dem Strahlen gar nicht mehr herauszukommen.
"Gut", erwiderte Elissa lächelnd, "dann also bis nachher. Doch zuvor solltet Ihr erst einmal mit Eurer Familie und Euren Freunden feiern. Dies ist schließlich Eure Stunde, Euer Tag. Übrigens kennt ihr vielleicht bereits meine Halbschwester Selinde. Sie ist die Schwiegertochter Eures Lehnsherrn Baron Zivko und mit dessen Erben Timshal vermählt. Doch nun Rondra befohlen!", schloss die Baronin und zog sich ein wenig zurück, um ihrem 'Bezwinger' und seinen Begleitern gewissermaßen das Feld zu überlassen.
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