Geschichten:Zweihammer

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"Weißt Du, mein lieber Growin, viele denken ja, die zwei schwarzen Hämmer auf dem Schild meiner Familie kommen aus der großen Nähe zur Ingerimm-Kirche, andere halten sie für eine Schöpfung meines so in die Schmiedekunst vernarrten Onkels. Aber das ist alles nicht richtig. Die schwarzen Hämmer finden sich auch schon in den ganz alten Siegeln der Binge Fandolesch.

Jetzt wirst Du mich gleich fragen, wo Fandolesch liegt, nun ja, das liegt daran, dass die Großen unsere Runen manchmal etwas zu hart betonen - und die Bergbauern im Schlund ja gerne auch mal eine Silbe verschlucken. Und so ist aus Fandolesch heute Wandleth geworden, die schöne Königsstadt, meine Heimat.

Obwohl eigentlich bezeichnen wir mit Fandolesch dort nur alles unter der Grasnarbe, was übrigens offiziell dem Grafen und nicht der Debrekskrone untersteht. Je nachdem, ob eine Ware nun günstigere Abgaben an Graf oder Königin zu entrichten hat, lagern die Wandlether deshalb einiges ober- und anderes unterirdisch.

Aber eigentlich wollte ich Dir nicht von der Juristerei, sondern von den zwei Hämmern erzählen. Und das erzähle ich Dir so, wie es mir meine Mutter Orescha es uns als Kindern in den langen Schlunder Winternächten im Wiesenschlösschen erzählt hat:

In der Zeit, als die Bosporaner die alte Stadmauer gebaut haben, also etwa vor anderthalb Jahrtausenden, lebte in Fandolesch ein kleines Zwergenmädchen namens Okoscha - genau nach der wurde ich nämlich benannt - und diese Okoscha war im Gegensatz zu mir eben keine Handwerkerin oder Adelige, sondern sie verdingte sich für den damaligen Zwergenhäuptling Ungrosch Weißhaar bei den Fandoleschern, einer Truppe Bewaffneter, die die zwergischen Handelszüge vor den gierigen Fingern von Ogern, Orken, Alben, Bosparanern und Nebachoten schützten."

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"Zur gleichen Zeit lebte im alten Forst, der damals mit kleinen Rodungen dazwischen quasi von der Natter bis in den Wall ging, der alten Troll Amselbart. Der wurde von uns so gennant, weil in seinem Bart Amseln ihre Kinder ausbrüteten. Amselbart war der Brückentroll der Desmebrücke und forderte von jedem Zug ein Fass Met oder ein Schwein oder Schaf oder dergleichen.

Jetzt begab es sich aber, das Amselbart im Streit mit der grimmigen Trollin Wutauge von der anderen Seite der Natter lag. In jungen Jahren waren Amselbart und Wutauge ein Paar gewesen, aber, wenn man ein Jahrhundert zusammen ist, wird aus der Liebe Routine - jetzt schau nicht so erschrocken, lieber Growin, Du bist nicht Amselbart und ich nicht Wutauge, wir beide werden uns ewig lieben.

Zumindest: Irgendwann in der Vergangenheit hatten die beiden sich zerstritten. Einige sagen, der Grund war ein dritter Troll oder eine Trollin namens Güldhaar, andere glauben, eine uralte Zauberin namens Gallwirse hätte ihn oder sie verzaubert und dritte sprechen von einem dämonischen Stachel, den sich einer der beiden eingefangen hatte und der langsam sein oder ihr gutes Herz zerfressen hatte. Wahrscheinlich war es aber nur irgendeine Belanglosigkeit, die sich über Jahre in einen großen Streit ausgeweitet hatte, von dem keiner mehr wusste wie er angefangen hatte.

Amselbart zumindest war also gerade besonders wütend und deshalb mit dem üblichen Fass Met oder dem Schwein oder Schaf nicht mehr zufrieden und fraß deshalb die Waren eines ganzen Handelszug inklusive aller begleitenden Zwerge von Häuptling Ungrosch auf. Der war natürlich entsprechend erbost und schickte deshalb seiner Fandolescher unter dem Kommando von Okoscha zur Desmebrücke, um die Sache mit dem Brückentroll zu klären."

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"Okoscha, die von ihrem Vater sehr genau von der Schlagkraft der Trolle in den Trollkriege gehört hatte - Du musst überlegen, dass die damals noch gar nicht so lange her waren... also Okoscha war schlau genug, um keinen direkten Angriff auf Amselhags Brücke zu planen. Stattdessen schlich sie sich erstmal leise an die Brücke heran und lugte vorsichtig über den Rand.

Da saß also der traurige Amselbart mit einer jungen Erle in der Hand, deren Blätter er zupfend in die Desme warf. 'Liebericht micht, hassericht micht, liebericht micht, hassericht mich, ...' und so weiter, so eine junge Erle hat echt viele Blätter.

Okoscha war gut im Rechnen und zählte flugs die Blätter. Sie wusste, dass das Ergebnis ein 'hassericht' werden würde, also sprang sie von der Brücke in den Sand und rief: 'Guten Tag Herr Amselbart.'.

'Wer isso störicht?', sprach Amselbart und betrachtete die kleine Zwergin, die junge Erle für einen Moment vergessend. Diese ging geschickt auf ihn zu und leicht um ihn herum, ihm ihre leeren Hände zeigend und tänzelte auf das Bäumchen zu.

'Herr Amselbart, Häuptling Ungrosch schickt Grüße. Er hat vernommen, dass Ihr zur Zeit einen großen Appetit habt, und fragt, ob er mit mehr Brückenzoll helfen könne', und während sie ihm ihr schönstes Zwerginnenlächeln schickt... wie bitte? Nein Du Charmeur noch schöner als meins! Also... sie pflückte ein Blatt von der Erle und ließ es in Tasche verschwinden.

Das Lächeln aber erreicht das Herz des Trolls, der sich mit einem kleinen Erdbeben auf seinen Hintern fallen ließ: 'Amselbart is trauricht, er liebericht und hassericht.'

'Wisst Ihr Herr Amselbart', sprach da Okoscha, 'befragt weiter die Erle, denn Bäume können nicht lügen.'

Und das tat er. Und als er mit einem 'Liebericht micht' endete, schenkten seine alten Augen der Zwergin ein noch schöneres Lächeln zurück.

'Ihr müsst zu Wutauge gehen und ihr davon erzählen, aber erst braucht Ihr ein passendes Geschenk.'"

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"Tja, was schenkt man einer jahrhundertealten Trollin, die schon alles Mögliche von Handelszügen genommen hatte, die über ihre Bugebrücke gezogen waren? Du weißt ja, wie schwer es für Dich schon ist, etwas für mich zu finden! Nein, Growin, versteh mich nicht falsch, Du findest ja immer etwas besonderes.

Das Problem ist also älter als die bekannte Welt, und so wich Amselbarts Zuversicht schnell der Verzweifelung. Auch Okoscha wusste nicht so recht, aber sie versprach mit etwas passendem zurückzukehren und verabschiedete sich von dem alten Troll.

Okoscha kehrte also nach Fandolesch zurück. Sie schickte Amselbart mit einem Wagen voller Met zu Wutauge, aber diese bewarf ihn mit Steinen und trieb ihn zurück über die Natter.

Häuptling Ungrosch war erbost, denn der Troll war nicht besänftigt und das bedeute zusätzliche Kosten für Söldner und Tribut. Also schmiss er die Zwergin bei seinen Fandoleschern raus.

Dann gab sie ihm die Herde Schafe ihrer Familie mit zu Bogenbrücke, aber Wutauge riss eine alte Tanne aus und prügelte auf Amselbart ein.

Doch Okoscha stand weiterhin unverzagt zu ihrem Wort, auch wenn es sie Jahre beim Studium der Steintafeln von Arobesch kosten würde. Und als sie in einem Frühjahr endlich 'Bingo' rief - Du weißt, das hügelzwergischen Wort für einen vielversprechenden Platz eine Binge zu errichten - da hatte sie endlich etwas passendes gefunden:

In den Trollkriegen nämlich hatte Wutauge den Zwergenkrieger Bromtosch erschlagen und dabei auch seinen Hammer 'Sternenschlag' erbeutet. Dieser wiederum war gemeinsam mit dem Hammer 'Mondhieb' seines Zwillingsbruders Bramtusch aus dem gleichen Stück Meteoreisen geschmiedet worden, und es hieß, dass sich die Anziehungskraft der Brüder auf die beiden Hämmer übertragen hatte und so der eine immer spürte, wo sich der andere gerade aufhielt."

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"Nun war Bramtusch auch bereits lange gestorben und die Zwergin gab sich weitere sieben Jahre auf die Suche nach dem Hammer 'Mondhieb' - das ist eine anderes Abenteuer, für einen anderen Abend. Um es kurz zu fassen: Nach ihrer Rückkehr war aus der jungen Zwergin eine erfahrene Zwergenkriegerin geworden, die so maches Abenteuer erlebt hatte.

Siegessicher begleitete Okoscha also mit dem Hammer den Troll über die Natter und saß lächelnd auf einem umgestürzten Baum, während Amselbart die gut einstudierten Worte sprach: 'Wutauge, Amselbart hat dies Hämmerche das findericht Dein Hämmerche.'

Er hielt den Hammer an der Schnur, wie sie es ihm erklärt hatte und er neigte sich zur Bugebrücke hin. Und unter dieser kletterte Wutauge hervor, die den anderen Hammer hielt, der sich ebenfalls sichtbar neigte.

'Siehtest, die Erle hat gesagert Wutauge liebericht micht!'

Das nun Folgende hat meine Mutter immer übersprungen, ich vermute, auch der Liebesakt zwischen Trollen ist nicht ganz Fläummlingsfrei - haha, Du kriegst ja auch ganz rote Ohren, mein lieber Growin!

Auf jeden Fall konnte Okoscha die beiden sich zueinander neigenden Hämmer erbeuten, als die beiden Trolle endlich eingeschlafen waren, und zurück nach Fandolesch bringen. Sie hatte die Desmebrücke von den Trollen befreit (und dafür der Bugebrücke eine ganze Trollfamilie verpasst, aber das geschah den Hartsteenern recht). Deshalb, aber sicher auch, weil sie mittlerweile eine große Kriegerin war, wählte sie der Rat von Fandolesch nach Ungroschs Tod zum neuen Häuptling.

Hinter ihren Thron in der großen Halle hängte sie 'Mondhieb' und 'Sternenschlag', und so sehr sie sich auch anstrengten, beide Hämmer neigen sich bis heute zueinander. Die geneigten Hämmer wurden ihr Siegel und Sippenname - und seitdem auch das Zeichen der Binge Fandolesch, denn jeder Häuptling danach war von ihrem Blute."


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Texte der Hauptreihe:
Autor: VolkoV