Geschichten:Wider Wind und Wogen – Eine neue Zeit
Kaiserlich Perricumer Flottenakademie, Reichsstadt Perricum, Phex 1040 BF:
Alrico von Brunden schlenderte gut gelaunt die Hauptstraße des immer noch recht geschundenen Stadtteils Efferdgrund entlang. Es war für diese Jahreszeit schon angenehm warm und es blies nur ein laues Lüftchen. Der Adjutant des Leiters der Perricumer Flottenakademie hatte ausgezeichnet geschlafen und freute sich gar auf seinen Dienst.
Vor der Flottenakademie angekommen, blieb er verwundert stehen. Handwerker waren damit beschäftigt vor dem Hauptgebäude der Offiziersschule ein hölzernes Gerüst aufzubauen. Sollte das etwa bedeuten … Alrico wagte es kaum diesen Gedanken auch nur zu denken … das endlich die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an der desolaten und vollkommen unansehnlich gewordenen Außenfassade beginnen sollten - welche durch die Haffax-Invasion nur noch dringlicher geworden war? Welch Schandfleck, und der altehrwürdigen Institution völlig unangemessenen, war das Gebäude geworden. Leider spiegelte der äußere Eindruck mitunter auch die Qualität der Ausbildung wieder, aber die Zeiten waren finster und die Schulleitung tat ihr bestes den ehemaligen Stolz des Reiches vor der endgültigen Schließung zu bewahren.
Doch ein Lichtblick am Ende des Horizontes tat sich auf. Das Reich hatte endlich die Wichtigkeit der Perlenmeerflotte erkannt und beim Reichstag in Beilunk die Aufstockung der finanziellen Zuwendungen beschlossen. Welch Freudentag auch für die ehrwürdige Flottenakademie, denn diese sollte ebenfalls bedacht werden – so hieß es jedenfalls aus der markgräflichen Administration. Seneschall Zordan von Rabicum schien der Akademie wohlgesonnen, das hatte er ein ums andere Mal verlauten lassen. Wie es schien, waren es nicht nur leere Worte.
Schnellen Schrittes stürmte Alrico durch den Haupteingang des alten Gemäuers und die Treppe hoch zum Arbeitszimmer des Akademieleiters. Dort saß Kapitän Sebald von Gerben, nun mehr schon seit 12 Götterläufen Leiter der Einrichtung, in seinem bequemen Lehnstuhl und rauchte genüsslich seine Pfeife. Ihm gegenüber saß der schneidige Kapitän der `Natterkönigin´ Varsinian Hal von Teckelwitz, einer der großen Hoffnungen der Perlenmeerflotte - denn er und seine Besatzung hatten die zahllosen Einsätze in der Blutigen See überlebt. Nicht allen erging es so gut. Allein die Flottenakademie hatte in den letzten Götterläufen eine Großzahl ihrer Kadetten und Kadettinnen an die Blutige See verloren. Der Blutzoll an ausgebildeten Seeoffizieren war noch um vieles größer.
„Ah, Brunden, da bist du ja.“ Der alternde Leiter der Flottenakademie nahm sichtlich entspannt einen weiteren Zug aus seiner Pfeife. „Ich habe gerade mit Kapitän Teckelwitz über die Initiierung der neuen Rekruten gesprochen. Da sind ein paar stramme Burschen und Maiden dabei. Sehr zufriedenstellend!“
„Ehm ja, das ist großartig“. Alrico interessierte sich in diesem Moment eher für andere Dinge. „Was haben die Gerüste an der Außenfassade zu bedeuten?“
„Das Reich hat sich daran erinnert, dass es die Perlenmeerflotte noch gibt“. Der adrett, aber pragmatisch gekleidete Kapitän mit kurzen, braunen Locken grinste jovial. „Ein wenig spät, denn die Blutige See hat auf die klammen Kassen unserer Flotte keine Rücksicht genommen, aber immerhin.“
„Ach Teckelwitz, wichtig ist, es geht jetzt voran! Der Reichstag in Beilunk hat die kaiserlichen Zuwendungen an die Perlenmeerflotte beachtlich erhöht. Wie wir allen wissen, musste eine Menge Wasser den Darpat runterfließen bis sich sich die Bürokraten im fernen Elenvina mal was zustande bringen, aber nun habe ich vom Seneschall die Bewilligung von Geldern explizit für unsere Schule bekommen.“
„Ich weiß nicht was ich sagen soll“, Alrico wirkte sichtlich erfreut, „Dann werden wir diese altehrwürdigen Institution wieder zu alten Glanz verhelfen.“
„Das wohl, Brunden, das wohl! Als sichtbarstes Zeichen müssen natürlich als erstes die notwendigen Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden. Es ist eine Schande in welchem Zustand sich dieses hohe Haus befindet, aber in den Kriegszeiten hatten wir keine andere Wahl.“
„Selbstverständlich müssen auch wieder Modifizierungen bei der Ausbildung der Kadetten vornehmen.“ Der Adjutant des alten Seemannes Gerben frohlockte förmlich.
„Vorsicht, meine Herren“. Der schneidige Teckelwitz erhob als Zeichen seines Einspruches seine Hand. „Einige der Neuerungen, auch wenn sie aus der Not geboren waren, haben sich durchaus bewährt. Ich brauche auf meinem Schiff keine blasierten Schnösel, sondern fähige Seeleute.“
„Teckelwitz, seid unbesorgt, Bankett-Offiziere sind auch mir zuwider.“ Gerben nahm einen weiteren Zug aus seiner Pfeife. „Nun, da die Gelder wieder fließen, werden wir die Ausbildungszeit wieder von drei auf vier Götterläufe verlängern. Unsere Zöglinge brauchen wieder eine breitere theoretische Unterfütterung. Dennoch werden wir den praktischen Teil nicht vernachlässigen. Auch weiterhin sollen die Kadetten und Kadettinnen bereits ab dem ersten Lehrjahr auf die Schiffsplanken geschickt und Seeluft schnuppern.“
„Gerben, ich sehe wir verstehen uns“, Teckelwitz nickte zustimmend mit den Kopf.