Geschichten:Auf in die Dämonenbrache: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. Dezember 2018, 21:37 Uhr

Grafschaft Wengenholm, Angenburg im Rahja 1041 BF

“Du willst wohin gehen?”, fragte ihn Ermanissa ungläubig und schaute ihn irritiert an, “In die Dämonenbrache? Was ist dir denn auf den Kopf gefallen?”

“Nun… ja, das habe ich vor, ja”, antwortete Aldur ihr mit ernstem Blick.

“Du meinst das wirklich ernst, oder? Im Namen der Kaiserin die Dämonenbrache befrieden… wird dir der Kosch wieder zu klein?” erwiderte sie und Aldur vermeinte, einen Hauch von Trauer und Sorge aus ihrer Stimme herauszuhören. Dann fuhr sie, etwas leiser nun, fort: “Ist es denn hier so schlimm?”

Aldur räusperte sich etwas beklommen, bevor er antwortete: “Schau mich doch an, Ermanissa. Ich habe jetzt über vierzig Götterläufe auf dem Buckel. Wenn ich es in diesem Leben noch mal zu einem Titel oder Lehen bringen will, dann muss ich mich langsam ranhalten. Als Hausritter mag ich noch ein paar Jahre dienen können, und dann? Viel verlieren kann ich nicht, aber doch einiges gewinnen, denke ich”

Ermanissa wirkte nachdenklich: “Ich hätte gar nicht gedacht, dass du in die Richtung noch Ehrgeiz entwickelst. Wir werden alle älter und auch wenn ich hoffe, das Rondra mir noch viele Jahre einen starken Schwertarm schenkt, so weiß auch ich, dass meine Zeit als Dienstritterin irgendwann vorbei sein wird. Trotzdem stimmt mich der Gedanke traurig, dass du bald nicht mehr da sein wirst.”

“Leicht fällt mir der Abschied nicht, das ist wohl wahr. Ihr alle werdet mir fehlen - du wirst mir fehlen. Graf Jallik sorgt immer gut für seine Leute, dort in Garetien werde ich auf mich allein gestellt sein. Andererseits ist das auch einer der Aspekte, die mich reizen: Ich bin selber Herr über das, was ich dort tue. Bisher war ich immer nur Diener anderer Herren, dort kann ich vielleicht selbst bestimmen, was ich mache.”

“Wenn du diesem Ruf wirklich folgen möchtest, dann wünsche ich dir viel Erfolg. Aber du wirst mir fehlen, Aldur”, antwortete Ermanissa nachdenklich.

“Danke, Ermanissa, das bedeutet mir viel. Bis ich mir dort so eine Gemeinschaft aufgebaut habe, wird es einige Zeit dauern. Aber die Dämonenbrache ist nicht aus der Welt. Komm mich doch dort besuchen, wenn ich erst mal Fuß gefasst habe”, sagte Aldur ehrlich gerührt.

“Da verlass dich mal drauf, mein lieber Aldur. So leicht wirst du mich nicht los. Und nun wollen wir anstoßen - auf deinen Neuanfang in Garetien! Und dann erzählst du mir die ganzen Details, mein Lieber! Baroschem!” Damit stemmte Ermanissa den Krug hoch und stieß mit Aldur an.

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Am nächsten Tage, vormittags

“Das Haus Eichstein hat uns immer treue Dienste geleistet und ich weiß, welche Opfer ihr in der Vergangenheit für das Haus Wengenholm gebracht habt. Es fällt mir schwer, einen guten Ritter, auf den ich mich immer verlassen konnte, gehen zu lassen, so wie es mir auch damals schon schwer gefallen ist, als Ihr gen Tobrien aufgebrochen seid. Doch konnte ich damals die Beweggründe dahinter verstehen und das tue ich heute auch. Geht in die Dämonenbrache und zeigt den Garetiern, wozu wir Koscher fähig sind. Es wird sicher einige dort geben, die jünger und körperlich belastbarer sind als Ihr, aber Eure Erfahrungen und Euer Wissen werden Euer Vorteil sein. Versprecht mir, dass Ihr auf Euch achtet!”

“Das will ich wohl tun, Hochwohlgeboren. Und hab Dank für all die Jahre und Euer Vertrauen in mich, Jallik. Ich weiß dass zu schätzen”, antwortete Aldur. Die Unterredung mit Graf Jallik war kurz, aber herzlich verlaufen. Aldur hatte ihm, nachdem er eine weitere Nacht über seinen Entschluss geschlafen hatte, gleich nach dem Frühmahl aufgesucht.

“Ich werde Euch ein Empfehlungsschreiben mitgeben, Aldur. Ihr habt mir gut gedient und das soll jeder wissen. Vielleicht kann es Euch helfen, wenn Ihr drüben in Garetien Schwierigkeiten bekommt. Aber noch seid Ihr ja nicht weg, da könnt Ihr eine Aufgabe für mich erledigen. Ich nehme doch an, dass Ihr sowieso zum Hüterkloster reiten werdet, um mit Eurer Frau Mutter zu sprechen, da könntet Ihr gleich noch einige Botschaften für mich mitnehmen und dort abgeben.”

“Hab Dank, das ehrt mich.” Einen Augenblick verfinsterte sich Aldurs Gesicht, als er an den Besuch bei seiner Mutter dachte, doch dann hatte er seine Mimik wieder unter Kontrolle. “Aber gerne doch, mein Graf”, sagte er, was dem Grafen ein Lächeln auf das Gesicht zauberte.

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Wenige Tage später, am frühen Nachmittag auf dem Greifenpass

Als er vor sich das Ziel seiner Reise, das Hüterkloster auf dem Greifenpass, erblickte, war er froh, dass sein Ritt bald zu Ende war, gleichzeitig aber auch verstimmt und aufgeregt. Begegnungen mit Mutter waren schön und er freute sich auch, sie zu sehen, aber sie waren auch anstrengend, da sie nur selten ein Blatt vor den Mund nahm und mit ihren unbedachten Äußerungen die Umstehenden bisweilen - wenn auch unbewußt - vor den Kopf stieß. Dazu kam, dass sie anscheinend nicht mitbekommen hatte, dass ihre Kinder mittlerweile alle schon erwachsen und weit über 30 Götterläufe alt waren - für Mutter blieben sie immer ihre Kinder und sie behandelte sie auch so. Bei Umstehenden Nicht-familienmitgliedern löste dies dann entweder ein peinliches Schweigen oder dezente Erheiterung aus.

Doride Isida von Eichstein, Lichtträgerin und Geweihte des Praios, sagte man allerdings nicht unbedingt ins Gesicht, dass ihre mütterlichen Bemühungen und Bevormundungen unangebracht waren. Seit sie 1027 ihren Gatten, Freund und Vertrauten im Kampf gegen den Alagrimm verloren hatte, war sie für eine lange Zeit in eine tiefe Krise gestürzt. Rastlos war sie in dieser Zeit gewesen und für ihre Kinder kaum erreichbar, da sie primär mit sich selbst und ihrer Trauer beschäftigt war. Zur Ruhe kam sie dann nach einigen Jahren, nachdem sie im Hüterkloster Aufnahme fand. Die Abgeschiedenheit der Berge tat ihr gut und ihre Beschäftigung mit den Mysterien ihrer Kirche schien ihr eine neue Aufgabe und neuen Lebensmut zu geben. Insgeheim waren ihre Kinder froh darüber, dass ihre Mutter wieder eine Aufgabe hatte, denn auch wenn sie anstrengend und bisweilen auch peinlich war, so war sie eben doch ihre Mutter. Und als Lichtträgerin auch weiterhin eine respektable Person.

Vor dem Tor des Hüterklosters angekommen hatte er nach seiner Mutter gefragt. Diese war - wie so oft - in der Bibliothek. Kurze Zeit später, nachdem sein Pferd versorgt und Aldur etwas zu trinken bekommen hatte, saßen sie sich schon im Parlatorium des Klosters gegenüber.

“Aldur, schön, dass du mich auch einmal wieder besuchen kommst. Geht es dir gut? Bekommst du beim Graf genug zu essen? Du siehst ganz dünn aus, mein Kind”, sagte sie mit ihrer glockenhellen und trotz ihres Alters jugendlich wirkenden Stimme.

Aldur hörte den leisen Vorwurf sehr wohl heraus, beschloss jedoch, nicht darauf einzugehen. “Ja, Mutter, mir geht es gut, der Graf sorgt für seine Leute. Wie steht es um dich? Plagt dich der Rücken noch?”

“Das ist lieb, dass du fragst, aber momentan geht es. Ich versuche, regelmäßig an die Sonne zu gehen, die Wärme tut mir gut. Und Bruder Praiodan hat mir eine Salbe gemacht, die wahre Wunder bewirkt.”

Aldur war froh. Seine Mutter litt seit einiger Zeit an Rückenschmerzen, vor allem im Herbst und Winter plagte sie sich damit. “Ich soll übrigens Grüße von Wilbur ausrichten, hat er mir bei seinem letzten Besuch aufgetragen. Er war im Auftrag von Alma unterwegs und hat die Gelegenheit für einen Besuch genutzt.”

“Es ist gut, dass ihr euch jetzt so gut vertragt, du und Wilbur. Dein kleiner Bruder hat Glück, dass du auf ihn aufpassen kannst.”

“Mutter, mein kleiner Bruder ist Ende dreißig und kann gut auf sich selbst aufpassen, du sollst so etwas nicht immer sagen.”

“Papperlapapp. Er ist dein kleiner Bruder und er bleibt dein kleiner Bruder und du sein großer Bruder und damit musst du auf ihn aufpassen. Hast dich lang genug um diese Aufgabe gedrückt.”

Resignierend schüttelte Aldur kaum wahrnehmbar den Kopf. “Ja”, stöhnte er. “Da hast du wohl recht, Mutter.” Er überlegte, wie er jetzt zu seiner anstehenden Reise nach Garetien überleiten sollte, als ihn seine Mutter überraschte:

“ Weißt du eigentlich, dass dein Bruder auch gerade im Kloster weilt?”

Damit hatte er nicht gerechnet. Wilbur war seit der Quanionsqueste schon viel auf Reisen, er trug das Wort und die Gerechtigkeit des Götterfürsten in alle Ecken Aventuriens. Seit Mendena standen sie dabei in regem Austausch, mal per Brief, mal durch Besuche. Er freute sich, denn so konnte er seinen Bruder noch einmal sehen, bevor er nach Garetien aufbrach.

“Dann holen wir ihn doch dazu, wenn er hier ist, dann kann ich ihm auch gleich mitteilen, was ich dir eigentlich berichten wollte”, antwortete er freudig und kurz darauf stieß Wilbur auch schon zu ihnen. Die Wiedersehensfreude war groß, auch wenn sich die beiden Brüder erst vor einigen Tagen gesehen hatten. Doch seit Mendena war die Bindung zwischen ihnen stärker geworden - was sie keineswegs daran hinderte, sich nicht gelegentlich ganz ordentlich in die Haare zu bekommen und sich gegenseitig zu trizen und zu sticheln.

Als sich alle wieder gesetzt hatten, kam Aldur zurück zu seinem eigentlichen Anliegen.

“Mutter, ich werde nach Garetien gehen. Das Reich sucht tapfere und furchtlose Ritter, die sich den Schrecken der Dämonenbrache stellen und über einen guten Leumund verfügen”

“Und was willst du dann dort?” antwortete sie trocken, mehr Feststellung als Frage.

Ich dreh ihr den Hals um. Höchstpersönlich. Höchstpersönlich drehe ich ihr den Hals um! Da war sie wieder. Diese Mischung aus Unbedarftheit, mütterlicher Sorge und der Neigung, ihre Kinder immer noch als ebensolche zu sehen unbeachtet ihres inzwischen erreichen Alters - und der damit verbundenen Erfahrungen und Erfolge. Aldur atmete tief ein und aus, bevor er fortfuhr und so tat, als ob er den Einwurf nicht gehört hätte. Mutter zeigte ein feines Lächeln. Wilbur rang mit sich, um nicht laut loszulachen.

“Rund um die Dämonenbrache sollen Wachtürme bemannt werden. Dazu werden alte Türme wieder aufgebaut und gar weitere errichtet und Gareth und das Königreich unterstützen dies mit gutem Gold. Ich bin nicht mehr der Jüngste und vielleicht ist das meine Gelegenheit, einen Titel und ein Lehen zu erhalten. Und darum werde ich nach Garetien gehen” Der letzte Satz klang fast trotzig.

“Gut, nimm deinen Bruder mit.”

“Was sagtest du?” antworteten die beiden Brüder gleichzeitig.

“Du sollst deinen Bruder mitnehmen, Aldur. In der Dämonenbrache kannst du einen rechtschaffenden Praiosgeweihten sicher gut gebrauchen, Aldur. Die Aufgabe wird gewiss nicht einfach, also geh und nimm deinen Bruder unter deine Fittiche. Dann seid ihr schon zu zweit und du hast jemanden, auf den du dich verlassen kannst. Und Wilbur, du kannst dabei auch zeigen, was in dir steckt unter der schützenden Obhut deines Bruders.”

Wilbur räusperte sich leise, aber vorwurfsvoll “Ähm, Mutter…”

Diese jedoch ließ ihn nicht ausreden und wiegelte auch Aldur ab, der ebenfalls zu einer Erwiderung ansetzen wollte: “Keine Widerrede. Ihr seid und bleibt nun mal meine Söhne und damit basta. Tut gefälligst, was eure Mutter euch sagt, ihr Rotzbengel. Und wenn ich sage, dass ihr nur gemeinsam nach Garetien geht, dann geht ihr gemeinsam dorthin. Habt ihr das verstanden?”, forderte sie resolut.

Die beiden Söhne zogen reflexartig leicht den Kopf zwischen die Schultern, dann sahen sie sich an und nickten Mutter zu.

“Gut, dann wäre das ja besprochen. Und wer weiß, vielleicht fällt für Wilbur endlich auch mal eine Frau ab bei dem Unterfangen. So, und jetzt entschuldigt mich, mein Rücken bringt mich um.”

Damit erhob sich ihre Mutter ächzend aus ihrem Stuhl, wies aber jegliche Hilfe ihrer beiden Söhne von sich, als diese ihr aufhelfen wollten. Dann drehte sie sich noch einmal zu ihren Söhnen um: “Macht mir keine Schande, ihr beiden. Und passt gut auf euch auf, hört ihr? Und dass ihr ja nicht glaubt, dass eure neue Aufgabe in Garetien euch davon entbindet, mich zu besuchen!”

Sie nahm ihre Jungs noch einmal in den Arm, dann drehte sie sich schnell um und verließ eilig den Raum. Aldur und Wilbur in die Dämonenbrache? Der Gedanke jagte ihr Angst ein und außerdem war sie traurig, dass ihre Söhne sie dann nicht mehr so oft besuchen konnten. Sie sollten nicht sehen, dass sie leise weinte.