Geschichten:Wandel in Wasserburg - Klamme Kassen
Praios 1043 BF, Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg
Tagelang hatten sich Korhilda und Wolfaran in das Arbeitszimmer zurückgezogen. Die Pergamente waren mittlerweile fein sortiert, einen Stapel für jede Angelegenheit. Der Tikaris wäre seine Baronie auch ohne Fehde losgeworden, wenn nicht durch Entlehnung, dann durch die Gläubiger. Wie konnte man nur so über Stand leben und die Dukaten verprassen.
Dem Verwalter, dem Haushofmeister und dem Berater hätte Korhilda die Ohren lang gezogen, wären sie ihre Vertrauten gewesen, wie hatten sie der Verschwendungssucht kein Einhalt gebieten können.
Wolfaran nahm die Kreide in die Hand und schrieb weiter an die großen Schieferntafeln, die sie sich hatten ins Arbeitszimmer bringen lassen. Bis ins kleinste Detail vermerkte er Einnahmen und Ausgaben.
Die Einnahmen wären eigentlich beachtlich, wenn die horrenden Ausgaben diese nicht pulverisieren würden. Welch eine Krux.
Korhilda lief auf und ab. Der Holzboden musste schon furchen haben. Aber sie hatte schlimmere Zeiten erlebt. Sie dachte zurück an die Zeit auf dem Arvepass, da sah die Lage viel Schlimmer aus und war ob des drohenden Feindes im Osten auch gefährlicher. Ihre Gedanken schweiften zum Sturmfels, die Baronie war sicher keine Goldgrube, aber sie hatte sparsam gelebt. Ucurian würde es ihr noch danken, wie gut gebettet er diese, für eine Baronie in der Bergregion, übernehmen würde. Beim Gedanken an Ucurian schmerzte ihr Herz. Was hatte sie als Schwertmutter nur falsch gemacht? War sie zu gutmütig? Hätte sie strenger sein müssen?
Die neue Baronin von Wasserburg konzentrierte sich wieder aufs Wesentliche - ihre geerbten Verbindlichkeiten und anfallenden Rückzahlungsverpflichtungen. Sie hatte die Verwaltung von einer der Besten des Reiches gelernt, von der ehemaligen Reichserzkanzerlin des Reiches und Staatsrätin Garetiens, von Alwene von Gareth. Diese hatte ein unheimliches Gespür für die Geschäftsbücher und Korhilda war nun mehr als erfreut, dieses Wissen in der Kausa Wasserburg anzuwenden.
Die ganzen "kleinen" Diebe, wie Korhilda sie nannte, konnte sie mit dem Geld Nimmgalfs loswerden. Hier war ihr die Umschuldung, zu einem weit angenehmeren Geldgeber, geglückt. Sicher der Hirschfurten würde sein Geld auch mit Zinsen zurück haben wollen, doch er war ein Ehrenmann und kein kleingeistiger Halsabschneider.
Die Dreuwinder Bande machte der Sturmfelserin mehr Sorgen. Sie waren so zwiellichtige Gesellen, da sollte besser keine Rückzahlung ausbleiben. Sie grummelte innerlich immer noch, dass die grobschlächtigen Schläger ihrem Enkel Trisdhan Angst eingejagt hatten. Aber für dumm hielt sie ihre Anführerin Silvana nicht. Sie wird dem Jungen nichts tun, denn dann hätte sie das gesamte Haus Ochs zum Feind. Der Knabe war schließlich ein Ochs und kein Sturmfels. Und im östlichen Garetien und westlichen Perricum sollte es sich eine Bande von Halsabschneidern besser dreimal überlegen, ob sie die in der Region mächtigen Ochsen reizen möchten. Aber die Schuldscheine waren legale Mittel, sie konnte ihnen ihr Geld nicht verweigern.
Weiter hielt sie die Schuldscheine der Stadt Wasserburg, als auch der Söldner aus Morganabad, der Diamantschädelreiter und der "Waage", in der Hand. Sie prustete mehrfach durch. Wie viel Dukaten der Baron den Söldnern in den Rachen geschmissen hatte, war unfassbar.
Einsparungen, ich muss noch mehr kürzen, waren ihre Gedanken. Alle im baubefindlichen Prachtbauten hatte sie schon gestoppt. Doch das reichte ihrer Berechnung nach nicht. Auf die Knappenausbildung wollte sie nicht verzichten. Vor allem auch um der Herrin Rondra zu dienen, deren Tugenden sie in der Fehde so mit Füßen getreten hatte. Die rondragefällige Aufgabe benötigte die Sturmfelserin unbedingt für ihr Seelenheil.
Die Gedanken ihres Sohnes schweiften in Richtung der eigenen Verwaltung. Wolfaran schlug vor, dass sie hier den Rotstift ansetzen, ganz konsequent. Sie brauchten keinen Verwalter, keinen Kämmerer - Posten gestrichen. Darin waren Korhilda und ihr Sohn bestens ausgebildet und solange hier in Wasserburg die "rauhe See" herrschte würden sie sich selber um die Zahlen kümmern, bis die Baronie im "ruhigeren Fahrwasser" angekommen war.
Einen Magier würde sie sich nicht leisten. Sollte sie dennoch einen benötigen, würde sie bei Anaxios um Hilfe fragen. Und zack, Posten gestrichen. Einen Hofgeweihten benötigte sie nicht, dafür gab es angrenzend zum Dorf den kleinen Tsa Tempel. Das müsste genügen. Ein weiterer Posten weniger.
Und so strich die Sturmfelserin einen Posten nach dem Anderen bzw. besetzte zwei Posten mit derselben Person. Sie selber würde als Baronin, Kämmerer und Verwalter agieren, unterstützt von ihrem Ältesten. Damina würde ihre erste Ritterin und die zuständige Person für die Knappenausbildung. Aurentian sollte ihr Zeugmeister und Haushofmeister werden, wäre er nicht beim Eslamsgrunder Turnier verstorben - hier wusste Korhilda noch keine geeignete Lösung. Der gute Amardeon von Lanzenruh, der Leiter des Gestüts, wurde gleichzeitig zum Stallmeister ernannt.
Korhilda dachte an ihre Reiterei. Vor einigen Tagen war Ciarda, die Gattin des ehemaligen Barons aufgetaucht. Sie war nach ihrem Aufenthalt im Kloster längere Zeit auf Reisen gewesen im Norden und hatte jetzt ihre Hilfe angeboten. Als Absolventin der Schule in Baliho und ehemalige Rittmeisterin bei den Grenzreitern des Markgrafen wäre sie sicherlich geeignet, aber viel zahlen würde Korhilda ihr nicht können. Aber andererseits schien das auch gar nicht der Antrieb des vorstellig werden gewesen.
Sobald die Kassen sich wieder füllten, würde sie für Entlastung sorgen. Das könnte aber noch Jahre dauern.
Und sie strichen weiter durch die Ausgaben. Kein Mensch hier vor Ort benötigte exotische Waren aus den entferntesten Ländern. Sie würden sich auf heimische Produkte beschränken. Das war zwar nicht luxuriös, aber die Sturmfelserin liebte es eh bodenständig.
Am Ende des Tages öffneten sie ihr geliebtes Schlunder Wiesenschlösschen und tranken ihren wahrhaft verdienten Gerstensaft von dem Balkon aus, mit besten Blick auf die Darpatauen.
Sie hatten Heute keine Zauberwerk verübt, aber es würde helfen, wenn auch sehr langsam. Korhilda war sich sicher, wenn sie den Sparplan eisern verfolgte würde sie in fünf bis zehn Jahren alle Verbindlichkeiten getilgt haben, auf dass die ihr nachfolgende Generation noch viel Freude an Wasserburg haben würde.