Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Im Burggarten
Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, 7. Rondra 1040 BF:
Iserion und Isida schleppten sich mit hängenden Schultern und ausdrucksloser Mimik durch den weitläufigen Burggarten der Festung. War dieser sonst ein Meer aus tausend Blumen in allen erdenklichen Farben und ein Quell der Freude, schien dieser Tage auch aus diesem das Leben zu entweichen. Der Hauch des Todes war allgegenwärtig – selbst an diesem sonst so lebendigen Ort. Viele der Pflanzen wirkten verdorrt und ließen ihre Köpfe hängen. Kein Vogelgezwitscher war zu hören, kein Summen der Bienen, die sonst den naheliegenden Bienenstock bevölkerten. Das Bild passte zu dem Gemütszustand des jungen Magiers und der nostrischen Grafentochter. So gesehen passte es zur Stimmung aller Burgbewohner.
Die Ereignisse des heutigen Tages warfen einen langen, finsteren Schatten. Die kaltblütigen Morde an den Zwiefelsen und an der Gerbaldswacht waren noch nicht mal ansatzweise untersucht oder gar aufgeklärt worden, da begann das Abschlachten der Zweifelfelser aufs neue. In den dunklen Gängen und Kammern der uralten Burg erklang das Geflüster über die grausamen Morde wie ein allgegenwärtiges Rauschen. Alle hatten Angst und diese Angst war nahezu greifbar. Wieder waren zwei Mägde und ein Stallknecht davon gelaufen. Die Familie Zweifelfels wäre verflucht, hörte man das Gesinde hinter vorgehaltener Hand raunen.
Der ansonsten menschenleere Burggarten war eine Art Zuflucht für die beiden jungen Leute. Eine Flucht vor den erdrückenden Mauern der dunklen Festung. Die Hoffnung war, die finsteren Gedanken würden in der Burg zurückbleiben. Doch sie folgten den beiden wie ein Pesthauch.
Die Augen der jungen Isida schimmerten wässrig blau. Sie war zutiefst schockiert über die grausamen Taten. In jeder Ecke der Burg flüsterte man sich abscheuliche Details zu, wie die Opfer brutal abgeschlachtet wurden. Nicht nur Erwachsene hatte es getroffen, auch Kinder, das jüngste gerade einmal 2 Götterläufe jung. Welch furchtbare Tragödie. Doch ein Gefühl war stärker als die Trauer und das junge Mädchen schämte sich etwas dafür. Denn viel größer war die Sorge in ihrem Herzen um ihren Verlobten Gisborn. Dieser war nach dem Auffinden der entsetzlich verstümmelten Körper voller Panik in den Forst gerannt. Man konnte es ihm nicht verdenken., dachte sich Isida. Wer hätte solch einem Anblick auch standhalten können. Doch seither war Gisborn verschollen. Weder kehrte er zum Fundort zurück, noch zum Zweifelfels. Hatte er sich im Reichsforst verirrt? Isida war voller Sorge.
„Das sieht im gar nicht ähnlich“, durchbrach sie schließlich die erdrückende Stille, „er ist doch sonst so ruhig und besonnen. Warum ist er nicht zurückgekommen?“
„Vielleicht ist er einfach nur jagen gegangen und kommt heute Abend mit einem kapitalen Hirsch zurück. Das wäre doch mal was. Dieser Fraß hier ödet mich schon total an.“ Der Versuch des jungen Magiers Isida aufzumuntern scheiterte kläglich. Galt er auch als lebensfroh und frohsinnig, auch sein Herz schmerzte an dem Gedanken an seinen Seelenfreund, auch auf sein sonst immer frohes Gemüt lastete bleiern der Schmerz der Ungewissheit und des Verlustes. Auch er war in großer Sorge um Gisborn.
Die beiden Verzweifelten ließen sich auf eine steinerne Bank mit Blick auf den mächtigen Turm „Arngrimms Wacht“ nieder. Arngrimm der Drachentöter lebte vor über dreihundert Götterläufe und war Gisborn ein großes Vorbild wie die beiden wussten. Unterhalb des Turmes soll gar das Skelett des Ungetüm vergraben worden sein.
„Er wird zurückkommen, da bin ich mir sicher!“ Iserion stupste Iseria mit dem Ellenbogen leicht an. „Du kennst ihn doch.“
„Ich mache mir einfach große Sorgen.“ Isida konnte ihr schluchzen nun nicht mehr unterdrücken.
„Ach komm schon“, der Magier drückte das 15 Götterläufe zählende Mädchen an sich. „Eher fliegen Menschen aus des Drachentöters Turm als das ihm was passiert.“
Iserion hatte kaum zu Ende gesprochen, als er im Augenwinkel sah, wie etwas die Turmmauer hinab stürzte und auf dem Weg, der die Burg und den Burggarten trennte, aufschlug. Eilig rannten die beiden zum Ort des Geschehens und blieben wie versteinert stehen. Vor ihnen lag der zerborstene Körper einer Frau. Der Kleidung nach zu urteilen musste es sich um Odinai handeln, die Mutter einer der heute früh bestialisch ermordeten Kinder. Isida brach zusammen und fing jämmerlich an zu weinen. Am Boden kauernd, sah sie verzweifelt zu Iserion auf, der sich eilig zu ihr runter beugte und sie fest an sich drückte. Dieser Ort war verflucht!
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