Geschichten:Schlattners nachblaues Ende: Unterschied zwischen den Versionen

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„Hochwürden, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, weiter in den Wall zu steigen“, jammerte Ritter [[Nebendarsteller ist::Garetien:Uriel von Fürchtenforst|Uriel]], der Fürchtenforst hieß und voller Furcht schien, und Ritter auf Borkenschweiß war und vor Schweiß troff. [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Kunrath Praiowin Schlattner|Schlattner]] drehte sich um und warf einen abschätzenden Blick voller Abscheu auf den Ritter, den er vor einer Woche kraft seines Amtes gezwungen hatte, ihm in den Wall zu folgen. Uriel hatte drei Bewaffnete mitgenommen, die Schlattners zwei Bannstrahlern bei der Jagd unterstützen sollten. Er kräuselte leicht die Oberlippe, sparte sich aber die scharfe Bemerkung, die ihm auf den Lippen lag. Nicht wohlfühlen? Tja, bei Praios! Wer fühlte sich von ihnen schon noch wohl? Seit sie sich von Hogenthal durch den Hangwald nach Borkenschweiß gemüht hatten, fühlte sich keiner von ihnen wohl.  
„Hochwürden, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, weiter in den Wall zu steigen“, jammerte Ritter [[Nebendarsteller ist::Garetien:Uriel von Fürchtenforst|Uriel]], der Fürchtenforst hieß und voller Furcht schien, und Ritter auf Borkenschweiß war und vor Schweiß troff. [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Kunrath Praiowin Schlattner|Schlattner]] drehte sich um und warf einen abschätzenden Blick voller Abscheu auf den Ritter, den er vor einer Woche kraft seines Amtes gezwungen hatte, ihm in den Wall zu folgen. Uriel hatte drei Bewaffnete mitgenommen, die Schlattners zwei Bannstrahlern bei der Jagd unterstützen sollten. Er kräuselte leicht die Oberlippe, sparte sich aber die scharfe Bemerkung, die ihm auf den Lippen lag. Nicht wohlfühlen? Tja, bei Praios! Wer fühlte sich von ihnen schon noch wohl? Seit sie sich von Hogenthal durch den Hangwald nach Borkenschweiß gemüht hatten, fühlte sich keiner von ihnen wohl.  

Version vom 10. Oktober 2023, 21:20 Uhr

Im Raschtulswall, Rondra 1046 BF

„Hochwürden, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, weiter in den Wall zu steigen“, jammerte Ritter Uriel, der Fürchtenforst hieß und voller Furcht schien, und Ritter auf Borkenschweiß war und vor Schweiß troff. Schlattner drehte sich um und warf einen abschätzenden Blick voller Abscheu auf den Ritter, den er vor einer Woche kraft seines Amtes gezwungen hatte, ihm in den Wall zu folgen. Uriel hatte drei Bewaffnete mitgenommen, die Schlattners zwei Bannstrahlern bei der Jagd unterstützen sollten. Er kräuselte leicht die Oberlippe, sparte sich aber die scharfe Bemerkung, die ihm auf den Lippen lag. Nicht wohlfühlen? Tja, bei Praios! Wer fühlte sich von ihnen schon noch wohl? Seit sie sich von Hogenthal durch den Hangwald nach Borkenschweiß gemüht hatten, fühlte sich keiner von ihnen wohl.

Die Beute hatte den Spieß umgedreht – von einem Moment auf den anderen war des Inquisitors Trupp zur Beute geworden. Alle Tiere des Waldes schienen sie zum Fressen gern zu haben. Füchse bissen zu, Waldbienen, Hornissen und sogar Fledermäuse attackierten sie bei Tag und bei Nacht, eine Bärenfamilie hatte sich auf sie gestürzt und hatte die Bannstrahlerin Alrike gerissen, ehe sie von den Bolzen der anderen getötet werden konnten. Pah. Beute!

Schlattner wäre nicht Schlattner, wenn er aufgäbe, nur weil ihm bereist zwei von vier Bannstrahlern abhanden gekommen wären und alle drei Bewaffnete dieses quengelnden Ritters. Gut, der Schrei der mit Blindheit geschlagenen Schildmagd, die nach dem Fehltritt in die Klamm gestürzt war, saß auch noch immer in seinen Knochen. Auf der anderen Seite: Wer, wenn nicht er, war an Todesschreie gewöhnt?

Es war nicht der Inquisitor, der die scharfe Antwort gab, sondern Ritter Wyrmbergen: „Mir ist nicht wohl dabei“, ahmte er das Greinen des Ritters nach und warf sich affektiert in Kleinkindpose. „Gar nicht wohl. Der Wall, der ist so wallig.“ Ritterin Helmenstein prustete vor Lachen los und fiel dann in den Spott ein, indem sie die Arme anwinkelte und wie ein Huhn gackerte.

Uriel sah die beiden Bannstrahler entgeistert an. Spöttelnde Bannstrahler? Das Ende musste nahe sein. „Im Ernst, Hochwürden. Wir haben doch bereits meine Leute verloren. Euren Bannstrahlritter, der unbedingt in den Geierhorst klettern musste, ebenfalls. Ich habe Verpflichtungen …“

Schlattner schnitt mit einer unwirschen Geste das Gejammer ab: „Verpflichtungen. Genau. Gegenüber dem Götterfürsten. Wir sind hier im Wall, um drei gefährliche Hexen zur Strecke zu bringen, gefährliche Hexen, die sich uns überlegen glauben, weil sie fliegen konnten. Aber zwei Besen haben wir bereits verbrannt, das heißt, dass zwei dieser Kreaturen mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben wie wir …“

„Den gleichen? Das glaube ich kaum! Wir haben alle seit Tagen nichts gegessen, weil sich alles, was wir essen wollen, in Stein verwandelt! Ihr und der Bannstrahlritter haben wenigsten Ziegenmilch trinken dürfen, aber ich …“

„Mann, Fürchtenforst“, unterbrach ihn der Bannstrahler Wyrmbergen, „hört endlich auf zu jammern. Ja, wir sind schwach, aber die drei Hexen sind es auch. Wir müssen nur zäher sein. Und das werden wir auch sein.“ Er wandte sich um, um dem Inquisitor zu folgen, der weiter den Pfad über die Geröllhalde hinanschritt, hinter der sich die schneebedeckten Gipfel des westlichen Raschtulswalls erhoben. Auch Helmenstein folgte, so dass Ritter Uriel nichts anderes übrig blieb, als ebenfalls weiterzustapfen. Er fühlte sich allerdings wirklich schlecht – irgendeine Krankheit hatte ihm die Alte angehext, das spürte er. Und diese Krankheit zehrte an ihm. Wenn er es genau bedachte, dann sahen die anderen drei auch so aus, als hätten sie Fieber. Das war doch Wahnsinn!

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„Da fliegt sie!“, rief Helmenstein erschöpft, als sie einen tag später den Gipfel dieses Grates erreicht hatten. Und wirklich: Da unten, wo sie die Leiche des ausgezehrten Ritters Uriel gelassen hatten, flog das Hexenweib auf seinem Besen und schien zu winken!

„Ist sie in Reichweite?“, fragte Schlattner überflüssigerweise. Er wusste, dass sie zu weit weg war.

„Nein, Hochwürden“, antwortete Wyrmbergen genauso überflüssig. Aber die da oben nicht. Mit diesen Worten hob er die Armbrust, die er erst vor wenigen Minuten gespannt hatte, und zielte auf die gekrümmte Gestalt am Ende des Grates, der sich von Nord nach Süd auf etwa einer Höhe erstreckte. Er verband zwei Gipfel, einen kleinen und einen höheren, miteinander, und fiel auf der abgewandten Seite steil in ein finsteres Tal ab, hinter dem sich wiederum weitere Bergriesen erhoben. Der Bolzen schnellte durch die kalte Luft, die so wunderbar klar in die Lungen strömte, prallte aber an dem Felsen, nur eine Handbriet über der kauernden Hexe vom Felsen ab. Ein belustigtes Kichern ertönte, wie Kiesel, die den Hang herabkullerten.

Verdammt: Es kullerten Kiesel herab, und nicht zu wenige. Wyrmbergen verlor den Halt und ging mit einer kleinen Lawine von Steinen den steilen Hang herab. Irgendwo auf der Höhe Ritter Uriels blieb er liegen, Staub verdeckte die Sicht, einzelne Steine sprangen laut klackernd noch weiter.

Schlattner befahl Ritterin Helmenstein wortlos, die Armbrust zu spannen, zog sein Sonnenszepter aus der Gürtelschlaufe und schritt den Grat entlang auf die Hexe zu. Laut begann er einen gurvanischen Choral zu intonieren, der weit in alle Richtungen getragen wurde und den Inquisitor so lange gegen die Magie der Hexe schützen würde, wie er erklang.

Die Hexe hatte den Kopf erhoben, kauerte aber noch immer an dem Felsen, blickte den Inquisitor an, der immer näher kam, die Bannstrahlerin im Schlepptau, die vor Schwäche aber eher stolperte, als zu gehen. Mit dem ausschreitenden Inquisitor konnte sie nicht Schritt halten. Die Hexe kicherte erneut, und ein Rabe flog von ihr auf.

Schlattner zeigte zackig auf den Raben, ein Befehl an Helmenstein, den Vertrauten der Hexe abzuschließen. Sie fixierte den Vogel und zielte lange, doch der Rabe flog vor die Sonne, so dass die Bannstrahlerin die Augen zukneifen musste. Halb geblendet, konnte sie dennoch im letzten Moment die Armbrust hochreißen, als der Rabe aus der Sonne herabstürzend, direkt auf sie zugeschossen kam. Der Bolzen durchschlug den Schwarzen Vogel aus nächster Nähe, der gleichwohl noch auf Helmenstein prallte und die geschwächte Frau aus dem Gleichgewicht brachte. Sie ruderte mit den Armen, die Armbrust flog in weitem Bogen davon, dann fiel die Ritterin, schlitterte zappelnd und schreiend den steilen Hang zur tiefen Klamm hinunter, bis sie über die Kante schoss und in der Tiefe verschwand.

Schlattner hatte seinen Gesang nicht unterbrochen, schien aber erschüttert. Die Hexe allerdings auch. Als der Rabe getroffen worden war, keuchte sie auf. Ihre schwarzen Augen unter dem weißen, strähnigen Haar, füllten sich mit Tränen. Eine Hand krampfte sich klauenartig in ihr zerschlissenes Gewand über ihrem Herzen. Dann fixierte sie wieder den Inquisitor, der auf sie zukam.

„Hab ich dich, Argassa! In Praios‘ Namen! Du wirst brennen!“ Schlattner war auf drei Meter heran, doch Argassa streckte flugs die rechte Hand aus, alle knotigen Finger gespreizt.

„Tod, über dich, Schlattner! Tod! In drei Tagen wirst Du tot sein, ich verfluche dich!“ Kaum waren die Worte heraus da sackte die Hexe erneut zusammen, als wäre das Leben plötzlich aus ihr gewichen. Doch das war es nicht. Es leuchtete noch hell in ihren tiefen Augen, die den Inquisitor fest im Blick hatten.

Dieser zuckte unter dem Fluch zusammen. Hatte Praios‘ Magiebann nicht gewirkt? Schwach war es schon vorher gewesen. Hungrig, fiebrig, schlaflos. Nun aber erfasste ihn eine Mattigkeit, die sich wie eine kalte Schicht unter seine Haut schob. Er schüttelte sich, sammelte sich und musterte die Hexe vor sich. Die Nachtblaue Argassa, von der Kaisermark bis in den Wall verfolgt. Gejagt. Gehetzt. Genugtuung steig in ihm auf, verblendete Zufriedenheit.

„Brennen?“, meldete sich Argassa wieder krächzend. „Womit denn? Steinen?“

„Dann eben nicht brennen“, grunzte Schlattner und hob das Sonnenszepter, setzte zum Deklamieren an, weil kein Inquisitor vom Pathos ablassen kann, wenn er eine Hexe töten möchte.

Argassa nutzte den Augenblick: „Schlattner, begreifst du? Ich habe dich verflucht. Du kommst hier nicht mehr fort. Du bist allein, ich bin es nicht. Meine Freundin ist hier und meine Urenkelin ist auch hier.“

Schlattner hielt inne, begriff, wandte sich um. Die Hexe auf dem Besen war nirgends zu sehen. War sie nicht fortgeflogen? Die dritte war auch nicht auszumachen. „Wovon sprichst du, Hexe? Deine Hexenfreundinnen sind weg, die helfen die nicht mehr.“

„Helfen, müssen sie gar nicht mehr. Mein Weg ist hier zu Ende. Ich habe dich hierhergelockt, um zu sterben. Und das wirst du, mehrere Tage lang. Und du wirst es die ganze Zeit wissen: Ich habe dich umgebracht, ich, Argass….“

„Halt’s Maul!“, keuchte Schlattner, als er der Hexe sein Sonnenszepter über den Schädel zog. Und noch einmal. Und noch einmal. Schnaufend stützte er sich auf die Knie, richtete sich dann auf und flehte die Sonne an: „Praios, Herr des Lichts, erhöre mein Flehen! Ich habe Deres Antlitz von dieser frevelnden Hexe gereinigt, die ich so viele Jahre gejagt habe in Deinem Namen. Weise mir den Weg hinunter in die Ebene, auf dass ich weiter Gutes tun kann in Deinem Namen. Praios, hilf!“

Doch Praios tat nichts. Er schien nur weiter gleißend auf den Grat, von dem sich Schlattner jetzt hinunterschleppte. Er warf keinen Blick auf Wyrmbergen oder auf Ritter Uriel, sondern suchte sich seinen Weg aus dem Wall. Sieben Tage waren sie hinaufgetsiegen. Davon fünf ohne Essen und ohne Schlaf. Fiebernd. Wie lange würde er dem Todesfluch widerstehen können? Würde Praios ihn retten?

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Die Alte beugte sich über den Bannstrahler, der bewusstlos zwischen den Kieseln und Steinen am Fuß der Halde lag. Sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Tststs, was bist du nur für ein missratender bastard. Genau wie dein Vater. Aber Familie ist Familie. Ein letztes Mal helfe ich Dir, Blut von meinem Blute.“ Sie legte ihre altersfleckige Hand auf die Stirn des Ritters du murmelte leise. Dann kam sie mühevoll auf die Beine: „Komm, Ribussa, nimm ich mit hinunter. Ich kann nicht mehr laufen.“

Die junge Hexe nahm die Greisin auf den Besen und flog los.

Von Schlattner hat man nie wieder gehört.