Heroldartikel:Zu Gast bei Baumeister Cormac ui Dunvallo

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Zu Gast bei Baumeister Cormac ui Dunvallo

Aufzeichnungen des reisenden Chronisten

Bosper Tannhauser


Im vergangenen Mond führten mich meine Schritte wieder einmal ins schöne Syrrenholter Land und eben dort auf die hochherrschaftliche Burg Zankenblatt, Wohnsitz der Familie derer zu Syrrenholt. Obschon der Hausherr, wie so oft in den vergangenen Wochen, auf Reisen in den umliegenden Lehnsgütern war, wurde ich traviagefälligst aufgenommen. Die Frau Baronin höchstselbst gab mir die Ehre ihrer Gesellschaft. Dabei gab sie sich sehr gesprächig, so daß mir weit mehr zu Ohren kam, als wie ich zu hoffen gewagt hätte.

So erfuhr ich, daß ihr Gemahl seit seiner Rückkehr aus Weiden und seinem dortigen Turniergehabe beim Grafen Danos zu Reichsforst wohl gelitten sei. Ganz offen bestätigte sie mir, daß es bei den geschäftlichen Beziehungen mit dem Grafen um die Kostenverteilung des Kanalbauprojektes gehe, welches ja bereits seit mehreren Götterläufen durch den Baron zu Syrrenholt propagiert wird. Gerade als sie einige Namen derer nennen wollte, die sich ebenfalls dieser Sache verschrieben haben, traf gerngesehener Besuch ein.

Kein geringerer als der oberste Baumeister Cormac ui Dunvallo selbst, seines Zeichens Magier vom ‘Bund des weißen Pentagrammes’, kam von einer der Baustellen, um in seinen Gemächern Gesehenes mit Geplantem abzugleichen. Offenbar allerbester Laune unterbreitete er mir das Angebot, ihn in sein Studierzimmer zu begleiten. Der listige Phex selbst schien mir diese Gelegenheit geschenkt zu haben, konnte ich doch nun einen Blick in das verschlossene Domizil des Oberbaumeisters werfen.

Jenes Zimmer lag in der obersten Kammer einer der runden Wachttürme der Burg, erreichbar nur über eine enge, dunkle Wendeltreppe, gerade dort, wo ich mir die Behausung eines Meisters der arkanen Zunft immer vorgestellt hatte. Doch als ich die vermeintliche Hexenküche betrat, konnte ich meine Verwunderung nicht verbergen:

Es hingen weder verschiedenste Kräuter an Ruß geschwärzten Balken herab noch waberte grünlicher Nebel aus einem großen Kessel, in welchem üblicherweise geheimste Rezepturen gesotten werden. Vielmehr betrat ich einen lichten Raum, durchflutet von des Praios Glanz, welcher durch große Butzenglasfenster einfiel. An den Wänden standen hohe Regale, in denen sonderbare und mir fremde Gerätschaften lagen. Doch wer jetzt denken mag, daß es sich dabei um die gläsernen Kolben und Flaschen verschiedenster Destilliergeräte handelte, der irrt: Dort lagen neben vergilbtem Pergament, stumpfen Federkielen und Fäßchen mit verschiedenfarbiger Tusche unterschiedliche Gerätschaften zur korrekten Darstellung Geometrischer Figuren, wie bronzene Lineale, hölzerne Meßlatten und gar einen silbernen Zirkel mit filigranen Schrauben und Rädchen. Verstreut inmitten eines Panoptikums verschiedenster Gesteine, Erdklumpen und Kristallen entdeckte ich mannigfaltige Quarze, welche in allen Farben glitzerten und trotz ihres offensichtlichen arkanen Potentials hier und da ganz profan als Briefbeschwerer dienlich waren.

Nachdem ich langsam den ersten Ansturm von Eindrücken überwunden hatte, nahm ich denn auch einige interessante hölzerne Modelle miniaturisierter Gebäuden war, die der Magus in einer Ecke des Sammelsuriums stapelte. Hierzu erklärte mir Magus ui Dunvallo, daß er einige der Bauwerke, insbesondere die anfallenden Schleusenkonstruktionen, als Modelle entworfen habe, um sie so den beteiligten Handwerksmeistern zu verdeutlichen.

Ehe ich mein Interesse weiteren Geheimnissen zuwenden konnte, trat der Magus auf mich zu und meinte, daß er wohl ein schlechter Gastgeber sei, worauf er zweimal kurz in seine Hände klatschte. Wie von Geisterhand schwebte nun ein großes Tablett mit dampfendem Tee durch den Raum und setzte sich schließlich auf einem kleinen Beistelltisch ab. Obschon diese zur Schaustellung seiner akranen Macht beeindrucken war, wirkte der Magus keineswegs bedrohlich auf mich, wie er nun genüßlich mit überschlagenen Beinen in einem großen Ohrensessel sitzend den heißen Tee schlürfte.

Nach dem Genuß einiger gar köstlicher Mandelküchlein, die abermals von Geisterhand serviert wurden, ließ mich ui Dunvallo Einblicke in die Planungen des Kanals erlangen, da er meinte, „man müsse jede Möglichkeit nutzen, die noch Unentschlossenen und Zaghaften zu begeistern. Dies könne man am ehesten durch die Publizität eines weit bekannten Forums, wie dem G&G-Herold erzielen, dem ich gewißlich alsbald mein Gesehenes zutragen werde.“

Schleusentormechanismus in der Ansicht

Auf mannigfaltigen Skizzen und Pergamenten, die er nun auf einem großen, massiven Eichentisch ausbreitete, konnte ich neben unverständlichen Zahlenkolonnen auch Entwurfszeichnungen geplanter Bauwerke erkennen. Fasziniert lauschte ich den Ausführungen des Magus. Dabei zog er zur Verdeutlichung immaginäre Linien mit

Schleusentormechanismus im Grundriss

seinen Fingern über das vergilbte Pergament. Dann und wann verweilte er auf einzelnen Skizzen, die ein separates Detail genauer erläutern sollten.

Man merkte sofort, daß er diesen Vortrag nicht zum ersten mal gehalten und auf diese Art und Weise die verschiedensten Zunftmeister unterwiesen und vor hochherrschaftlichen Personen für das Projekt geworben hatte. Magus ui Dunvallo schien mein - zwar laienhaftes aber dennoch aufrichtiges - Interesse sichtlich zu genießen.

Der sonst eher verschlossen wirkende Baumeister geriet geradezu ins Schwärmen und hielt mir vor Augen, welch grandioses Sinnbild des Neubeginns dieser Kanal für das Kaiserreich darstellen wird.

Kanal im Querschnitt

Andächtig verfolgte ich, wie er eine weitere Zeichnung ausbreitete, die bislang zusammengerollt unter mehreren anderen Rollen in den Regalen gelegen hatte. Darüber stand in großen Buchstaben ‘Das Wasserschloß von Ackbar’

Wasserschloss zu Ackbar

geschrieben. Ich zeigte mich wohl mehr als verwundert ob dieses Namens, denn ui Dunvallo begann herzhaft zu lachen. Schließlich erklärte er mir, daß es auf der gesamten Strecke zwar weit über 80 kleinere Schleusen geben werde, doch an vier Stellen seien diese gewaltigen Bauwerke notwendig. Er habe sie passender Weise Wasserschloß geheißen, da sie einerseits als große Wehre den Lauf des Wasser verschließen und andererseits eine gewisse Ähnlichkeit mit den garetischen Lustschlössern aufweisen.

Daraufhin wies er zu zwei Bögen Papier, die mit Nägeln an einer freistehenden Holztafel aufgespannt waren. Das obere Blatt zeigte die zentral gelegene Kaiserstadt Gareth und die umliegenden Grafschaften nebst den wichtigen Reichsstraßen. In einer annähernd in Ost-West-Richtung verlaufenden Linie war darin der geplante Lauf des Kanals dargestellt. Die Lage aller nötigen Schleusen wurde durch einzelne Querstriche symbolisiert, während die vier ‘Wasserschlösser’ als einzelne Häuschen erkennbar waren.

Kanalverlauf im Grundriss

Ui Dunvallo erläuterte bei Betrachtung der Karte, daß man nach Rücksprache mit gewissen Persönlichkeiten den östlichen Teilabschnitt, der nach alter Planung südlich der Natterhöhen durch Schlunder Landen laufen sollte, in so weit verlagert habe, daß nun der Anschluß bereits am Mittellauf der Gardel in der Pfalzgrafschaft Retogau erfolge. Dadurch könne ein Streckenabschnitt von über fünfzig Meilen mit weit weniger Aufwand erstellt werden, indem man ‘einfach’ das vorhandene Flußbett der Gardel ausbaut und mit einigen wenigen Staustufen schiffbar macht. Zudem würden die weiland aufgetretenen Unwägbarkeiten arkaner Art auf ein akzeptables Maß beschränkt.

Kanal im Längsschnitt

Der untere Papierbogen zeigte die „schematische Lage des Kanals im einem vertikalen Längsschnitt“, so der geistreiche Baumeister. Was ich mir darunter vorzustellen habe, blieb mir vorerst verborgen, da zaghaftes Klopfen an der Tür unsere Konversation aufs Erste beendete.

Ein Lakai trat ein und überreichte ui Dunvallo eine versiegelte Schriftrolle, die soeben eingetroffen sei. Ui Dunvallo nahm sie mit zitternder Hand entgegen und erbrach noch in meinem Beisein das K&K-Siegel, nach dem er formvollendet um meine Verständnis erbeten hatte. Sichtlich erregt überflog er die feine Handschrift. Doch bereits nach wenigen Zeilen hellte sich seine Mine auf und seine Anspannung, die ihn so plötzlich ergriffen hatte, wich einem zufriedenen Lächeln. Nach dem er das Schreiben studiert hatte, ließ er mich teilhaben an seinem Entzücken. So besagte das Schreiben, daß eine Kollegin von ihm namens Angescha, Tochter der Angalla, die ersuchenten Tabellenwerke und Rechenfolianten zur Verfügung stellen werde. Erst viel später erfuhr ich, daß es sich bei der geheimnisvollen Kollegin um keine geringere als der Leiterin des ‘Kaiserlich-Garethischen Instituts zur Erforschung der Naturgesetze, der Alchimie und Mechanik’ gehandelt hatte.

Von diesem unerwarteten Glück angespornt hob ui Dunvallo den Faden unseres lehrreichen Diskurs wieder auf und begab sich forschen Schritts erneut zu den zahllosen Skizzierungen und Radierungen. So erfuhr ich, daß unzählige Rinnsale, Bäche, Gräben und Weiher von Nöten sein werden, um den enormen Wasserbedarf dieses Kanals decken zu können. ‘Man habe darüber bereits mit den betroffenen Ländereien gesprochen,’ so der Baumeister. Auf meinen Einwand hin, daß manch ein Bauersmann vielleicht verärgert reagieren werde, sollte man ihm das Wasser für seinen Acker abgraben, erwiderte ui Dunvallo in einem kurzen Anflug von Arroganz, daß dieses Problem, wenn es denn überhaupt eines sei, wohl unter die Gewalt des jeweiligen Herrn falle und er sich nicht um politische Machtspiele kümmern müsse. Überhaupt schere ihn das Bauernpack keinen Deut, wenn es um hehre Ziele gehe. Eben jenes ‘Bauernpack’ hat nun eine Eigenart, manche Dinge auf abergläubische und naive Art auszulegen. So ist mir im Vorfeld meines Besuches Gerede zu Ohren gekommen, auf das den Magus anzusprechen ich mich verpflichtet fühlte: Ein Arbeiter bei Schachtarbeiten berichtete mir nämlich, er habe gesehen, wie der Herr Magus einen noch winselnden Hundewelpen in die offene Grube eines Fundamentes geworfen habe ehe er es zuschütten ließ. Der Mann schilderte weiter, daß er und noch einige weitere Arbeiter Bedenken hegten wider einen Magier als Oberbaumeister, zumal jener des öfteren die geplante Trasse abschreite und dabei stets alleine und ungestört sein wolle. Es machten bereits Gerüchte von unheiligen Ritualen und blutigen Pakten mit bösen Erdgeistern die Runde. Auf diese Anschuldigungen erwiderte der pikierte Baumeister, daß sich ein Magus des rechten Weges nicht dem wirren Aberglaube einiger unwissenden Bauern zu rechtfertigen habe. Er habe zwar von der oft beschriebenen Praxis gehört, die besagt, daß ein lebendes Wesen in den Fundamenten eines Bauwerks eben dieses beseelt und somit vor Gefahren feit, er selber lehne aber diese offensichtliche Blutmagie entschieden ab. Meine Nachfrage, daß man solches Vorgehen wiederholt in den Deichen an der albernischen Küste angewendet hat und er selber ja aus Abilacht stamme, quittierte er mit einem erbosten Anheben seiner rechten Augenbraue.

Er meinte schließlich, er sei enttäuscht, daß ich trotz meiner reichen Erfahrungen und meinen weiten Reisen noch so naiv dem tumben Bauerngerede Beachtung schenke.

Ich merkte, daß unsere bislang sehr vertrauliche Unterredung abrupt zum Abbruch gekommen war, und bedankte mich bei Magus Cormac ui Dunvallo für seine Geduld und einige Skizzen, die er mir freundlicher weise überließ.