Heroldartikel:Abschied und Neubeginn

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Abschied und Neubeginn


Rashia’hal. Mit stolz geschwellter Brust im Gefolge unseres legendären Recken Argaen von Düsterfluss zu Orkenwall reisten wir Greifenfurter gen Rashia’hal im sonnigen Nebachot, doch mit sorgenschwerer Miene kehren wir nun zurück in unsere Heimat.

Der Baron von Orkenwall, Held zahlreicher Schlachten wider die schwarze Pest der Orken, ist zu Boron gegangen. Noch vor dem Fest des Lebens, welches den drei gütigen und liebevollen Göttinnen Peraine, Tsa und Rahja geweiht ist, hätte niemand, ich selbst eingeschlossen, geglaubt, dass wir dort so viel Schrecken und Leid erleben müssten. Ein Diener des verfluchten Dreizehnten hatte sich bei den Geweihten der Zwölfe eingeschlichen und versucht das Fest zu stören, doch die strahlende Gerechtigkeit des Herrn PRAios ereilte ihn und noch bevor das alles sehende Auge des herrlichen Götterfürsten am zweiten Abend hinter dem Horizont versank, richteten ihn die Geweihten der stürmischen Herrin Rondra. Die von diesem ketzerischen Schurken gesäte Zwietracht verklang im Augenblick seines Todes; den Herren von Alveran, - PRAios vor - sei Dank!

Doch der Sieg über den Häretiker schmeckt schal und staubig im Angesicht des herben Verlustes, den unsere geliebte Heimat, die Mark Greifenfurt hinnehmen musste.

Entsetzen brach durch unsere Reihen, als seine Hochgeboren von Orkenwall vor dem Geweihten der jungen Göttin auf die Knie sank und vor unser aller Augen und Ohren um das Unaussprechliche bat.

Zum Fest des Lebens legte man Samen in den Boden, auf dass aus ihnen etwas Neues erwachsen möge, nachdem man seine Ängste und Sünden dem reinigenden Feuer vor PRAios Angesicht übergeben hatte.

Seit zweitausend Jahren hatte niemand mehr darum gebeten, seinen eigenen Leib zu Ehren der Göttinnen zur letzten Ruhe in die Erde betten zu lassen.

Zu unserer Schande standen wir sprachlos daneben, als der Herr von Orkenwall diese Bitte vortrug. Zu groß war die Überraschung und das Erstaunen gewesen. Lediglich die Rondrakirche warf sich mit aller Macht sofort gegen den Wunsch des märkischen Helden. Doch die Forderung nach Pflichterfüllung und Dienst in Rondras Namen riefen im Herzen Argaens keine Regung hervor.

Es wurde dann sogleich viel diskutiert und gestritten unter den Anwesenden. Selbst wir Greifenfurter waren uns nicht einig; was an sich jedoch nicht überraschend ist.

Der Adoptivsohn des Barons von Orkenwall, Genzmer von Radulfshausen sprach für seinen Vater und wollte all unser Erstreben, den Herrn Argaen noch aufzuhalten, sogleich im Keim ersticken.

Kein Mann hat sicher mehr für die Mark getan und dafür mehr erleiden müssen, als der aufrechte und ehrenhafte Baron von Orkenwall. Er focht zahllose Schlachten tapfer wider den Schwarzpelz und errang Sieg um Sieg und seine Ruhmestaten verhalfen ihm zu ungeahnter Beliebtheit und großer Achtung in den Reihen der Greifenfurter. Es gibt wohl kein Kind der Mark, das nicht schon vom großen Baron von Orkenwall und seinem Heldenmut gehört haben mochte. Niemals in den letzten Jahren sah die Mark einen Mann, der wahrhaftiger und aufopferungsvoller für sein Land und sein Volk gekämpft und alles preisgegeben hatte als Argaen zu Düsterfluss. Seine innig geliebte Frau starb den Hungertod bei der Verteidigung ihrer Burg vor einigen Götterläufen und sein einziger Sohn fiel in der jüngsten Schlacht beim Nôrrnstieg, wo ich selbst Zeuge seines tapferen Streitens werden konnte.

Doch nach dem Tod seines Sohnes schien alles Leben aus dem Herr von Orkenwall gewichen zu sein. Trauer und Leid zeichneten sein Gesicht zu jeder Stunde, kein Lichtstrahl unseres Herrn PRAios oder der süße Geschmack von RAHjas wonnigem Wein vermochten ihn mehr zu erfreuen.

Hatten wir das Recht ihn aufzuhalten? Für Pflicht und Verantwortung hatte er in seinem Leben wahrlich mehr als genug getan. War es nicht an der Zeit, dass wir ihn nun gewähren ließen und ihm einmal gaben, was er wollte? Die Mark brauchte ihn nach wie vor, doch hatte er nicht bereits genug geleistet für zwei Leben?

Diese Fragen quälten uns, und allen voran wollte Junker Helmbrecht von Boronshof sich nicht geschlagen geben. Wieder und wieder sprach er mit dem Baron von Orkenwall und auch die alten Freunde Argaens wollten ihn nicht so einfach ziehen lassen.

Wir hatten gelobt, ihm die Pracht des Lebens noch einmal während des Festes vor Augen zu führen, auf dass er es sich noch einmal anders überlegen würde. Auch die Geweihten taten alles, was in ihrer Macht stand. Unser Dank gilt an dieser Stelle auch ihnen.

Voller Hoffnung kamen wir alle zu der Samenpflanzungszeremonie und fanden den Herrn von Orkenwall in durchaus guter Laune vor. Unsere Worte schienen ihren Zweck erfüllt zu haben. Auch wenn sein Sohn zu Boron gegangen war, so waren und sind doch mehr oder weniger alle Greifenfurter seine Kinder, denn ihm verdanken sie ihre Freiheit und viele auch ihr Leben.

Das Lächeln gefror auf unseren Gesichtern, als er sich wortreich für unsere Bemühungen bedankte und sich dann doch, trotz all unserer Worte seinem selbst gewählten Schicksal hingab.

Der Geweihte der jungen Göttin wollte ihn begleiten, denn keiner trat vor, um diese Bürde auf sich zu nehmen. Auf Knien, die Augen voller Sehnsucht nach Frieden und Erlösung vom Schmerz, der ihn unentwegt peinigte, empfing Baron Argaen von Düsterfluss zu Orkenwall den letzten Kuss, der ihn durch die Nebel des Nirgendmeers zu den Ufern neuer Hoffnung tragen sollte.

Zunächst empfand ich nur Scham, weil mir der Mut gefehlt hatte, den Herrn von Orkenwall auf seiner Reise zu begleiten, doch nun denke ich, war es recht so.

Auch wenn ein großer Held von uns gegangen ist, so starb dennoch nur sein Leib und nicht seine Ideale. Nun ist es die Pflicht eines jeden Märkers das Andenken an den Orkenwaller aufrecht zu erhalten. Kein einzelner Mann, auch nicht der kürzlich adoptierte Sohn Genzmer von Radulfshausen kann das ganze Erbe antreten, welches Argaen von Düsterfluss uns allen hinterlassen hat.

Denn wir sind in der Tat seine Kinder.

Gemeinsam müssen wir nun Seite an Seite versuchen die gewaltigen Fußstapfen dieses einzigartigen Mannes auszufüllen. Er wählte für sich den Pfad eines Neubeginns, der für uns schmerzlich war, aber für ihn die lange ersehnte Erlösung brachte.

Ohne dass wir es wollten, wählte er auch für uns einen neuen Anfang, der aus diesem traurigen Abschied erwuchs, gleich einer jungen Pflanze, die aus dem frischen Samen sprießt. Die Mark steht nun ohne ihren größten Helden dem grausamen Feind gegenüber, doch deshalb welkt sie noch lange nicht.

Wenn die Zeit der Trauer vorbei ist und der tote Leib unseres Helden endlich in Greifenfurter Erde ruht, müssen wir den Blick nach vorne richten und im Namen des Barons von Orkenwall weiterleben, um die Pflicht zu erfüllen, der er sein ganzes Streben im Namen der Mark und der Götter jedem Greifenfurter gewidmet hat.

Er lebte für uns alle und nun ist die Zeit gekommen, da wir alle für ihn leben und die Last tragen müssen, der er sich letztlich beugen musste.

Der Schlachtruf „Für Orkenwall“ soll noch lange aus unseren Kehlen erschallen, auf dass jedem Feind bei diesem stolzen Schrei die Angst ins Gebein fährt! Aufrechter Mut und wahrhaftige Treue trugen nie einen unbefleckteren Namen, als den des geschätzten Herrn Argaen. Dies darf kein echter Greifenfurter jemals vergessen.

Die Sturheit der Rondrakirche, die sich ob der Entscheidung des Barons im letzten Herzschlag von ihm abwandte, ließ Zorn in meinem Herzen lodern, doch die Kirche des kriegerischen Herrn Kor nahm das Andenken an den Orkenwaller bei sich auf. In meinen Augen ist das nur recht und billig, denn solche Ehre hat der Mann bei allen Zwölfen wohl verdient.

Somit bleibt mir nur noch zu allen Zwölfgöttern zu beten, dass er nun den Frieden seines Herzens gefunden hat, den er so lange begehrte.

Rondrigo von Ahrenstedt



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Haselhain.svg   Wappen Kirchenlande Alveransschwestern.svg  
 Kloster.svg
 
Texte der Hauptreihe:
1. Per 1026 BF
Abschied und Neubeginn
Des Orkenwallers Worte


Kapitel 33

Baronie Finsterrode
Autor: T. Baroli