Geschichten:Zornesritter in Leihenbutt - Teil 7
Drei Ordenskrieger, darunter ein Korporal, empfingen die Reisenden. Sie trugen lederne, leichte Rüstung unter dem Ordensrock und waren zur Zeit mit Langdolchen und Kurzschwertern bewaffnet.
„Rondra zum Gruße!“ grüßte der Anführer der drei garether Ordenskrieger die Neuankömmlinge. „Ich bin Hilko, Hilko Hofer und das sind Schwester Seanna und Bruder Tibraid. Wir haben euch bereits erwartet.
Nach dieser kurzen Begrüßung nahm sich Tibraid, zusammen mit Anjun den Pferden an, während die übrigen in das provisorische Heim traten.
Das Untergeschoß bestand eigentlich nur aus einem einzigen großen Raum, in dessen Ecke eine Feuer und Kochstelle sich befand. Das Inventar, darunter die drei Pritschen der Ordensritter war sehr einfach und rustikal. Für Luxus schien weder Geld, Zeit noch Bedarf zu bestehen.
Aischa nahm einfach mal das Heft des Handelns in die Hand und stellte sich und die anderen Ordenskrieger, die nicht direkt aus der Wacht Greifenfeste stammten, der Reihe nach vor. „Ihr habt hier sehr gute Arbeit geleistet.“ bewunderte sie die Reparaturen an dem zerstörten Hause aufrichtig. „Wir sind hier, um gewissen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen, ich hoffe, ihr wurdet informiert? Mir wurde gesagt, Schwester Seanna Maraghain würde hier zu uns stoßen.“ Aischa erkannte die drei Ordenskrieger wieder, war sie doch vor einigen Jahren gemeinsam mit diesen aus Albernia in Begleitung seiner Exzellenz des Großmeisters gereist. Es war kurz nach der Schlacht in den Wolken und die Ordensritter fanden damals ein zerrütteltes, zerstörtes Gareth wieder, deren Straßen noch so manchen Schrecken aus der fliegenden Festung barg. Seine Exzellenz hatte daraufhin Hilko und die beiden anderen in Gareth zurückgelassen, damit sie weiter helfen konnten, Gareth wieder ein Stück sicherer zu machen. Alleine, dass sie immer noch zu dritt waren, sprach schon für sie. Derweilen war zwar einige Zeit vergangen, doch schienen sich die drei kaum verändert zu haben. Lediglich reifer wirkten sie. Die albernische Leichtigkeit war mehr dem Ernst des Alltags gewichen.
Die drei garether Ordenskrieger schienen bei dem Lob der Wächterin jedoch ein Stück zu wachsen. Auch wenn sie zwar kein Wort darüber verloren, so waren die Drei dennoch stolz auf das, was sie hier mit ihren bescheidenen Mitteln bewirkt hatten, zumal sie dies nur ‚nebenbei’ leisten konnten, waren sie doch den größten Teil der Zeit in den Gassen und Straßen der Stadt zu finden, um immer noch ‚Überbleibsel’ aus der Schlacht in den Wolken zu ‚beseitigen’.
„Das ist richtig, Edle Dame.“ Seanna war eine Frau in mittleren Jahren. Ihre braunen Locken verdeckten zwar leidlich eine breite Narbe auf ihrer rechten Wange, doch strahlen ihre braunen Augen noch immer das Feuer der Jugend aus. „Ich bin bereit. Wir könnten sofort aufbrechen.“
„Nun mal langsam.“ Zügelte Phelian den Eifer der Ordensschwester. „Wir werden uns heute ausruhen. Morgen, sobald die Stadttore geöffnet werden, werdet ihr dann aufbrechen.“ Der Wächter schaute Aischa musternd an. „Sicherlich werdet Ihr noch einiges zu besprechen haben. Ich werde derweilen die Brüder Goldhammer aufsuchen.“ Mit diesen Worten trat Winterkalt wieder durch die Tür hinaus auf die Straße.
Hilko schien den Wächter bereits länger zu kennen und überging daher die barsche Art seines Vorgesetzten. „Wir können euch zwar nur ein einfaches Mal anbieten, doch bin ich sicher, dass ihr hungrig seid. Es ist schon spät und ihr habt einen gewissen Weg hinter euch.“
Hilko deutete auf breiten Tisch in der Mitte, auf den mehrere Kerzen standen. „Bitte setzt euch, wir kümmern uns um alles Weitere.“
„Danke,“ erwiderte Leutnant Beradje und setzte sich an den Tisch, nachdem er seine Waffen abgelegt und diese unweit seines Sitzplatzes griffbereit verstaut hatte – eine gewisse Gewöhnung der Vorsicht, war diesem Verhalten durchaus anzusehen. Anschließend wartete er ab, bis sich alle gesetzt hatten und neben dem Essen ein Gespräch gehalten werden konnte.
„Was wisst Ihr über die Mission Seanna?“, fragte er schließlich.
Seanna reichte Alfred und den anderen gerade einige Becher mit einem leichten Wein. „Eigentlich nicht wirklich viel, hoher Herr. Mir wurde nur gesagt, dass ich mich für eine Reise bereithalten sollte. Alles Weitere würde mir die Edle Dame dann berichten.“ Die Kriegerin erläuterte dies recht nüchtern, ohne neugierig zu wirken. Sie nahm die Aufgaben, wie sie kamen.
„Und macht euch keine Gedanken.“ Scherzte Hilko ein wenig. „Auch wenn Ihr keine Köchin, so ist das Essen dennoch von einer gekocht worden.“
Kurze Zeit später kamen auch Anjung und Tibraid von den Pferden zurück und setzen sich an den Tisch.
Über das Essen setzte Aischa ihre Ordensgeschwister über den Stand der Dinge ins Bild. Schließlich fügte sie an: „Unsere Aufgabe ist, wie ihr sehen könnt, nicht ganz einfach. Ohne direkte Beweise eine Adelige herauszufordern, könnte dem Orden schaden. Gerade hier sind wir nicht unbedingt bei allen Adeligen wohl gelitten. Wir bewegen uns ständig auf dünnem Eis. Wir müssen also wirklich gut aufpassen, daß wir uns nicht zu weit vorwagen, um keinen Unmut zu erregen, aber gleichzeitig so viel Handfeste Informationen wie möglich sammeln. Kennt ihr euch in Leihenbutt aus?“
Die garether Ordenskrieger folgten den Ausführungen Aischas aufmerksam, verneinten allerdings die zuletzt gestellte Frage. „Bisher sind wir kaum aus Gareth raus gekommen, edle Dame und ursprünglich kommen wir aus Albernia.“
„Wenn ich es Recht sehe, geht es nun herauszufinden, wie die Sachlage ist.“ Kommentierte Seanna trocken. „Entweder unterliegt seine Hochgeboren einem Trugschluß, oder lügt schlichtweg, oder die Dame Simiona ist weit gefährlicher als bisher alle annahmen, richtig?“
„Seine Hochgeboren Nimmgalf von Hirschfurten ist mir als aufrechter und ehrenhafter Ritter bekannt, mit dem ich vor einigen Jahren einmal auf dem Turnierfeld die Lanze kreuzen durfte. Er gehört dem Bund der Pfortenritter an. Ich würde niemals vermuten, dass er mit Lug und Trug versucht, sein Ziel zu erreichen. Irren kann er sich freilich, doch auch dies halte ich für wenig wahrscheinlich.“, führte Alfred aus.
„Comtessa Simiona di Silastide-Marvinko ist nach allem, was ich von ihr weiß eine intrigante und äusserst gefährliche Person. Sie kann ihre Abstammung aus dem Horasiat nicht verleugnen – ich habe einst in Grangor genügend Personen ihrer Art kennen gelernt als mir lieb wäre.
Sie hat es wohl geschafft einige Vertraute um sich zu scharen. Unter anderem hat sie wohl einen einen brabaker Magus als Leibmagus verpflichtet; was von einem solchen Mann zu erwarten ist, dürfte klar sein, wenn man sich vor Augen hält, dass die Verblendeten in Brabak tatsächlich die Herbeirufung von jenseitigen Wesen lehren und einige von diesen gefählichen Querköpfen in den verlorenen Landen Tobriens eine neue, dunkle Heimstatt gefunden haben.“
Alfred nahm einen Schluck Wein und ergänzte abschließend, „Sie ist zudem die gräfliche Kämmerin Waldsteins. Wie sie an das Amt gekommen ist, ist mir ein Rätsel.“
„Ich glaube auch kaum, daß seine Hochgeboren von Hirschfurten lügt, aber wohl halte ich es für möglich, daß er übertreibt. Immerhin geht es unter anderem um seinen Sohn, den die Comtessa wohl zu sich genommen hat. Wie weit ist er bereit zu gehen, um ihn wieder bei sich zu wissen?“ diese Frage Aischas war eher rhetorischer Art.
Obwohl das Thema ernst war, musste Seanna in der Mitte von Alfreds Ausführungen lächeln, kam doch Leutnant doch selbst aus dem Lieblichen Feld.
„Hm?“ Brummte Tibraid dennoch. „Es scheint alles gegen die Comtessa zu sprechen. Und dennoch, wenn es wahr ist, hätte doch schon längst jemand etwas merken müssen, oder?“ Es war ersichtlich, dass Tibraid hier eine Bestätigung suchte, damit sein Weltbild von der Stärke des Reiches nicht ins Wanken geraten sollte.
„Nun, Bruder Tibraid, vergesst nicht, daß uns in Kürze die Quintessenz der Ereignisse von seiner Hochgeboren vermittelt wurde. Ich nehme an, die Kette der Ereignisse zieht sich über Monde, wenn nicht Jahre. Und für jedes Einzelne gibt es vermutlich zig vernünftige Erklärungen, schließlich ist die Region in der letzten Zeit nicht die ruhigste und sicherste. Das Jahr des Feuers hat überall seine Spuren hinterlassen und anfänglich wird eine harte Hand wohl willkommen gewesen sein.“ versuchte Aischa ihre Sicht der Dinge darzulegen. Mit einem letzten Zug leerte sie ihren Becher. „Da wundert es nicht, daß bisher noch keine wirklichen Ermittlungen stattgefunden haben. Ein deutliches Zeichen ist wohl die Anerkennung der Auflösung des Traviabundes durch eben diese Kirche, aber auch nicht mehr.“
„Falls… Und ich betone, falls es sich bewahrheitet,“ hakte Seanna nach, „dann reiten wir in die Höhle des Schakals. Wissen wir mit wie vielen Feinden wir es zu tun haben würden, so es zu feindlichen Handlungen kommen wird?“
„Nicht wirklich, Seanna. Unser Wissen besteht aus einer ganzen Menge Halbwissen. Durch ihren ehemaligen Gatten, Nimmgalf, wissen wir lediglich, dass sie skrupellos sei. Sie hat sogar den gemeinsamen Sohn von Burg Trollhammer nach Leihenbutt entführen lassen – zumindest wurde mir dies so mitgeteilt.“
Alfred blickte zu Tibraid, „Ihr habt recht Tibraid, die ganze Geschichte klingt einfach unfassbar. Sollte es in der Tat so sein, wie beschrieben und niemand hat es bemerkt, dann kann ich dies – so wie die Wächterin es bereits beschrieben hatte - eigentlich nur auf die abgeschiedene Lage der Baronie innerhalb Waldsteins und auf die Nähe zur Wildermark zurückführen.
Zudem liegt der Comtessa derzeit wohl nichts daran ihr Machtgebiet zu vergrößern – zumindest wissen wir nichts darüber, will heißen, sie drängt nicht in das Rampenlicht mit ihren Aktivitäten.“
„Wirklich handfeste Zahlen haben wir leider nicht.“ bestätigte Aischa. „Ich schätze, der von Bruder Alfred erwähnte Magus wird mit der gefährlichste Gegner sein. Aber auch der Söldnertrupp ist sicher nicht zu unterschätzen. Wenn es wirklich dazu kommt, müssen wir versuchen, so schnell wie möglich nach Schwertwacht zurück zu gelangen, damit der Orden Kunde von unseren Erkenntnissen erhält. Wir sollten vermeiden, uns auf lange Gefechte einzulassen.“
Seanna nickte erneut knapp. Was sollte sie auch dazu sagen. Es war wie es war und sie konnte nichts daran ändern und nur ihr Bestes geben. Innerlich war sie aber auch Stolz, dass man u.a. sie für eine solch gefährliche Mission ausgewählt hatte.
„Na dann werden wir mal zeigen aus was für Stahl die Frauen des Zornesordens geschmiedet sind.“
Alfred konnte sich ein freundliches Grinsen nicht verkneifen und fügte hinzu, „Ja, das wollen wir mal.“
Aischa grinste ebenso, Seanna war ihr sympathisch.
So verging die Zeit, Praios Antlitz war bereits seit längerem untergegangen. Hilko schaute besorgt zum Fenster heraus. Als er den fragenden Blick Alfreds bemerkte winkte er nur ab. „Ach nichts, hoher Herr, ich frage mich nur, wo der edle Herr so lange bleibt. Er ist nun schon seit mehreren Stunden weg.“
„Wie dem auch sei, es ist Zeit für unsere Runde.“ Warf Tibraid ein und schnallte sich seinen Schwertgürtel um.
„Da hast Du Recht.“ Hilko drehte sich zu Aischa um und erklärte ihr Vorhaben. „Wir haben uns angewöhnt eine Runde durch die Straßen Gareths zu gehen, sobald es Nacht wird. So manche Untat konnten wir so verhindern und manchen finsteren Gesell stellen oder vernichten. Wir wollen Euch und den anderen nicht unhöflich gegenüber erscheinen, doch wollen wir auch nicht gerne von dieser Gewohnheit abweichen. Würdet Ihr uns daher entschuldigen? Gerne könnt Ihr es euch für die Nacht einrichten, wir werden etwas länger weg sein.“
Aischa nickte anerkennend und meinte: „Nein, geht nur, wir wollen euch sicher nicht von euren Aufgaben abhalten.“ Unter anderen Umständen hätte Aischa sich den Dreien gerne angeschlossen, aber sie wusste, sie würde ihnen nur ein Hinderniss sein, da sie sich so gar nicht in der Stadt auskannte. Daher beließ sie es bei einem: „Möge Rondra über euch wachen.“ und machte sich daran, ihre Sachen für die bevorstehende Nacht zu richten.
Hilko gab Tibraid daraufhin ein Zeichen ihm zu folgen, während er Seanna zurückwies. „Heute nicht Seanna, wir hatten darüber doch bereits gesprochen. Du wirst morgen sehr früh aufbrechen und wer weiß wann Du in den kommenden Tagen Ruhe finden wirst. Von daher wirst Du heute ebenfalls hier bleiben.“
Maraghain wollte schon widersprechen, doch brachte sie eine energische Handbewegung Hilkos zum Schweigen. So erhob sie nur zum Abschied ihre Hand, drehte sich um und half den Ordengeschwistern alles für die Nacht vorzubereiten.
Hilko Hofer und Tibraid Elgerson verschwanden daraufhin kurze Zeit später durch die Tür und nahmen ihre Patrouille durch Gareth auf.
Hinter ihnen verschloss Seanna schließich die Tür mit einem schweren Balken und sicherte auch entsprechend die wenigen Fenster, sowie die Tür zum ‚Dach’ des Hauses.
„Wachen sind damit nicht nötig. Wisst Ihr wie lange der Edle Herr Winterkalt weg bleiben wollte? Müssen wir uns bereits Gedanken machen?“ Fragte die Kriegerin in die Runde.
Auch Alfred hatte begonnen, seine Sachen zu sortieren und sich ein Lager zu bereiten, als die Frage aufkam. Der Leutnant blickte fragend zu Aischa.
Aischa zuckte mit den Schultern, dann fiel ihr Phelians Andeutung über einen geheimen Verbündeten in Leihenbutt ein und sagte: „Ich denke, der Wächter wird wissen, wie er sich schützen kann. Wenn er das tut, was ich vermute, sind die Stunden der Nacht besser dazu angetan, als der helle Praiosschein. Ich denke, noch brauchen wir uns keine Gedanken zu machen.“ Innerlich schimpfte sie sich selbst allerdings dafür, daß sie den Wächter ohne weitere Angaben hatte gehen lassen. Diese Nachlässigkeit würde ihr nicht noch einmal passieren, und wenn sie dadurch die berühmt-berüchtigte Wut des Edlen Herrn auf sich ziehen sollte.