Geschichten:Wegbereiter
13. Ingerimm 1043 BF, Burg Angareth, Markgräflich Arvepass
Es war ein angenehmer Frühlingstag, das Praiosmahl hatte fast seinen höchsten Stand erreicht und nur wenige vereinzelte Wolken zogen am Himmel vorbei.
Salix von Hardenstatt war mit seinen zwei Begleitern früh aus Vellberg aufgebrochen, er wollte endlich an seinem Ziel ankommen. Zwar hätte er den kürzeren Weg, über die kleinen und verschlungenen Wege durch die Baronien, nehmen können; allerdings hatte ihn die Aussicht nach Dergelmund zu kommen dann mehr gereizt und so nahm er die längere Reisedauer gerne auf sich.
Langsam ritten die Drei den Weg hoch zu der gewaltigen, weißen Festung, die sich vor ihnen erhob. Ein imposanter Anblick musste Salix anerkennend zugeben, Bärfried hätte sich einen schlechteren Ort suchen können. Vor dem Tor kam die kleine Gruppe zum stehen, zwei - in den Farben des Bombardenregiments angetanen - Soldaten stellten sich ihnen in den Weg, "den Zwölfen zum Gruße! Was ist Euer Begehr?", erhob der ältere Soldat die Stimme.
"Den Zwölfen zum Gruße! Mein Name ist Salix von Hardenstatt, Meister der Schreibstube am Hof des Barons zu Zackenberg und ich habe ein Treffen mit meinem Bruder, Leutnant Bärfried von Hardenstatt", antwortete Salix mit freundlicher aber bestimmter Stimme.
Die Soldaten nickten knapp und verbeugten sich kurz während sie aus dem Weg gingen, "seine Wohlgeboren von Hardenstatt erwarten Euch schon!".
Bärfried blickte von seinem Schreibtisch auf, er ging gerade einige Berichte durch, entsprechend sah der Tisch aus. Überall waren Pergamentrollen und Blätter verteilt, hier und dort stapelte sich das Papier zu kleinen Türmchen, die nur von Kerzenständer, Becher oder anderen Türmchen in Zaum gehalten wurden.
"Herein!", rief der Leutnant zur geschlossenen Tür, schon befürchtend dass da noch mehr Papier kommen würde. Entsprechend erhellte sich seine Mine als er erkannte dass sein Bruder durch die Tür trat. Mit einem Lachen sprang der Einäugige auf, lief um seinen Tisch herum und nahm seinen Gast in die Arme, "bei den Göttern, Salix du hast es geschafft! Ich freu mich wahrlich! Komm, komm herein setz dich! Du musst sicherlich von der Reise fertig sein? Lass mich dir was zu trinken geben, hast du Hunger? Das Essen hast du knapp verpasst aber ich kann dir sicherlich etwas organisieren", sprudelte es aus ihm heraus.
Salix lächelte etwas und schüttelte den Kopf, während er auf einem Stuhl vor dem Tisch Platz nahm, "danke etwas zu trinken reicht mir, wir haben eine kurze Pause in Hagenshain eingelegt", lehnte Salix ab und blickte sich im Zimmer um.
Es war ein kleines Zimmer mit nur einem Fenster, welches von zwei Wappenschildern eingerahmt wurde. Das eine zeigte das Wappen von markgräflich Arvepass, auf dem Anderen sah man das Wappen des Bombardierregiments, welches auch die Brust Bärfrieds zierte.
Darunter war ein kleines Regal, welches vollgestellt mit noch mehr Papier war. Allerdings konnte Salix unter all dem Papier auch zwei Bücher ausmachen, deren Einband aber keinen Rückschluss auf den Inhalt der Bücher gab. An der linken Seite stand ein größeres Regal, ebenfalls mit Papier und Oergament in den verschiedensten Formen vollgestopft, mit Ausnahme eines Regals, welches mit Bechern und einer leeren Karaffe ausgefüllt wurde.
Auf der anderen Seite hing ein Gemälde von einer Person die dem Meister der Schreibstube nichts sagte, er vermutete einen Militär dahinter konnte aber nicht sagen welcher oder woher dieser kam. Daneben stand ein Waffenständer in dem ein Kurzschwert und der Anderthalbhänder lehnten. Zur späteren Stunde würde wohl der kleine Deckenleuchter Licht spenden oder die zwei Kerzenständer auf dem Schreibtisch seines Bruders.
Zwischenzeitlich hatte Bärfried etwas Wein in zwei Becher gegossen und reichte einen an Salix weiter, der diesen dankend annahm.
"Hab Dank! Auch ich freue mich dich endlich wieder sehen zu dürfen. Über den Winter kann man in den Zacken, vor allem hier oben, ja leider nicht reisen. Wie ergeht es dir denn hier und in deiner neuen Stelle?", fragte Salix nachdem er einen Schluck genommen hatte.
"Jaja... Der Winter in den Zacken macht das Treffen schwer! Der Pass war komplett zugeschneit. Ein ganz sonderbares Erlebnis, kann man ja in Zackenberg zumindest noch ins Dorf. Aber ansonsten ergeht es mir hier gut. Die täglichen Aufgaben sind zwar schreiblastiger als ich es mir vorgestellt hatte aber spaß machen sie mir dennoch. Das Beste sind natürlich die Übungen mit meinem Banner. Wenn du etwas länger bleibst wirst du sicherlich mal die eine oder andere miterleben können!", lachte Bärfried zufrieden und nahm ebenfalls einen Schluck.
"Aber kommen wir doch zum Grund deines Besuchs! Du meintest in deinem Brief, dass es Dinge zu besprechen gäbe, die die nächste Generation der Familie betreffen?", setzte Bärfried nach und blickte seinen Bruder neugierig an.
Der schmunzelte verlegen, "immer mit der Tür ins Haus fallend, so kenne ich dich...", "tatsächlich wollte ich mit dir über deine Töchter sprechen. Sie sind nun langsam in einem Alter, in dem man sich Gedanken über ihren Werdegang machen sollte".
Bärfried lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nickte langsam während er sich am Kinn krazte, "ja da hast du wohl recht. Mir selbst kam das auch schon das ein oder andere Mal in den langen Winterabenden", stellte Bärfried langsam und nachdenklich fest.
"Du solltest darübernachdenken sie als Pagen irgendwo unterzubringen. Am besten an einem wichtigen Hof eines Hochadligen. Vielleicht am Hof des Barons von Zackenberg? Oder einer anderen Person zu der du eine Beziehung aufbauen oder festigen möchtest?", stellte der jüngere der Brüder in den Raum und nahm nochmal einen Schluck von seinem Becher.
Bärfried nickte verstehend, "hm das klingt nach einer guten Idee... Ich wüsste schon an welchen Hof ich die Zwillinge schicke. Es kommt natürlich nur ein Hof in Frage, der meines Schwertvaters, es sollte aus jeder Generation mindestens ein Hardenstatter an den Hof Zackenbergs gehen", stellte er fest und blickte seinen kleinen Bruder zufrieden an.
Dieser lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lächelte, es lief wie er es sich erhofft hatte. Seit seinem Traviabund mit Orlana hatte sich die Beziehung zu seiner Familie deutlich verbessert, das machte es ihm leichter seine Ideen und Pläne unter den seinigen zu streuen.
"Warum beide an einen Ort schicken? Ich denke sie würden auch viel lernen, wenn sie mal eigene Wege gehen müssten. Das hätte für dich und die Familie natürlich auch den Vorteil die Beziehung zu zwei Personen zu festigen", stellte Salix provokant in den Raum.
Der blonde Leutnant blickte seinen Bruder fragend an und begann langsam zu lächeln.
Baronin zu Vellberg
Burg Mallvenstein
Verehrte Hochgeboren vom Berg,
ich hoffe Ihr erfreut Euch wieder bester Gesundheit und könnt die Zacken nun im Frühling so genießen wie es sich gehört!
Jetzt wo auch der Schnee vom Pass geschmolzen ist können wir nun auch endlich wieder uns bewegen ohne Gefahr zu laufen ein paar Zehen oder Finger zu verlieren!
Ich schreibe Euch natürlich nicht nur um mich nach eurem werten Befinden zu erkundigen (auch wenn mein Interesse aufrichtig ist!), nein Ihr müsst verzeihen, ich habe einen Hintergedanken!
Meine Töchter, die Zwillinge, kommen nun langsam in ein Alter, in dem sie die Welt außerhalb der großväterlichen Lande kennenlernen sollen und ein bisschen Bildung schadet ihnen auch nicht.
Ich möchte deshalb bei Euch anfragen ob Ihr gewillt werd meine Tochter Jasina zu eurer Pagin zu nehmen?
Jasina ist ein aufgewecktes und neugieriges Kind. Ihr wildes Wesen passt zu den Zacken, doch es braucht eine führende Hand, die sich darum kümmert dieses Wesen in geeignete Bahnen zu lenken.
Ich denke dafür wäret Ihr die perfekte Person!
Hochachtungsvoll
Bärfried von Hardenstatt
Ritter und markgräflicher Leutnant