Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Wahn und Wirklichkeit I.
Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, 5. Rondra 1040 BF:
Hesindiane sah müde aus. Augenringe grüben sich tief in das ansonsten makellos schöne Gesicht der Rallerspforter Baronin. Die letzten Monde hatten ihr schwer zugesetzt. Erst der Schlachtentod ihres Gemahls vor Mendena, nun die Beisetzung ihres Schwagers. Die Schwester ihres Gemahls lag mit einer schwierigen Geburt danieder. Die Götter meinten es nicht gut mit ihr.
Bei all dem Schmerz musste sie auch noch um das Erbe ihrer Kinder kämpfen. Diese waren – wie auch hier in Zweiflingen - noch viel zu jung um ihr Erbe anzutreten und schon brachten sich die Gegner der Rallerspforter in Stellung. Sicherlich, Raulbrin hatte zuletzt einen schweren Stand in seiner Baronie gehabt, doch war dies nicht sein Verschulden, da war sich Hesindiane sicher, sondern eine Intrige. Ihre wenigen verbliebenen Kontakte am Reichsforster Grafenhof berichteten ihr, dass Graf Drego in Kürze wohl den jungen Haldan von Rallersgrund zum neuen Baron von Rallerspfort ernennen würde. Ausgerechnet den Rallersgrunder, der sich nach außen hin immer als loyaler Verbündeter von Raulbrin inszeniert hatte.
So war Hesindiane auch nach Zweiflingen gereist, um sich der festen Bande zwischen den Familien Rallerspfort und Zweifelfels zu versichern. Denn sie brauchte jetzt Verbündete. Doch waren die Zweifelfelser gerade selber in einer großen Krise und ihrerseits tief gespalten. Die Rallerspforter Baronin hatte mit allen der drei Familienoberhauptanwärter Gespräche geführt, doch wirklich zufriedenstellend waren diese nicht verlaufen. Rondriga traute sie nicht, unterstellte sie ihr doch selber Ambitionen auf die Baronie Zweiflingen und da würden Emer und ihre Kinder nur im Wege stehen. Die Rondrianerin Leumunde wollte sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen. Einzig Leomar bekräftigte seine Unterstützung. Doch war ihm zu trauen? Niemand wüsste welche Pläne er wirklich verfolgte.
So versuchte Hesindiane mit Hilfe ihrer Familie Verbündete zu gewinnen. Die Falkensteiner waren in dieser Gegend nicht ohne Einfluss. Ihre Base Selfina war mit dem Baron von Falkenwind verheiratet, Arlind mit einem Streitzig. Die Falkenwinder jedoch, kümmerten sich nicht um Belange außerhalb Waldsteins und die Streitzigs, die waren zur Zeit auch ohne Familienoberhaupt und ihre Stammlande ohne Herrscher. So stand Hesindiane also weitestgehend isoliert da. Schlimmer noch, auch der Rallersgrunder schien Debreks Trauerfeier genutzt zu haben, um Verbündete zu sammeln. Auffallend häufig sah Hesindiane ihn mit dem Knappen vom Neerbuscher Kronvogt. Wie passte das zusammen?
Verbissen und enttäuscht über ihre Misserfolge, hatte sie dennoch energisch darauf bestanden, ihre Schwägerin Emer zu treffen – und dies sollte ihr gewährt werden. Zusammen mit Jalga von Schallenberg-Streitzig und Raulwine von Zweifelfels folgte sie nun einem Pagen die langen, dunklen Gänge von Burg Zweifelfels entlang. Vor einer dicken Eichentür machen sie halt. Die beiden hochgerüsteten Gardisten, die augenscheinlich Emers Schlafgemach bewachten, musterten grimmig die drei Frauen, ließen sie aber passieren. Eine Zofe öffnete die Für und führte die Damen herein.
In dem mit Vorhängen abgedunkelten Raum roch es nach Kräutern. Mehrere Dienerinnen verrichteten gemächlich ihre Dienste. Scheinbar galt es, der hoch schwangeren Emer so viel Ruhe zu zukommen zu lassen wie nur möglich. Die Zofe führte die drei Frauen durch das Ankleidezimmer in das Schlafgemach der Baronin. Dort lag Emer in einem weiten Himmelbett, schwer atmend, so dass ich ihr prall gefüllter Bauch beschwerlich auf und ab bewegte. Ihre Augen waren verschlossen. Eine Dienerin legte ein feuchtes Leinentuch mit Kräutern auf Emers Stirn. Sie war schon deutlich über der Zeit, wie Jalga sogleich erkannte.
Jalga nahm auf einem Hocker neben dem Bett Emers Platz. Die Baronin zu Zweiflingen atmete schwer. Die Schwangerschaft machte ihr sichtlich zu schaffen, und das obwohl sie schon zuvor Kinder bekommen hatte. Doch auch wenn jemand zu rondragefälligem Zweikampf geboren schien, war doch die Geburt eines Kindes etwas anderes. Es gab viele, denen nichts leichter fiel und andere hatten die größten Mühen damit. Ihr selbst fiel es sehr leicht. Bis auf die Geburt ihres ersten Kindes hatte Jalga nie irgendwelche Probleme gehabt. Es war als würde die Herrin TSA selbst darüber wachen, dass das Haus Schallenberg an Kindern in ihrer Generation wett machen solle, was man früher versäumt habe. Auf dass das Aldenrieder Baronsgeschlecht neu erblühe.
Weniger gut stand es um das Haus Zweifelfels. Nicht wegen äußerer, sondern der inneren Zwistigkeiten wegen. Mehr als ein Haus war an Neid, Machtgier und offen ausgetragener Gewalt zerbrochen, die auf den Tod eines Familienoberhaupts unweigerlich zu folgen schienen, je mächtiger und größer ein Haus wurde. Und Zweifelfels ware ohne Zweifel eine Familie mit großem Einfluss in der Grafschaft Waldstein. Und ihre Bande waren auch über die Grenzen der Grafschaft eng geknüpft. Deswegen war auch sie nun hier.
Felan, ihr Gatte und Baron im hartsteenschen Aldenried, war der Familie durch Vertrag und aufrechte Waffenbrüderschaft verbunden. Er hatte den Baron Debrek Rondrawin von Zweifelfels wegen seiner Aufrichtigkeit und offenen Art besonders geschätzt. Dass er nun tot war hatte ihn schwer getroffen. Das kurze Zeit später auch Wulf von Streitzigs Tod vermeldet wurde, hat ihn nicht minder schwer getroffen. So war auch Felans offen vorgetragene Freundschaft zur Familie Zweifelfels nichts als sein tiefster Wunsch in Garetien den Frieden zu erhalten. Haffax geschlagen, aber überall brodelte es im König- und Kaiserreich und zu oft waren, nach Felans Ansicht, Machtstreitigkeiten der Grund, die ohne Rücksicht geführt wurden. Und Jalga stimmte ihm da zu.
Dass nun erneut Kinder wie Verhandlungsmasse verwendet wurden, erzürnte zudem die Mutter in Jalga. Ihr Blick schweifte kurz zu den anwesenden Damen, der jungen, schüchtern wirkenden Yselde von Zweifelfels, und der alten, energischen Peraine-Hochgeweihten Arlgard von Lichtenhayn-Zweifelfels. Besonders bei letzterer blieb ihr Blick länger hängen. Warum hatte diese Emer noch nichts gesagt? Unruhig rieb Jalga ein feuchtes Tüchlein, mit dem sie Emer die Stirn benetzt hatte, zwischen den Fingern, da sie um eine Entscheidung rang. Sollte Sie oder...dann straffte sie die Schultern und richtete sich auf.
"Euer Gnaden.", richtete Sie das Wort an die Hochgeweihte. "Ihr seid sicher als Geweihte der Herrin Peraine eine weise Heilerin, doch ihr seid auch eine Mutter. Deswegen hoffe ihr könnt mir verzeihen...", sagte Sie und noch ehe ihr die Hochgeweihte ins Wort fallen konnte, wendete sie sich Emer zu und sprach fort.
"Liebe Emer, was wisst ihr über das Schicksal eures Gatten und eures Bruders?
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Wahn und Wirklichkeit II. | ▻ |