Heroldartikel:Meinung und Hintergrund

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Meinung und Hintergrund


Es ist ein Skandal!!! Da ist ein Mörder unter uns und niemand unternimmt etwas!

Jetzt wird man sich sicherlich fragen, wie es in unserem schönen, greifengepriesenen Lande mit dem praiosgefälligen Recht bestellt ist und ich werde sagen müssen, dass letztlich eigentlich alles seine Ordnung hat und man ein Götterurteil anstrebt, aber beruhigt dies den Bauern? Beruhigt es den Wachmann, dass er mit einem Edlen reiten muss, der ein Mörder ist? Ein Bauer wäre Tod gewesen, noch ehe der Hahn gekräht hätte, aber ein Edler?

Was ist passiert? Faduhenne von Gluckenhagen, Meisterin der Mark, Rittmeisterin und enge Vertraute der Markgräfin kam bei einem Fenstersturz ums Leben. So weit sind sich alle einig. Doch wie konnte dies geschehen? Meine Nachfragen haben ein skrudes Bild ergeben, welches die versammelten Edlen in ein schwieriges Licht bringen. Wer weiß, vielleicht wird dies mein letzter Bericht für den Boten sein, vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, aber wie die Meisterin der Mark wird es wohl erst eines Stoßes brauchen, um mich hinaus zu werfen. Und dieser Stoß könnte meinen Tod bedeuten, denn die Geheimnisse, die hier ans Licht kommen werden, belasten so manchen Adligen mehr, als diesem lieb und recht sein mag.

Doch fangen wir am Anfang an. Die Querelen um den Baron von Beldenhag, Baradar von Plaue, und das von ihm geführte Freiwilligenbanner unter tobrischer Flagge werden allen meinen werten Lesern noch im Ohr sein.

Kaum hatte jener Sturschädel mit der Meisterin der Mark einen Ehrenhandel geleistet und diesen ´verloren, da ließ er seinen Gedanken nicht etwa fallen, wie es ein steter und aufrechter Greifenfurter getan hätte, nein! Stattdessen muss er wohl Kontakt zu seinem ehemaligen Herrn, dem Kanzler von Tobrien aufgenommen haben. Dieser, den er bei der Eroberung der schwarzen Lande so schmählich im Stich ließ, als der gute Baradar noch Baron von Keilerau war, muss ihm denn wohl auch einen Freibrief gegeben haben, meines Erachtens wohl mehr, um der Meisterin eine Note zu geben, denn aus echter Liebe dem Keilerauer gegenüber. Dass Faduhenne und der tobrische Kanzler nicht gut aufeinander zu sprechen sind, ist nicht erst seit kurzem bekannt. Die Tatsache, dass Greifenfurt den tobrischen Flüchtlingen mehr denn eine Heimstatt bot und sie zu den Seinen machte, zehrt nun schon lange an dem einstigen Landesverweser und es mag sein, dass dies die langersehnte Möglichkeit war, die Meisterin dort zu treffen, wo es besonders weh tat: in ihrem Stolz.

Wie dem auch sei. Baradar von Plaue erschien bereits vor dem Kriegsrat siegesgewiss und erzählte jedem, der es wissen wollte, er habe einen Brief des tobrischen Kanzlers, mit dem er Faduhenne „ordentlich Feuer unter dem Pürzel machen werde.“

Während der Kriegsverhandlungen dann präsentierte er einer vor Abscheu stummen Adelsversammlung, er habe nicht vor, sich dem Entsatz der Greifenfurter anzuschließen, er werde die eigenen Mannen gen Weiden führen, unter dem Banner Keileraus und im Namen Tobriens.

Dass dieser unverschämte Kerl nicht bereits hier von Handschuhen niedergeworfen ward, vermag nur die Unverfrorenheit erklären, mit der er vorging und die einem Greifenfurter abgeht. Letztlich soll es doch einige Edle geben, die den Stand des Adels hoch zu halten gewillt sind. So soll der Junker zu Pechackern den von Plaue ob seiner Unverschämtheiten gefordert haben. Wie dem auch sei. Faduhenne von Gluckenhagen hielt sich nicht lange mit dem Baron auf. Sie verwies ihn des Raumes, um ihn später in ihr Gemach zu zitieren. Dies aber sollte ihr eigenes Verhängnis werden.

Baradar selbst sagte später aus, er habe der Meisterin das Freiwilligenbanner abgerungen. Zu diesem Behufe präsentierte er ihr wohl einen Brief von des tobrischen Kanzlers eigener Hand, der nun nachgerade verschwunden sein soll. Gesehen hat diesen Brief außer dem von Plaue wohl niemand, auch wenn er an so mancher Stelle an diesem Abend wohl mit einem Schriftstück herumwedelte.

Wie dem auch sei. Die Kanzlerin verfasste wohl im Beisein des Beldenhagers ein Dokument, welches diesen oder einen Vertreter gen Weiden entsendet und bestimmt, dass wahrlich die tobrische Flagge wehen darf. Was nun passierte, ist nicht ganz klar. Wohl schickte sie den von Plaue vor die Tür, um kurz noch eine Notiz in ihr Tagebuch zu machen. Allerdings gibt von Plaue an, sie habe das Schreiben zu dem Zeitpunkte, da er ihr Zimmer verließ, noch nicht gesiegelt. Was aber geschah dann? Alle sind sich einig, dass die Meisterin nicht aus dem Fenster ihres Zimmers gestürzt worden sein kann, dies zumal, da ihre Wachen ja noch vor der Tür standen, während der von Plaue bei ihr weilte. Auch wurde die Tür zum Kriegsratsraum geöffnet, zu welchem nur die Meisterin und der Heermeister einen Schlüssel haben, wobei letzterer den gesamten Abend bei seinen Leuten weilte.

Nun mag Hesinde meine Feder führen, anzudenken ist jedenfalls folgendes: Faduhenne, immer noch in Gedanken bei den Truppen, die es zu verschieben galt, eilte in den Raum der Kriegsbesprechung, um dorten zu überprüfen, ob es wirklich möglich sei, auf die Truppen des Beldenhagers zu verzichten. Als ihr klar wurde, dass das Loch, welches den Verlust von 100 Mannen bedeuten würde, zu groß wäre, um es zu stopfen, schickte sie die Wachen, den von Plaue zu sich zu rufen.

Dieser hatte sich bereits ganz dem Alkohol ergeben und feierte seinen Sieg: „Der Henne hab ich die Federn endgültig gestutzt, verdammt. Die wird sich mir nicht mehr widersetzen. Ha.“, so bezeugten einige Edle seine Rede. Wann die Wachen von Plaue fanden ist ungewiss, ihre Botschaft aber muss er deutlich vernommen haben. Er war wohl mit einem seiner Leute, eben jenem, der ihn auch am Abend bediente, auf dem Weg zu seiner Kammer, als die Wachen seiner Ansichtig wurden. Von Plaue, dem klar wurde, dass nun alles auf dem Spiel stand, scheint nicht lange gezögert zu haben. Mit mehreren seiner Mannen überwältigte er die Burgwachen und stürmte dann seiner Nemesis entgegen, jener Frau, die als einzige noch in der Lage war, ihm seine geliebten Tobrier zu nehmen.

Was Faduhenne ihm im Kriegsratssaal erklärte, liegt auf der Hand: Das Fehlen 100 Bewaffneter käme die Mark teuer zu stehen und so könne man auf das Beldenhager Kontingent nicht verzichten. Von Plaue muss außer sich gewesen sein. Ohne nachzudenken warf er sich gegen die Meisterin und schleuderte sie aus dem Fenster. Dass Faduhenne bis zum letzten kämpfte, zeigt nur noch einmal die Kraft und die Größe dieser Frau. Noch im Tode entwandt sie ihm sein Amulett und verwahrte es in ihrer Faust, dieweil Golgari sie bereits auf seinen Schwingen gen Borons Hallen geleitete.

Der von Plaue, dieser feige Mörder, muss sich nun erst richtig der Schmach bewusst geworden sein, welcher er sich ergeben hatte. Doch anstatt wie ein aufrechter Mann das Haupt zu beugen und sich in Praios Arme zu geben, nahm er seine Mannen und vertuschte seine schändlichen Taten. Die Wächter, die immer noch bewusstlos außerhalb der Mauern lagen, ließ er kurzerhand abschlachten. Es zeugt für den Kampfesmut der Männer, dass es zumindest einem von ihnen gelang, dem Diener von Plaues noch eine tödliche Wunde zuzufügen, mit welcher sich dieser in ein nahes Gebüsch flüchtete, um dort zu verenden wie das Tier, das von Plaue höchstselbten ist.

Doch damit nicht genug. Der von Plaue konnte nicht sicher sein, dass das Dokument Faduhennes schon gesiegelt war und so schlich er sich in das Zimmer der Meisterin, deren Wachen ja von seiner und der seinen Hand gemeuchelt in ihrem eigenen Blute lagen, und brachte just hier ein letztes schändliches Werk zustande. Mit der Meisterin Siegel siegelte er das Dokument, auf welches er sich am nächsten Morgen in der Verhandlung immer wieder berufen sollte: „Warum sollte ich die Meisterin umbringen, wenn es nur das Dokument war, welches ich wollte, und dieses ja gesiegelt vorliegt!“ Oh ja, der falsche Daimon hat seinen Plan wahrlich gut zu Ende geführt. Und auch die Kadi, jene hoch angesehene Richterin aus dem Perricum’schen erkannte die Verderbtheit des Mannes und setzte all ihr Kunst und ihre Fähigkeit dahinein, den Schlächter der Meisterin zu einer gerechten Strafe zu führen.

Jedoch der Adel ließ sich blenden von der Zungenfertigkeit des Tobriers! Als sei nicht schon die Herkunft des Mannes Beweis für dessen Verderbtheit, sehe man sich doch nur andere diesen Schlages an: den Gallsteiner zum Beispiel.

Der von Plaue verhexte den Adel mit seinen Reden von Unschuld. Ja einige der Adligen schienen gar zu glauben, man müsse nicht Unschuld sondern Schuld beweisen. Mit seiner Zunge nahm der Keilerauer die Edlen gefangen und erreichte, dass die Schöffen sich nicht getrauten, direkt Schluss mit dieser Farce zu machen. Gut, sie schlugen ein Götterurteil vor, wollten, dass der Götterfürst höchstselbsten die ihm angemessene Gerechtigkeit wiederherstellt. Aber dies ist die eigentliche Schmach. So reiten und laufen jetzt die Beldenhager hinter einem Manne her, der einen Mord begangen hat. Es bleibt nur zu hoffen, dass Praios in Bälde eingreift und dem Trauerspiel ein Ende macht und mag der junge Linnert zu Wolfenhain, der Vogt zu Schwarzensee, das tobrische Banner nicht nur in die Schlacht sondern auch zum Ruhme führen, auf das Beldenhag von dieser Schande rein gewaschen werde.

Hesindigon Scafel, Schreiber des Herolds



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Texte der Hauptreihe:
Autor: Wertlingen