Geschichten:Wespennest - Respondami Veritar
Belgos schwang sich auf den Sessel und legte seinen Arm über die Rückenlehne. Das würde jetzt eine interessante Vorstellung geben. Balrik hatte alle Bediensteten des Hauses in den Raum gerufen; jeden einzelnen, vom Stallknecht bis hin zum Haushofmeister. Sie alle versammelten sich und fragten sich, warum sie wohl gerufen wurden. Auch der kleine Ajax war unter ihnen, und blickte sich neugierig um, und hielt den größtmöglichen Abstand zu ihm. Man hatte überlegt, daß man alle einzeln befragte, aber sie hätten sich danach miteinander unterhalten, so daß man gleich alle in den Raum gerufen hatte. Als Eberfang ihn im hochherrschaftlichen Lehnsessel sitzen sah, verzog er das Gesicht – schließlich war das ein Sessel in dem die Hausherren saßen und nicht für einen Söldner wie ihn gedacht, der sich noch dazu darauf leschär hinsetzte. Belgos grinste ihn an. Er wußte schließlich warum sie hierher gerufen wurde. Und er freute sich schon auf das Gesicht, wenn auch er es erfuhr.
Neben ihm waren auch Balrik, Nahéniel und auch Gerion anwesend, der heute früh erst angekommen ist. Und ohne ihn wäre die heutige Aktion auch nicht möglich. Belgos sah, wie auch Balrik die Bediensteten beobachtete, während die Elfe eher einen abwesenden Eindruck erweckte, aus dem Fenster blickte und dort irgendetwas interessantes beobachtete. Aber der abwesende Eindruck konnte täuschen; Elfen hatten verdammt gute Ohren! Er hatte es einmal versucht, sich an sie heran zu schleichen, aber sie hat ihn schon von weitem kommen gehört.
Gerion war da anders. Er stand aufrecht und selbstbewußt da; und blickte auf die Versammlung hinab wie auf Vasallen, die ihrem Herrn die Aufwartung machten. Er war derjenige, der normalerweise den Ton angab; doch nicht heute. Heute stand er hinter seinem Vater und wartete, und hielt eine Thesis eines Zaubers in den Händen, auf das er heute zurückgreifen würde.
Daß sich Gerion hinten anstellte, war eigentlich nur dann der Fall, wenn sein Vater da war und die Führungsrolle übernahm. Tatsächlich war aber genau das nicht mehr so häufig der Fall: Balrik hatte ihm die Verwaltung seiner Güter und Lehen überlassen, und das schon vor einigen Jahren. Nach und nach hatte er ihm immer mehr Verantwortung übertragen. Im Vertrauen hatte ihm Balrik einmal gesagt, daß Haffax sein letzter Auftrag für das Kaiserreich sein würde. Glaubte er etwa, diesen Krieg nicht zu überleben?
Nun trat jedenfalls Balrik hervor. "In den letzten Monaten gab es vermehrt Angriffe auf die Tauristar", begann er und kam somit gleich auf den Punkt. "Und manch andere sind ebenfalls Opfer von Attentaten geworden. Allerdings waren die Identitäten von vielen von ihnen kaum jemanden bekannt. Das bedeutet", Balrik blickte jeden von ihnen genau an, "daß wir einen Spion unter uns haben. Ich gehe auch davon aus, daß diese Person in mein Arbeitszimmer letzte Nacht eingebrochen ist."
Sofort wurde getuschelt und bestürzende Blicke waren zu sehen – und auch ein paar verängstigte. Sie alle blickten sich um und fragten sich, wer wohl der Verräter war.
"Seid Ihr sicher, Herr?", trat Movert hervor. Er war für die Verteilung und Logistik der Augen-und-Ohren zuständig und kannte so gut wie jeden Informanten. "Ich meine, ich kann mir nicht vorstellen, daß hier Euch jemand verraten würde."
"Leider muß es so sein, Movert", antwortete Balrik. "Einen anderen Schluß gibt es nicht."
"Aber wie wollt Ihr herausfinden, wer es war?", fragte Movert nach.
Das war Gerions Stichwort. "Ich werde einen Zauber sprechen", sagte er und trat hervor, "mit dem man gezwungen ist auf eine Frage wahrheitsgemäß zu antworten. Ich werde jeden von euch mit dem Zauber belegen und so werden wir unseren Schuldigen finden."
Es wurde unruhig unter den Bediensteten, doch Balrik hob die Hand und es wurde wieder ruhig, doch Gerion war derjenige der weitersprach: "Ihr braucht euch vor den Zauber nicht zu fürchten, es ist ein ... praiosgefälliger Zauber."
Praiosgefälliger Zauber?, dachte Belgos. Eine sehr großzügige Interpretation. Aber es schien jene zu beruhigen, die schon immer ein wenig Furcht vor dieser Zauberei hatten. Ihm konnte er damit allerdings nichts vormachen. Wer konnte schon wissen, was diese Zauberer wirklich mit einem taten? Dennoch hatte auch er den Zauber auch über sich ergehen lassen müssen ...
"Aber ist das wirklich notwendig?" meldete sich der Haufhofmeister Eberfang. Er schien nervös zu werden.
"Ja, das ist es", unterbrach Gerion und blickte dem Haushofmeister in die Augen. Auch ihm viel die Nervösität auf. "Nur auf diese Weise können wir sicher sein. Fangen wir doch gleich mit Euch an, Eberfang. Respondami Veritar!"
Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn vom Eberfang. "Habt Ihr Geheimnisse verraten, die Angriffe auf die Tauristar zur Folge haben konnten?" Man konnte Eberfang ansehen, daß er verneinen wollte, doch stattdessen brachte er nur ein Wort über die Lippen: "Ja."
Wenige Minuten später haben alle Bediensteten den Raum verlassen, allerdings nicht ohne daß Gerion jeden einzelnen ebenfalls mit dem Zauber befragte um sicher zu gehen, daß es keine weiteren Verräter gab, doch Eberfang war der einzige der diese Frage bejahte.
Der Haushofmeister saß mitlerweile auf dem Sessel, auf dem Belgos vorhin saß. Er hatte alles gestanden. Er hatte erzählt, wie er sich mit einem Unbekannten getroffen hatte, und drohte seine Schwester umzubringen, wenn er ihm nicht die Informationen gab, die er wollte. Er sollte den Inhalt der Schatulle übergeben, aber um diesen Schritt zu gehen hat er sich nie getraut – über Monate hinweg hat er diese Tat hinausgeschoben –, bis ihm eines Tages der Finger seiner Schwester mit einer weiteren deutlichen Warnung überbracht wurde. Und so hatte er sich schließlich doch überwunden – trotz den Beteuerungen, daß er nie Verrat begehen wollte, daß er doch nur seine Schwester helfen wollte –, in den Arbeitszimmer ein- und die Schatulle aufzubrechen, doch dann ist der Inhalt plötzlich in Flammen aufgegangen.
Auf die Frage hin, wie er Kontakt mit ihm aufnehmen konnte, sagte er, daß er die Bettücher zur Efferdstunde aus dem Fenster des ersten Stockes heraushängen lassen soll, woraufhin er eine Nachricht bekommt, wo sie sich treffen sollen.
Verdammter Mistkerl, dachte Belgos und blickte ihn finster an. Wegen diesem Feigling wurden gute Freunde getötet!
Balrik blickte auf den sich bedauernden Haushofmeister hinab und schüttelte den Kopf. "Ich bin schwer enttäuscht, Eberfang", sagte er. "Ihr hättet gleich zu mir gehen sollen, dann hätten wir schon eine Lösung gefunden. Aber so ..."
"Was machen wir nun mit ihm?", fragte Belgos. Am liebsten würde er ihm gleich die Kehle durchschneiden.
Balrik schien sich seine nächsten Schritte zurecht zu legen und überlegte. "Als Doppelagent können wir ihn nicht mehr einsetzten. Die anderen Diener haben gesehen, wie der Zauber ihn verraten hat", meinte er und blickte nun Eberfang abschätzend an. "Aber es gibt noch eine Sache, wobei er uns helfen kann."