Heroldartikel:Gespräche
Der Wind pfiff über die Lichtung, während sich die Schritte langsam näherten. Irgendwer hatte einen Tisch mitten auf der freien Fläche postiert, in dessen Mitte die Flamme einer Öllaterne milde hinter den Glasscheiben flammte. Das Rauschen der Blätter und das Ächzen der Stämme spielte eine düstere Melodei, während die in einen schwarzen Umhang gewandete Gestalt, die der sich Nähernde zu erkennen glaubte, über ein Blatt Papier gebeugt war.
Die Nackenhaare richteten sich auf, während aus der Dunkelheit ein Wald von Pfeilspitzen den Rücken ins Visier nahm. Ja, dieses Treffen war ein besonderes, obwohl es solche Treffen schon des öfteren gegeben hatte und auch wohl noch öfters geben würde.
Er hatte sich nie mit diesen merkwürdigen Arrangements anfreunden können, aber es schien seinem Geschäftspartner, oder Partnerin – er kannte sein Gegenüber immer noch nicht – sehr wichtig zu sein die Diskretion zu wahren. Das Knacken im Unterholz verriet ihm, dass sie auch dieses Mal nicht ganz alleine waren. Seine Klinge hatte der Mann bei seinem Pferd zurückgelassen, hier würde ihm wieder nur die Schärfe seines Verstandes nützlich sein. Er nahm auf dem bereitgestellten Stuhl Platz, lächelte sein Gegenüber freundlich an und zog seine feinen ledernen Handschuhe aus und legte sie ein wenig provokativ neben die Laterne.
Sein Gegenüber war nämlich wie immer vollständig verhüllt, auch die Handschuhe fehlten nicht.
Erwartungsvoll blickte er auf das Pergament, das die Gestalt schreibbereit vor sich hingelegt hatte.
Ihr seid spät.
Die Worte wurden auf das Pergament geworfen und das Kratzen der Feder war wie immer das einzige Geräusch, das das Gespräch begleitete oder besser, das das Gespräch begleitet hätte, wäre der Wind nicht so laut gewesen.
Wie immer antwortete er ebenfalls schreibend auf dem Pergament, das die verhüllte Gestalt ihm herüber schob.
Verzeiht, es gab Probleme. Er hat die Burg besetzt. Ich vermute, er wird beim Kriegsrat um Unterstützung bitten, während sein ergrauter Freund die braven Getreuen zusammentrommelt.
Ich habe mir erlaubt einige Freunde zu schicken, die ihm ins Gewissen reden, und ihn seiner Treuepflichten ermahnen.
Allerdings, wie ihr wisst, gute Freunde sind derzeit teures Gut und ich bin zurzeit obendrein noch, sozusagen, obdachlos.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, als wäre er trotz der bedrohlichen Szenerie amüsiert. Er schob das Pergament zu seinem Gegenüber.
Eure Situation ist Euer Problem. Wir werden dafür sorgen, dass er Schwierigkeiten haben wird, Verbündete zu finden.
Was benötigt Ihr, um den Plan zu vollenden?
Der Wind pfiff unheilvoll über die Lichtung während der Mann das Pergament beschrieb; es dauerte eine geraume Zeit bis er fertig war, dann hob er den Kopf und schaute der Gestalt in den Schatten der Kapuze dorthin, wo er die Augen vermutete, dabei lag ein kalter Glanz in seinen Blick.
Gerade, als er das Schriftstück zurückschob, zerrte plötzlich eine heftige Windböe an der Kapuze der Gestalt und einen Augenblick später war ihr Antlitz entblößt.
Blitzschnell hatte er den Blick abgewandt und starrte nun regungslos auf die Tischplatte und das Schriftstück, das er immer noch festhielt. Der Wind war verebbt und die eingetretene Stille bedrohlich. Die Zeit schien stillzustehen. Dann das Rascheln von schwerem Stoff; kurz darauf schob sich eine Hand in sein Sichtfeld und beschrieb das von ihm festgehaltene Pergament.
Gut reagiert, Euer Verstand hat gerade Euren Kopf gerettet, Er wusste, für einen Lidschlag hatte er sein Leben ausgehaucht, nur seine Geistesgegenwart hatte ihn gerettet. Statt darauf Bezug zu nehmen, schrieb er nun seine Forderungen auf das Blatt. Die Liste war lang und so mancher Punkt würde seinem Vogt mehr als Kopfzerbrechen bereiten.
Wir werden sehen, was sich machen lässt.
Mehr hatte er sowieso nicht erwartet. Wenn aber zumindest ein Teil seiner Forderungen erfüllt werden würde, dann wäre er in seinen Plänen schon eine große Ecke weiter geraten. Er nickte zum Zeichen seines Einverständnisses mit dem Kopf und las seinerseits die Forderungen, die sein Gegenüber nun auf das Blatt bannte. Einige dieser Dinge würden leicht zu bewerkstelligen sein. Bei anderen überlegte er kurz. Ihm war klar, dass er nicht wirklich den Sinn der von ihm geforderten Handlungen verstehen würde. Aber dies sollte sein Problem nicht sein. Er war zu lange im Geschäft, um sich über Dinge Gedanken zu machen, die seinen Kopf kosten konnten. Er würde später nicht mehr von diesem Gespräch wissen und sein Gegenüber würde sicherlich gar nicht existiert haben.
So lange die Pläne seinen eigenen nicht zuwider liefen und so lange er von dem Geschäft profitierte, so lange würde er keine Fragen stellen. Denn dies verlief im allgemeinen tödlich.
Ihr dürft Euch entfernen.
Der Mann hob seinen Kopf, nickte der mit der Kapuze bewehrten Gestalt zu und ging eilig zu seinem Pferd, während hinter ihm kurz ein Licht aufflammte, als verbrenne ein Stück Papier zu Asche, die im Wind verwehen würde. Als er kurz darauf bei seinem Pferd angekommen war und das erste Mal zurückblickte, war die Lichtung wieder leer und verlassen.
Er nickte anerkennend und schwang sich in den Sattel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als sich das Sternenlicht in dem blank polierten Silberring an seiner rechten Hand spiegelte. Ein wenig weiter würde sein Mann in der Dunkelheit auf ihn warten, den Schild mit dem Wappen in der Hand. Seinem Wappen…
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