Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Der Anfang vom Ende
Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, Ende Praios 1040 BF:
Brinian von Zweifelfels saß hinter seinem Schreibtisch in seiner Arbeitskammer. Berge von Pergamenten und in Leder gebundenen Büchern türmten sich vor ihm auf. Die Abrechnungen des letzten Götterlaufes waren noch sehr präsent für ihn. Es klopfte schließlich an der Tür und der herrschaftliche Erzieher Folmian Grimmbart und der Hofherold Salerion von Rallerhain traten ein.
„Ah welch willkommene Abwechselung meine Herren.“ Freudig sprang der Burgvogt auf und begrüßte seine Gäste.
„Ihr wolltet auf dem Laufenden gehalten werden, was die beiden Mädchen angeht“, begann Folmian.
„Sehr wohl, wie machen sich die beiden?“ Brinian wirkte sehr interessiert, wobei ihm in diesem Moment wohl jede Ablenkung recht gewesen wäre.
„Nun, Isida lernt sehr eifrig. Besonders die alten Sagen und Legenden aus Waldstein scheinen ihr Interesse geweckt zu haben. Aber auch die eher trockenen Lektionen über die mittelreichische Historie lässt sie ohne Klagen über sich ergehen und geht mit gebotener Ernsthaftigkeit an die Materie. Der Umgang mit dem Schwert ist hingegen nicht so ihre Sache. Sie bevorzugt das elfische Wolfsmesser, sowie Pfeil und Bogen. Sehr zum Schmerz unseres seligen Barons. Sie hat sogar kürzlich Interesse bekundet, Isdira lernen zu wollen.“ Folmian klang sichtlich stolz.
„Sehr gut, aus der wird noch was werden“, pflichtete Brinian bei.
„Rohaja ist noch ein Wildfang den es zu zähmen gilt. Alles theoretische ist ihr zuwider. Sie ist ein Geschöpf der Tat. Die Übungsstunden bei Radegund sind ihr heilig und der Höhepunkt eines jeden Tages. Es bedrückte sie sehr, unsere Ritterschar nicht mit nach Tobrien folgen zu dürfen. Das lässt sie noch verbissener an ihren Fähigkeiten mit dem Schwert üben. Ich würde mir mitunter wünschen, sie würde sich auch einmal so passioniert auf Poesie oder einer theoretischen Abhandlung einlassen.“
„Nun gut, wir haben alle unterschiedliche Talente, Meister Grimmbart.“ Auch mit dieser Entwicklung schien der Burgvogt, anders als der Erzieher, durchaus zufrieden zu sein. „Rallerhain, wie weit ist es mit der Zuordnung von Wappen bei den beiden bestellt? … Rallerhain?“
Der Angesprochene schreckte aus seinen Tagträumen. „Oh, ehm, ja … verzeiht. Also …wie war noch gleich die Frage?“
„Heraldik … Isida … Rohaja“, fasste Brinian seine vorher gestellte Frage amüsiert zusammen.
„Ja … natürlich. Also Isida hat noch große Schwierigkeiten unsere Wappen auseinander zu halten. Man darf nicht vergessen, sie stammt aus Nostria und kennt von dort ganz andere. Rohaja hingegen zeigt ein gewisses Talent für die Wappenkunde.“
„Wunderbar meine Herren, ich danke für dieses erhellende Gespräch.“ Mit diesen Worten verließen die beiden Angesprochenen die Arbeitskammer des Burgvogtes wieder.
Nun, jede Ablenkung musste mal ein Ende haben. Missmutig ließ er seinen Blick über seinen Schreibtisch wandern und blieb an einem der Briefe hängen. Brinian schluckte, er kannte dieses Brief ganz genau. Fassungslos las Brinian die Zeilen, wie in den letzten Tagen so oft, immer und immer wieder. Er konnte es noch immer nicht glauben. Debrek war in Tobrien gefallen. Diese Nachricht hatte Zweiflingen schon vor einiger Zeit erreicht, aber alle waren immer noch wie paralysiert. Einzig Debreks Mutter, Alt-Baronin Ehrgard von Wetterfels hatte schnell gehandelt. Sie ernannte sich kurzum zur Vögtin von Zweiflingen und Vormund von Debreks minderjährigen Kindern. Niemand war da der ihr den Rang streitig machen konnte oder wollte. Die meisten namhaften Zweifelfelser waren entweder in Mendena oder in der Fehde der Hohenfelser in Albernia verstrickt.
Debreks Witwe Emer Alara von Rallerspfort hatte Brinian schon seit Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Vor ihrem Gemach hatte die Wetterfels zwei Gardisten der Zweiflinger Grenzwächter aufstellen lassen. Noch nicht einmal Emers Zofe wurde zu der Hochschwangeren gelassen. Alles aus Sorge um den schlechten Gesundheitszustand der Baronin. Wie es ihr wirklich ging wusste keiner. Alles eine Lüge, das fühlte Brinian aus tiefsten Herzen. Die Wetterfels wollte die Baronin isolieren, damit sie nicht selber die Macht in Zweiflingen ergreifen konnte, da war sich Brinian sicher. Und die beiden Baronessen? Die ließ die Wetterfels nicht aus den Augen. Denn eines war klar, wer die kleinen Mädchen hatte, hatte auch die Macht in Zweiflingen.
Ausgerechnet die Wetterfels. Die Alt-Baronin und Brinian verstanden sich denkbar schlecht. Sollte sie ihre Position festigen, würde sie ihn mit Sicherheit aus seinem Amt jagen. Er würde also Vorkehrungen treffen müssen.
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