Heroldartikel:Licht in den Ruinen des Sieges
Puleth. Wie ein Mahnmal an die Vergangenheit ragen die Mauern des Bauwerkes unweit der Pfalz und Reichsstadt Puleth über den grünen Wiesen auf, die eigentlich vom Sieg über den verfluchten Daimonenmeister künden sollten. Die Rede ist vom Siegestempel zu Puleth, der nurmehr ein Schatten seiner selbst und Symbol dafür ist, dass nichts von Menschenhand Geschaffenes auf ewig Bestand hat. Wir erinnern uns: Nach dem anfänglich überschwänglichen Zuspruch für die Errichtung des Bauwerkes blieben nach und nach die Spendengelder aus, den Bau zu finanzieren. Zwar ward beizeiten unter der Anwesenheit des garetischen Adels der Rondraschrein des Bauwerks geweiht, als die Mauern des Tempelrunds errichtet waren, doch für die einem Gotteshause gebührliche Zier von Marmor, Relief und Stuck fehlte das Gold an allen Ecken und Enden, geschweige denn das die geplante stolze Kuppel auch nur begonnen ward. So hatte man notgedrungen zunächst zum Übergang ein flaches Holzdach über die Mauern gelegt, um das innere trocken zu halten. Wie hatten wir Hoffnung geschöpft, als sich Bruder Ingmar, ein wandernder Geweihter des Ingerimm, sich am Tempelbau niedergelassen hatte, um tatkräftig Hand anzulegen und selbstens dem Götterschmied einen Schrein zu errichten und zu weihen. Doch alles das hatte nicht genützt: beim Überflug der dämonischen Zitadelle hatte das großartige Bauwerk erheblichen Schaden genommen. Das provisorische Dach war verbrannt, eine Mauer eingestürzt. Mit großem Gottvertrauen hatte Bruder Ingmar mit einigen verbliebenen Handwerksburschen, Pilgern und wechselnden Novizen seines Gottes Mauer und Dach wieder instand gesetzt, und selbst ein dritter Schrein war vor nunmehr fast zwei Jahren errichtet, wenngleich der Anlass eher ein trauriger war. Rund um den Tempel war von der Kirche des Herrn Boron ein Gebeinfeld in Form eines Boronrades angelegt worden, dessen mittlere Speiche gen Punin weist und dessen Nabe der Siegestempel selbst ist. Dort waren die Gefallenen der Schlacht um Puleth und die Überreste der zu Asche verbrannten Untoten zur letzten Ruhe gebettet worden, und im Anschluss hatte man dem Herrn Boron einen Schrein geweiht – einen einfachen, dunklen Findling, in den das Boronrad eingemeißelt war und auf dem eine lebensgroße Rabenstatue aus schwarzem Marmor finster in das Tempelrund blickt. Danach geriet der Tempel beim Volke immer mehr in Vergessenheit, und nur, wer zu Puleth wohnt gedenkt heuer noch des Bauwerkes, welches Puleths ganzer Stolz werden sollte – doch auch nur dann, wenn sein Blick darauf fällt.
Vor wenigen Wochen nun trug sich jedoch etwas zu, womit niemand mehr gerechnet hatte, am allerwenigsten wohl Bruder Ingmar. Ein kleiner Pilgerzug von rund drei Dutzend Gläubigen aus dem Hartsteen’schen erreichte die Tempelstätte, um dort der Gefallenen zu gedenken, denn sie alle hatten einen oder gar mehrere liebe Anverwandte in der Schlacht bei Puleth verloren. Neben dem stillen Erinnern an den Gräbern, von denen nur die wenigsten einen Stein oder eine Gedenktafel tragen, ward auch am Schrein des Herrn Boron um ihr Seelenheil gebetet. Der Zustand des Gebäudes hingegen erschreckte die Pilger doch sehr, und ein Zimmermann aus Hartsteen entschloss sich kurzerhand dazu, einige Tage länger dort zu verweilen um die Flügel der arg mitgenommenen Tempelpforte auszubessern und instandzusetzen – sehr zur Freude von Bruder Ingmar, der nun der Hoffnung ist, dass sich weitere Pilger finden mögen, die für einige Zeit mit Hand anlegen. Wollen wir also hoffen, dass dies nun einen neuen Anfang darstellt und der Siegestempel zu Puleth doch einst seinen Zweck erfüllen wird, als strahlendes Bauwerk unter dem Segen der Zwölfe, Mahnung wider die Schrecken der Finsternis und Zeichen des garetischen Vertrauens auf die Hohen in Alveran.