Geschichten:Zwei Häuser, eine Familie - Ein neuer Aufbruch
Dramatis Personae:
- Greifwin Treuherz Keilholtz - Baron zu Eslamsroden
- Ifirnia Rondralieb Keilholtz - eine jüngere Schwester
Baronie Eslamsroden, Baronie Kressenburg
Zwei Tage später verliessen die drei jungen Keilhöltzer Weidensee. Greifwins Laune hatte einen neuen Höhepunkt erreicht. Zwar hatten die Großbauern die Nachrichten vom Verlust ihres Junkers deutlich weniger freudig aufgenommen als seine Familie, denn Greifwins Hand war stets leicht gewesen und wer wusste schon, wer der neue Junker sein und was er bringen würde. Aber auch hier war es ihm gelungen, die positiven Aspekte hervorzuheben. Und zum ersten Mal seit langem schienen sowohl seine Großmutter als auch seine Schwester keinen Grund zu finden, allzu unzufrieden mit ihm zu sein. Zum Abschied drückte er fest die Hand seines Bruders, was er sofort bereute, denn Firngrimms Gegengriff erinnerte ihn schmerzhaft an einen Schraubstock, bevor er ihm einen Brief und ein Beutelchen übergab.
„Wenn Du in Eslamsroden bist, sorge bitte dafür, dass dieses Schreiben an den Meister er Mark weitergeleitet wird. Den Rest haben wir ja besprochen.“
Grinsend deutete sein Bruder eine Verbeugung an. „Jawohl, Euer Hochgeboren! Werde die Burg in Besitz nehmen, Euer Hochgeboren!“ Dann wurde sein Grinsen noch breiter. „Hast Du eigentlich auch Briefe für die anderen?“
Irritiert blickte Greifwin ihn an. „Welche anderen denn?“ Firngrimm schüttelte seufzend den Kopf. „Für Yanis und Praiadne. Die möchten vielleicht auch erfahren, was Ihr Bruderherz so treibt?“
„Oh, ja, natürlich.“ Greifwin runzelte die Stirn. „Sind mit bei den Botschaften, die ich dir gestern gegeben habe. Was Du eigentlich noch wissen solltest!“
Firngrimms Grinsen machte widerwillig einer etwas ernsteren Miene Platz. „Keine Sorge, Bruderherz. Habe ich nicht vergessen, ich wollte dich nur foppen. Dann die Zwölfe mit Euch und auf bald!“ Damit wendete er sein Pferd und begann, davon zu traben.
„Und mit Dir!“ riefen die beiden älteren ihm hinterher, bevor auch sie sich auf den Weg machten.
Gegen Abend des nächsten Tages erreichten Greifwin und Ifirnia schließlich Kressenburg.
„...und ich sollte Ardo vorschlagen, dass wir etwas an der Straße tun.“, beendete Greifwin eine längere Aufzählung, während ihre Pferde zur Burg hinauf trotteten.
Seine Schwester schüttelte müde den Kopf. „Wozu eine Straße mitten ins...“, sie blickte sich abschätzend um, „...Nirgendwo? Das Geld kannst du wahrlich besser nutzen!“
„Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte...“, Greifwin schloss mit einer Handbewegung Burg und Dorf ein, „...das hier ist keine arme Gegend. Kressenburg hat Zinn, und das Erz kann von hier nur in zwei Richtungen: Greifenfurt oder Eslamsroden. Und jetzt rate mal, wo ich es gerne hätte.“
„Und was nützt Dir das Erz in Eslamsroden? Die Stadt gehört nicht dir...“
Greifwin verdrehte die Augen. „Herr Phex, hilf ihr! Kressenburg hat Zinn und Holz, aber nur wenig brauchbares Land. Wir hingegen haben Korn und zwar jede Menge davon. Muss ich noch mehr sagen? Und was die Stadt angeht: Ja, die Stadt gehört nicht mir. Und sie wird uns mehr Probleme machen, als Du ahnst. Aber sie ist auch die Quelle unseres zukünftigen Einkommens! Denn auch die Stadt braucht Korn, braucht Fleisch, braucht Holz. Wenn es der Stadt gut geht, geht es auch uns gut.“
Über diese Belehrung alles andere als erfreut gab Ifirnia ein schnippisches „So wie Seguld von Breitenquell?“ von sich.
Greifwin winkte ab. „Nun, das Wohl der Stadt ist wichtig, aber natürlich darf man nicht alles durchgehen lassen. Doch davon erstmal genug.“
Dem Tor schon recht nahe wandte Greifwin sich einer der Torwachen zu: „Travia zum Gruße! Sagt, guter Mann, ist der Herr Baron hier anzutreffen? Sein Nachbar, der Baron zu Eslamsroden würde ihm gerne seine Aufwartung machen!”